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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Hundert Jahre Frankfurter Kunst (1832-1932)
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Hundert Jahre Frankfurter Kunst (1832—1932)

In den Jahrhunderten, in denen sich in anderen
Teilen Deutschlands, häufig sogar an kleinen Plätzen,
ein reiches künstlerisches Leben entfaltete und zur
Bildung lokaler Kunststile führte, hat sich in Frank-
furt kein bodenständiges Kunstleben entwickelt.
Nur einmal, im Laufe des 19. Jahrhunderts, zu einer
Zeit merkwürdigerweise, in der die politische und
wirtschaftliche Bedeutung der Stadt im Abstieg be-
griffen war, hat sich in Frankfurt ein Kreis von
Künstlern gebildet, der in der Lage war, einen selb-
ständigen Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte zu
liefern.

Im Jahre 1795 hatte der reiche Frankfurter Kauf-
mann J. F. Städel sein beträchtliches Vermögen
testamentarisch für die Gründung eines Instituts
zur Pflege der bildenden Künste und zur Erziehung
junger Künstler festgelegt. Allerdings erst seit 1828
konnte der großzügige Plan verwirklicht werden.
Von diesem Jahre an tritt die Stadt Frankfurt aktiv
im deutschen Kunstleben in Erscheinung. Da zwei
Jahre nach der Eröffnung des Institutes Philipp Veit,
aus dem Kreise der deutsch-römischen Nazarener.
die Leitung übernahm, wurde Frankfurt zum Zen-
trum der ..neudeutsch-religiös-patriotischenKunst",
von der sich der junge Nachwuchs die Befreiung
aus der akademischen Enge des Klassizismus erhoffte.
Die reiche Stadt und der klingende Name von Philipp
Veit lockten viele junge Künstler an den Main. In
Düsseldorf kam es zu einer förmlichen Sezession.
Aber außer Alfred Rethel, der im Kreise der Städel-
schule den Monumentalstil seiner großen Historien-
bilder entwickelte, ist kein namhafter deutscher
Künstler aus dem Kreise der Frankfurter Nazarener
hervorgegangen. Die dürre Doktrin dieser program-
matisch entwickelten Kunstrichtung hat niemals
die Anteilnahme breiterer Schichten zu wecken ver-
mocht, auch unter Veits Nachfolger. E. v. Steinle.
nicht. Dem Frankfurter Publikum hätte die volks-
tümliche Heiterkeit der Märchenbilder von Moritz
v. Schwind mehr zugesagt, aber das Temperament
dieses Künstlers ließ sich nicht einfangen in den
Bürokratismus eines Institutsbetriebes. Infolgedessen
fiel dem aus Düsseldorf berufenen Jakob Becker,
der nur ein Künstler von mittelmäßiger Bedeutung
war, die Rolle zu, Bahnbrecher der realistischen
Genremalerei in Frankfurt am Main zu werden.
Nahezu alle Maler der folgenden Generation haben
in seiner Malklasse ihre erste Ausbildung erfahren.
Die eigentlichen Begründer des um die Mitte des
Jahrhunderts sich entwickelnden neuen Stils des
Landschaftsbildes aber waren J. D. Dielmann und
K. Engel. Die Landschaftsmalerei blickte in Frank-
furt auf eine längere Tradition zurück, die mit dem
aus Wien eingewanderten A. Radi begonnen hatte
und seit Karl Morgenstern und Peter Becker, dem
..Frankfurter Maleroriginal", sich immer mehr ihre
Motive aus nächster Umgebung holte. Mit Dielmann.

der die Cronberger Malerkolonie begründete, setzt
das Ringen um die atmosphärische Erfassung der
Naturein. SeinFreundundY\ eggenosse A.Burger,der
den malerischen Reiz des Lichtes in den Frankfurter
Altstadtgassen entdeckte, wandte sich später immer
mehr der genrehaften Schilderung des Volkslebens
zu. Die unmittelbare Verbindung zu der zielver-
wandten Schule von Barbizon stellte P. Burnitz, der
erste Schilderer des deutschen ..paysage intime" her,
deren beste Meister L.Eysen und Ph. Rumpf wurden.
Viktor Müller geriet ganz unter den Einfluß Cour-
bets, der kurze Zeit in Frankfurt lebte, obgleich er
in seinem tiefsten Wesen immer in der Romantik
verwurzelt blieb. Auch A. Schreyer. W. A. Beer.
A. Göbel und K. Hausmann gehörten ursprünglich
zu der Cronberger Künstlergruppe. Mit Scholderer
faßt der Leibische Realismus zuerst in Frankfurt
Fuß, der dann bald durch Trübner den Übergang
zum deutschen Imperialismus findet. In jenen Jah-
ren kam auch Thoma nach Frankfurt und malte
am Main und im Taunus seine schönsten Land-
schaftsbilder. Als Thoma Frankfurt verließ, blieb
W. Steinhausen, der zwar als Figurenmaler ein blasser
Nachfolger der Nazarener wurde, aber ein gefühl-
voller Interpret der deutschen Waldlandschaft war:
ferner der volkstümliche F. Boehle und sein Freund
W. Altheim. Mit ihnen erlosch die lokale Eigenart.
Die jüngere Impressionisten-Generation, zu der Nuß-
baum. Battenberg, A. Oppenheim, Gudden und der
zu früh verstorbene H. Sutter gehören, kennen be-
reits nicht mehr den Ehrgeiz der ehemaligen freien
Reichsstädter, ein individuellbetontesgeistigesEigen-
leben ihrer Heimatstadt zu kultivieren. In der Nach-
kriegszeit vollends wird das künstlerische Bild durch
die von auswärts zugezogenen Künstler bestimmt.
Unbeirrt von dem Ringen um eine neue Formge-
staltung der Gegenwart, das in den Werken von
Cissarz, Delavilla, Keil, Feibusch, Lismann. Diehl.
BestundP.Röhl zumAusdruckkommt, legenG. Foppe
und O. W. Roederstein mehr Gewicht auf ein gepfleg-
tes Handwerk. Viele hoffnungsvolle Talente findet
man unter dem jungen Nachwuchs, von dem be-
sonders Heinisch, Heck. Lammeyer und Garve Be-
achtung verdienen. Seit 1916 lebt Max Beckmann in
Frankfurt und hat dort seinen zeilkritischen Monu-
mentalstil entwickelt. Die Wucht seiner starken
Persönlichkeit wirkt sich begreiflicherweise sehr
intensiv bei den in der Entwicklung stehenden Schü-
lern aus, während W.Baumeister, der bedeutendste
Vertreter der abstrakten Malerei in Deutschland,
der seit einigen Jahren ebenso wie Beckmann an der
Kunstschule als Lehrer tätig ist. sichtbaren Einfluß
lediglich auf die Werbegraphik ausgeübt hat.
Gegenüber der vielgestaltigen und selbständigen
Malerei spielt die Plastik im 19. Jahrhundert in
Frankfurt, wie in den meisten anderen deutschen
Kunststädten, eine wesentlich geringere Rolle. Die
 
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