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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Werner, Bruno E.: Dem Gedächtnis Max Slevogts: 8. Oktober 1868 - 20. September 1932
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Dem Gedächtnis Max SlevogtS. 8. Oktober 1868 — 20. September 1932

Ein anscheinend gesunder, stämmiger Mann, mit
mächtigem Kopf, breitem Nacken, hochgebürstetem
gelocktem grauem Haar, mit einem in den letzten
Jahren weißgewordenen Kinnbart und zwei kühlen,
scharfblickenden Augen hinter den funkelnden Glä-
sern eines Kneifers, das war der Professor Max Sievogt,
dem man seit Jahrzehnten in Berlin in allen Aus-
stellungen, im Theater und auf den großen Festlich-
keiten begegnete und den man sich aus dem Leben
der Reichshauptstadt gar nicht mehr fortdenken
konnte.

Plötzlich hat er uns verlassen. Aus seiner Arbeit,
dem Fresko in der Friedenskirche in Ludwigshafen,
hat ihn der Tod fortgerissen. Auf seinem Landgut
Neukastell bei Landau, in seiner geliebten Pfalz, ist
er gestorben. „Golgatha 1952" soll das Gemälde
heißen, an dem der schwer Herzleidende mit dem
Aufgebot seiner letzten Kraft schaffte, von der dunk-
len Ahnung erfüllt, die er auch seinen Freunden
gegenüber aussprach, daß er diese Arbeit nie vollen-
den würde. Sie ist in der Tat sein Golgatha geworden.
Aus dem großen Dreigestirn der Berliner Kunst
vom ersten Jahrhundertdrittel ist er der zweite, der
uns verlassen hat. Corinth ging ihm voran. Der
greise Liebermann, der älteste dieser Männer, die
den künstlerischen Ruf dieser Stadt und eine neue
Periode der deutschen Malerei weit über die Gren-
zen des Landes getragen haben, ist der einzige Über-
lebende.

Noch ist die große Berliner Akademie - Ausstellung
in aller Erinnerung, die im Herbst 1928 zu Ehren
des Sechzig]ährigen veranstaltet wurde und die
Zeugnis ablegte von einem Schaffen, das man als
reich und ungewöhnlich ansprechen muß. Slevogt
hat nicht wie Corinth, der Ostpreuße, die strömende
Fülle und grenzensprengende Kraft des Ostens an die
Spree gebracht. Dieser Süddeutsche, der in Landshut
geboren ist, seine Anfänge in Alünchen erlebte und
später durch seinen jährlichen Aufenthalt in der
Pfalz zu seiner Heimat zurückfand, hat etwas von
der Heiterkeit, der spielerischen Phantasie und der
Anmut der Deutschen südlich der Donau dieser
Stadt mitgeteilt. Es war so, als durchdringe sich die
Nüchternheit, Kühle und Sprödigkeit dieser Stadt
mit der Leichtigkeit und dem strömenden Fluß der
Musik, als vereine sich das Schwere mit dem Her-
ben, das Grüblerische mit dem Flüchtigen, die dürre
Anmut des Berlinischen mit der Phantasiefülle des
Barock. Die Liebe, die Slevogt der Musik entgegen-
brachte und die ihn nach dem Salzburger Mozart
greifen ließ, kam in den arabeskenhaften zarten
Gebilden seiner Zeichnungen und Badierungen zum
Ausdruck, und die Improvisation des Moments, der
glückliche Augenblick, die gute Stunde haben weit
entscheidender als bei anderen Malern das Werk
dieses Künstlers bestimmt.

Als Slevogt 1890, nach vierjähriger Lehrzeit, sich
von seinem -Münchner Lehrer Wilhelm von Diez
loslöste, in der Erkenntnis, daß das altmeisterliche
Gebaren dieses Münchner Malergeschlechts ein

zu überwindender Anachronismus wäre, entstanden
seine ersten, vom eigenen Wesen zeugenden Bilder,
wie die ..Mutter auf dem Sofa", die mit gedämpfter
Palette eine angeborene Selbstverständlichkeit und
malerische Kultur verrieten. Sieht man heute die
..Danae ' von 1895, dieses Bild mit der alten Bäuerin,
die in der Schürze den Goldregen auffängt, während
im Hintergrund ein nacktes Mädchen liegt, so kann
man sich schwer vorstellen, daß das Gemälde bei
seinem Erscheinen einen Sturm der Entrüstung
erregte.

Was in dem Maler steckt, erkennt man eher an den
Bildnissen des Barons v. Schirding oder von Karl
Voll und vor allem an dem Kopf von Slevogts Frau
mit einem Fliederstrauß. Hell, weich und zärtlich
ist dieses Bildnis mit seinen lavendelblauen Farb-
tönen, musizierend in heiteren fließenden Klängen,
die für die damalige Zeit etwas durchaus Neues be-
deuteten.

Mit des Malers Übersiedlung nach Berlin im Jahre
1901 geriet er unter den Einfluß einer neuen Um-
welt, die ihn aus mancher unfruchtbaren Opposi-
tion befreite und in nähere Beziehung zu den da-
maligen Führern Liebermann und Corinth brachte.
Zugleich bekam ihm die frische herbere Luft, die
damals in der Beichshauptstadt wehte, ausgezeich-
net und es begann für ihn eine neue Epoche der
Aufhellung und Durchleuchtung, die heute noch
erkennen läßt, welches Glück der Künstler über
diese neue Umwelt gespürt haben muß.
Vielleicht sind es nicht die großen Kompositionen,
die bei aller Brillanz und bravouröser Malerei in
ihrer Kühle verraten, daß der Atem des Künstlers
nicht ausreichte, wie etwa der weiße Andrade, den

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