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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Brendel, Otto: Die schönsten Antikenfunde des letzten Jahrzehnts
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Künstleranekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0191

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darin auszubilden, wird man sofort bewundern.
Jedem Kenner antiker wie moderner Bildhauerei
wird sie meisterhaft erscheinen.

Daneben ein Stück Vasenmalerei: Idyll des Mythos,
Spiel zarter Phantasie und bedeutungsvollen Tief-
sinns (Abb. S. 170). Woher kommt der Wein, der
sonst in diesem bauchigen glänzendschwarzen Ge-
fäß den Zechern aufgetragen wird? Man sieht es auf
der Vorderseite, erzählt von sorgsam ins Hellrot
gezeichneten Figuren. Den Wein brachte Dionysos,
mit ihm ist er von weither gekommen. Da sitzt nun
der bärtige Gott, auf seinen Knien das mystische
Kind Jakchos, das fern von Menschen freundlich
spielend aufwächst, Becher und Weinrebe in der
Hand. Nymphen betreuen es, die eine mit der Win-
del, die andere aber mit schönen Blumen. Diese Vase,
selbst ein griechisches Gewächs etwa derselben Zeit
wie die beiden anderen Werke, von denen hier die
Bede war, ist im Jahre 1927 bei Commacchio in
Oberitalien gefunden worden: mit ihr zusammen
andere unschätzbare Stücke, die aber im Augenblick
der Veröffentlichung noch nicht zugänglich sind.
Das Thema des Weines, der gehegtesten und neben
dem Getreide am meisten bewunderten Kultur-
pflanze der Alten Welt, ist in der griechischen Kunst
immer erhalten geblieben. Vielleicht ist auch der
Jüngling aus Bronze, der 1925 aus der Bucht von
Marathon gezogen werden konnte, nichts anderes
als ein Weinschenk (Abb. S. 175). Dann müßte er
in der erhobenen Rechten eine Kanne gehalten
haben, bereit in eine Schale einzugießen, die auf
der flach gestreckten Linken lag. Die beiden Geräte
jedenfalls sind verloren: um so schöner erhalten die
Statue selber und der Schwung ihrer Bewegung.
Sie wird rund hundert Jahre jünger sein als die

eben gezeigten Werke, und es ist nicht schwer zu
sehen, wie Geist und Absicht sich in dieser Zeit
gewandelt haben. Ganz anderer Art ist jetzt die
Linienschönheit des Umrisses, die Weichheit der
Ubergänge in Kurven. Schwellungen und Drehun-
gen.

Mit dem Thema des Weines spielt noch der schöne
Sarkophag aus der Pretestata-Katakombe, dessen
Abbildung (S. 174) wir der Entdeckerin Frl. M.
Gütschow, zu danken haben: aus zahllosen Splittern
und Bruchstücken zusammengesetzt, ist er nicht so
sehr ein Gewinn des Spatens, als unermüdlich
suchender Geduld. Er ist attischer Arbeit, stammt
aber erst aus römischer Zeit, etwa dem Anfang des
2. Jahrhunderts n. Chr. Erotenkinder schwärmen
darauf im bacchischen Zug, seltsame Vorstellung
endlicher Paradiesesfreude, die den Abgeschiedenen
erwartet. W7ie hier die niedergehende Antike ihr
Erbe des mystischen Weines einer kommenden Welt
überliefert, so auch die Kunstform der schwärmen-
den Eroten: in der Benaissance der neueren Kunst,
bei Raffael, bei Tizian wird sie wieder aufleben.
Dieses römische Altertum selbst aber, in den letzten
Jahrhunderten seines Bestandes, schafft noch ein
ganz neues und ganz eigenes Kunstwerk: Das poli-
tische Herrscherbildnis. Immer noch zu wenig kennt
man das kolossale Bild des Kaisers Trajan
(Abb. S. 173), mit dem hier diese gewiß nicht voll-
ständige Aufzählung schönster neuerer Antiken-
funde beschlossen sei. Das griechische Menschen-
bild findet Vollkommenheit im nie wieder erreich-
ten Ausgleich von Geist und Schönheit; das römi-
sche Bildnis seine eigenste Vollendung in der Würde
des Weltbeherrschers, im Ausgleich von Geist und

Macht. OttoBrendel

Künstleranekdoten

Cezanne sagte einmal: ..Es gibt zwei Arten von
Malerei. Da ist zunächst die starke, die schöpferische
Malerei — kurz die meine. Und dann ist da noch
die Malerei der andern."

Clemenceau hat Cezanne dreimal gesessen. Dann
konnte der Maler nicht weiter. Er erzählte später:
„Eines Tages habe ich alles stehen und liegen
lassen. Eine Mauer richtete sich vor mir auf. Dieser
Mensch glaubte nicht an Gott. Machen Sie von so
was ein Porträt!

Die Malerei war Cezannes einzige Sorge und der
Gegenstand seiner ununterbrochenen geistigen Be-
schäftigung.

Seit einem Jahr hatte er Charles Camoin nicht
gesehen, da traf er ihn in Marseille auf der Straße.
Bevo*- er ihm die Hand drückte und sich nach

seinem Befinden erkundigte, sagte er zu ihm, gerade
als ob er einfach eine Unterhaltung, die er am Tag
vorher gehabt, fortsetzen wollte:
„Guten Tag, Herr Camoin. Alles ist lediglich Theo-
rie, aber angewandt und entwickelt im Kontakt
mit der Natur..."

*

Courbet und Corot gingen spazieren. Courbet fragte
unvermittelt: ,, W er sind eigentlich die Maler Frank-
reichs? Bin ich's. sind Sie es? " „Wenn ich nicht
dabei gewesen wäre", sagte Corot später, „hätte er
mich sicherlich nicht erwähnt."

Kokoschka wurde von dem Doktor R. aufgefordert,
sein Porträt zu malen. Er sah sich den Mann lange
an, dann sagte er zögernd: ..Herr Doktor, do mol
i do liaba a Stülleben!

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