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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Unold, Max: Zum Problem "Malerei und Architektur", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0404

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Zum Problem „Malerei und Architektur". Von Max Unoid

Es gab eine Zeit, in der man am Gemälde vor allem
die „Plastik" und Illusionswirkung schätzte, in der
es mehr oder weniger in der Absicht des Malers lag,
den Beschauer durch einen Rahmen in ein Stück
täuschend nachgeahmter Wirklichkeit blicken zu
lassen. Im Gegensatz hierzu werden heute Räum-
lichkeit und Tiefe des Bildes durch Kunstmittel ge-
staltet, die eine solche Panoramawirkung instinktiv
vermeiden. So verschiedenartig sonst die Tendenzen
der Gegenwartskunst sein mögen: dies eine wird
man überall wiederfinden, nicht nur in den Plakat-
flächen der ..,Brücke''-Bilder, sondern selbst in der
Uberdeutlichkeit der „Neu-Sachlichen". Die dar-
gestellten Formen können vollkommen gerundet
erscheinen — niemals gestatten sie die Vorstellung,
daß man sie betasten könnte, weil sie gänzlich in
die Bildebene eingebettet sind. Diese neue Bildraum-
Anschauung hat wohl in erster Linie dazu geführt,
daß der Künstler jetzt leichter als zur Zeit des
Naturalismus und Impressionismus den Weg zur
Monumentalmalerei findet, die von der Baukunst
die Gesetze ihres besonderen Stiles empfängt. Im
Barock mußte die Malerei das Bestreben der Archi-
tektur nach Auflösung alles Festen unterstützen,
die Kuppel- und Deckengemälde sollten Unendlich-
keit vortäuschen, einen Himmel, der die Mauer als
solche überhaupt aufhob. In unseren Tagen dagegen
wird die Undurchdringlichkeit der Wand, ihre
„Zweidimensionalität ', betont und der Maler da-
durch vor ein Problem gestellt, das für ihn auch in
seinem Tafelbild existiert — das Problem der
„Flächigkeit".

Die Ölmalerei gestattet bekanntlich das freieste
Arbeiten und bietet die reichsten Möglichkeiten des
Vorgehens und der Vollendung: im Vergleich mit
ihr bleiben die verschiedenen \ erfahren, welche
für den malerischen Schmuck der Wand erfunden
wurden, in den Mitteln beschränkt und spröder zu
handhaben. Durch diese technischen Voraussetzun-
gen sind einerseits die Grenzen abgesteckt, welche
eine der Architektur dienende Kunst auch stilistisch
nicht überschreiten darf, andererseits sind dadurch
gerade Anregungen gegeben zu einer dem spezi-
fischen Zweck entsprechenden Form- und Raum-
behandlung. So lassen sich z. B. im Fresko natura-
listisch-plastische Wirkungen nur sehr schwer und
nur durch eine Vergewaltigung des Materials er-
zielen. Aus diesem Grund bringt der Barockkünstler,
der gerade solche Effekte erreichen will, seine Ma-
lerei so entfernt vom Beschauer an, daß das Auge
einen modellierten Gipsputto von einem gemalten
kaum mehr unterscheiden kann. Eben deshalb hat
man andererseits im späteren i 9. Jahrhundert auf
diese Technik fast ganz verzichtet und dekorative
Gemälde konsequenterweise mit Ölfarbe auf Lein-
wand ausgeführt, weil sie sich nur im Ausmaß von
Staffeleibildern unterscheiden, sonst aber genau so
realistisch wie diese sein sollten. Heute schätzen
wir die glanzlose und nicht sehr kontrastreiche

Freskenfarbe, wie sie nach dem Auftrocknen stehen
bleibt, ihre Flachheit und Unstofflichkeit, als posi-
tiven Wert und verwenden sie ohne viel Raffine-
ments, wie es ihrer Natur am meisten entspricht:
eigentlich wird sie ja nicht aufgetragen, sondern die
oberste Mörtelschicht wird mit ihr eingefärbt. Reiz
und Ausdruck müssen somit hauptsächlich in der
Linienführung gesucht werden, und Konturen,
welche diese nachdrücklicher hervorheben, sind hier
durchaus am Platz. Denn sie werden schon beim
Ubertragen des Kartons in den feuchten Verputz
eingeritzt; nichts liegt also näher, als sie mit dem
Pinsel nachzuziehen und solche linear-zeichne-
rischen Momente werden eine Illusion der Tiefe
erst recht verhindern.

Beim Mosaik steht ein intensiv farbiger Werkstoff
zur Verfügung, der durch eine fast unbeschränkte
Auswahl von Tönen mit der Ölmalerei ohne wei-
teres konkurrieren könnte. Mancher zieht deshalb
mattes Stein- und Marmormaterial vor, das mit einer
gedämpfteren Skala näher am Fresko steht. Aber
auch bei Herstellung aus den glänzenden und farb-
reichen Glaspasten wirkt das musivische Gemälde
durch das Zusammensetzen aus kleinsten Teilen,
das Nebeneinander der winzigen Steinchen, gleich-
sam „gemauert" und erzeugt dadurch ein ähnliches
Phänomen, wie es der gewebte Bildteppich bietet
oder — der Pointiiiismus. Die Fugen sind eine Art
Raster, welcher Modellierung und Räumliches
innerhalb der Darstellung mehr als abstrakten Hin-
weis erscheinen läßt und das Auge auf der vorderen
Bildfläche festhält.

Während man in den Zeiten des geringsten Ver-
ständnisses für die den monumentalen Künsten
innewohnenden Gesetze die Fugen des Mosaiks
möglichst zu vertuschen und die natürlicherweise
unebene Oberfläche durch Abschleifen der eines
gefirnißten Ölgemäldes anzugleichen suchte, blieben
beim Glasfenster immer die Bleistreifen bestehen,
welche die verschiedenfarbigen Gläser zusammen-
halten. Diese Verbleiung wird jetzt mit Bewußtsein
als flächiges Ornament verwendet, und wenn man
früher helle und fade Töne bevorzugte, weil sie
möglichsteDeutlichkeit des.,Bildmäßigen" gestatten,
so greift der Künstler nunmehr mit Vorliebe zu den
tiefen und feurigen Nuancen, wie wir sie in den
mittelalterlichen Domen bewundern. Denn man
hat wieder eingesehen, daß das Glasfenster nichts
Schöneres sein kann als ein Stück farbig leuchtender
Wand, welche die tragenden, dunklen Mauern nicht
nur durchbricht, sondern auch verbindet.
Daß diese technischen Voraussetzungen wieder als
Grundlage der formalen Behandlung in der Monu-
mentalmalerei erkannt wurden, ist ein positiver
Gewinn, den uns die letzten Jahrzehnte gebracht
haben (und es wäre undankbar, hier nicht den
Namen Gottfried Heinersdorffs zu nennen, der in

(Fortsetzung Sitte 383)

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