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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Fechner, Hanns: Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0340

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Stil

Jeder Stil wird aus den Hochempfindungen einer
Zeit heraus geboren und entwickelt sich unter dem
Banne derselben. Erst der Einschlag eines von an-
deren Anschauungen getragenen Fühlens ergibt
den Kunststil. Das aus dem Krieg geborene Frie-
densethos wird vielleicht den Stil unserer Tage zu-
wege bringen.

*

Stilgefühl haben, heißt, sich einfügen in ein großes
Ganzes, oder aus einem großen Kunstgedanken Voll-
endung in einer Richtung schaffen: bauen, malen,
dichten können; Stil ist Weltanschauung.
Wir Deutschen nehmen, und das macht unsere In-
ternationalität, alles Gute, woher es sei, also auch
aus den fremden Ländern. Wir werden das aber um
so weniger zu tun brauchen, wenn wir an das Aus-
arbeiten der Kunst, die ganz unser eigen ist, alles
setzen.

Stil entsteht aus der immerwährenden Benutzung
und Wiederholung von Formen, durch Anwendung

derselben Motive. Dabei zeigen sich aber immer
wieder neue Ausdrucksmöglichkeiten der Kombi-
nation. Stil ist kein Suchen, sondern ein Ausbauen,
ist gemeinsame Arbeit am Werke, mit gleichen
Zielen. So wie etwa ein Dombau durch Jahrhun-
derte freimaurerisch entsteht. Stil ist der beste und
wertvollste Erfolg der Arbeit von Generationen.
Das Abmalen allein gibt keinen Erfolg, weil es
charakterlos, ohne Endziel ist. Die Abmaler, der
größte Teil der Maler, sagen: das kann ich auch—,
oder, das kann ich besser. Dient es gemeinsamer
Arbeit. so wird es Stil, sonst Mode. Die, welche
nicht dem gemeinsamen Gedanken dienen, haben
ihren persönlichen Stil, sind die Einmaligen, die
ganz Großen.

*

Einen Stil gleich dem der Gotik kann unsere Zeit
nicht mehr hervorbringen. Wir haben keine Muße,
keine Beschaulichkeit mehr, aber wir werden alle
Stile mit künstlerischem Gefühl anwenden können.

Hanns Fechner

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