Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

DOI Artikel:
Kroll, Bruno: Von der künstlerischen Freiheit: Kann und darf der Künstler frei sein?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0306

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von der künstlerischen Freiheit. Kann und darf der Künstler frei sein?

Vor kurzem brachte der F. Bruckmann Verlag ein
Buch über den Grieser Altar des Michael Pacher
heraus. Ein selten schönes Buch. Aurel Schwabik
schrieb es. Das Buch bezaubert durch seine Abbil-
dungen, weckt durch seinen sachlichen einläßlichen
Text die Fühlfähigkeit des Lesers, öffnet selbst dem
kunstungeübten Auge des Laien die glanzvolle Schön-
heit des vielfigurigen Altarbildwerkes mühelos. Was
aber mein Erstaunen in erster Linie erregte, waren
nicht die köstlichen Abbildungen, nicht der klare
sachlich analysierende Text, sondern der Kontrakt-
brief war es über den Altar, der Vertrag zwischen
Stifter und Meister, das Übereinkommen zwischen
den biederen Weinbauern und dem weit gerühmten
Künstler. Dieser Kontrakt hat mich seltsam berührt,
denn er enthält nicht nur die Vereinbarungen über
den Termin der Fertigstellung und über den Preis,
nein — auch genaueste Vorschriften für den Auf-
bau des Altares und selbst für dessen malerische Aus-
stattung, damit „er verwendbar, wertvoll und ganz
tauglich gemacht werde . . .

Merkwürdig. So etwas hat es einmal gegeben. Die
Tatsache nämlich, daß ein Laie dem Künstler An-
ordnungen machte und der Künstler sich mit die-
sen identifizierte. Ob ein solcher Vertrag wohl heute
denkbar wäre? Für den selbstbewußten Künstler
heißt heute Künstler sein — frei sein. Frei-sein von
jedem Zwang und jedem Abhängigkeitsverhältnis.
Frei-sein von allen ethischen, sozialen und natio-
nalen Bindungen; Losgelöstsein auch aus allerTra-
dition im Gestalterischen, aus aller Erfahrung im
Technischen, im Handwerk.

Heißt aber ein solches Verstehen von künstlerischer
Freiheit nicht ein grobes Mißverstehen? Die leben-
dige Verbindung zwischen Kunst und Publikum ist
seither zerstört. Es läuft ein Riß seit jenen Tagen
zwischen der Kunst und der Öffentlichkeit, ein Riß,
der sich namentlich während der letzten zwei Gene-
rationenvertieft, verbreitert, verlängerthat. Dabeiist
in dem modernen Menschen nicht weniger Hingabe-
bedürfnis an die Kunst als früher. Vielleicht ist die
Sehnsucht danach heute sogar noch intensiver, le-

287
 
Annotationen