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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Posse, Hans: Ein Damenbildnis von Ferdinand von Rayski
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Hölzel, Adolf: Vom Wesen der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0332

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Ein Damenbildnis von Ferdinand von Rayski

Die Dresdner Gemäldegalerie hat vor kurzem ihrem
stattlichen Besitz an V\ erken Ferdinand von Rayskis
ein Damenbildnis einfügen können, das zu den
schönsten und charaktervollsten Schöpfungen des
sächsischen Malers gehört. Es stellt die Freifrau
Josefine von Zobel, geborene Freiin Speth von Zwie-
falten aus dem Hause Gammertingen (geb. 26. Au-
gust 1808, gest. 28. Oktober igoo) dar, in jener
Rayski eigentümlichen natürlichen Vornehmheit
der Auffassung, in der Frische des unmittelbaren
persönlichen Eindrucks, der das Bildnis hoch über
das übliche Salonporträt erhebt.
Als Ferdinand von Rayski 32jährig im Jahre 1838
das Bildnis der damals 30jährigen Freifrau von
Zobel malte, war er in der ersten Blüte seiner
Schaffenskraft. Noch stand er unter den Eindrücken
eines, wenn auch kurzen Aufenthaltes in der dama-
ligen europäischen Kunstzentrale Paris (1835). Auf
der Rückreise war er von 1836—1839 in Süddeutsch-
land geblieben, vor allem in der Gegend von Würz-
burg. Auf den Schlössern und Gütern des fränki-
schen Adels porträtierte er seine Gastfreunde in
einer großen Reihe von Bildnissen, darunter auch
den Freiherrn Edwin von Zobel und seine Gattin
Josefine auf Schloß Giebelstadt in Unterfranken.
Beide Bildnisse geben eine hohe Vorstellung von
einer damals in der Menschenschilderung und ihrer
freien malerischen Bewältigung einzigartigen deut-
schen Künstlerbegabung. Das Herrenbildnis heute
in Thüringer Privatbesitz) erinnert in der großen
zusammengehaltenen Form der mächtigen Gestalt
mit dem schwarzen, im Umschlag karminroten
Mantel und den breiten farbigen Flächen einer da-
mals ungewohnt temperamentvollen Malerei an die
große und unbefangene Haltung der Bildnisse des
Velazquez. Das Damenbildnis aber bewahrt bei den
gleichen malerischen Vorzügen den eigenen Beiz
einer schönen und rassigen Frau von stolzer Er-
scheinung. Der Porträtist Rayski ist im allgemei-
nen ein Männermaler. Nie wieder hat er in späte-
ren Zeiten ein so liebenswürdiges Frauenbildnis
geschaffen. Bezeichnenderweise hat er die Freifrau
von Zobel zweimal gemalt. Ein erster Versuch in
von vorn gesehener unbewegter Haltung, mit
übereinandergelegten Händen und dunklem Um-
hang, der wie eine Kulisse gegen den lichten
Fleischton steht, mit etwas derb geratenem Gesicht,
scheint ihn nicht befriedigt zu haben. Erst die
zweite, völlig veränderte Fassung zeigt die erwachte
innere Anteilnahme des Malers an seinem Objekt.
Und diese ist so stark, daß aus dem ersten, etwas
nüchternen Gelegenheitsporträt, den Gastfreunden
zuliebe entstanden, ein Damenbildnis voll leben-
digster Anmut und vom Feuer der Persönlichkeit
beseelt hervorgegangen ist. Jetzt ist die Haltung der
Porträtierten locker und frei geworden. Die rechte
Hand ruht leicht auf einem offenen Xotenheft,
während der Kopf mit dem Ausdruck nachdenk-
lichen Sinnens etwas zur Seite gewendet ist. Male-
risch war abermals die Wiedergabe des wunderbar

lichten Inkarnats der Ausgangspunkt für den Maler.
Das von dunklen Locken umrahmte Antlitz, schöne
volle Schultern und Arme empfangen ihren farbigen
Reiz durch das kalte Karmoisinrot des ausgeschnit-
tenen Samtkleides, das von reinem Hellblau in
allen Nuancen im Einband des Notenbuches unten
bis in die Beflexe des Fleisches begleitet wird. Die
Malerei in ihrem leidenschaftlichen Strich zeugt
diesmal von der Erregung des Schaffenden vor seinem
Gegenstand. Alles Beiwerk, Hände und Arme sind
beinahe skizzenhaft behandelt, wie Rayski es von
dem Bildnis des Velazquez in der Dresdner Galerie
her kannte, während der ausdrucksvolle Kopf allein
in reichster Farbigkeit mit höchster Delikatesse
durchgeführt wurde.

Im Rahmen der gesamten deutschen Bildnismalerei
der dreißiger und vierziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts vermag dieses Bildnis der Freifrau
von Zobel noch heute Aufmerksamkeit und Teil-
nahme zu wecken. Es ist im besonderen Maße geeig-
net, daran zu erinnern, daß Ferdinand von Rayski
als Menschenschilderer, nicht im idealistischen
Sinn der herrschenden Nazarener und Akademiker,
sondern als Vertreter einer der W irklichkeit zuge-
wendeten Kunstauffassung im damaligen Deutsch-
land einzig dasteht, und daß mit seinen besten
Schöpfungen dieser Jahre nur der jüngere Menzel
der vierziger Jahre in einen Wettstreit treten kann.

Hans Posse

Vom Wesen der Kunst

Die Aufgabe des Malers ist es nicht so sehr, das
Große klein zu machen, als das Kleine groß!
Mit dem Zweck hört das Wesen der Kunst auf.
Ich ringe nach dem, was man Ausdruck nennt.
Nur künstlerisch ausgedrückt gewinnt der Gegen-
stand Bedeutung für die Darstellung.

Die Handhabung der Mittel bildet den Beruf und
das Handwerk des Malers, mit ihrer Durchgeisti-
gung erreichen wir die Höhe der Kunst.
Ich habe mich mit den Fragen der Mittel der Kunst
beschäftigt, und habe gefunden: es ist ein Laby-
rinth.

Wir müssen zu unserer Befriedigung aus den künst-
lerischen Mitteln menschliche Harmonien entwrik-
keln, und zwar durchaus im Sinne der künstleri-
schen Mittel, die sich dann mit dem menschlichen
Gefühl decken.

Der Maler ist durch die ihm zur Verfügung stehen-
den Mittel trotz ihres Reichtums und ihrer gegen-
seitigen Beeinflussung äußerst beschränkt. In dieser
Beschränkung muß er sich als Meister zeigen.

_ Adolf Holzel

Aus dem Buch von Marie Lemme „Adolf Holz.V . Deutsche Ver-
lagsanstalt. Stuttgart.

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