Lesser Ury
Als Lesser Ury vor einem Jahr starb, fand man in
dem zum Labyrinth gewordenen, verstaubten Atelier
am Nollendorfplatz in Berlin inmitten von Bildern
und Gerümpel versteckt und verkramt Juwelen,
Bargeld und Börsenpapiere, deren hoher Wert um
so erstaunlicher war, als man zunächst angenommen
hatte, daß der 70 jährige Maler in einem bejammerns-
werten Zustand verhungert war.
Der seltsame Fall, der damals die Boulevardpresse
zu sensationellen Schlagzeilen veranlaßte, ist charak-
teristisch für einen Mann, der ein isolierter Fremd-
ling zeit seines Lebens geblieben ist, und der sich
als Sonderling immer mehr in eine Einsamkeit
zurückgezogen hatte, die im Grunde selbst gewollt
war. Denn seine alte Feindschaft und sein Zorn
gegen seinen glücklicheren Berufsgenossen Max
Liebermann, seine tiefe Bitterkeit und Verärgerung
hatten eigentlich seit langem keinen äußeren Grund
mehr. Lesser Ury war in der Schätzung des Publi-
kums in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr
gestiegen, und als er 1922 mit seinem Werk als
Ehrenmitglied der Sezession weithin sichtbar heraus-
trat, hatte er sich trotz Liebermann den Platz er-
rungen, den er für sich und seine Kunst im Ge-
samtrahmen beanspruchen konnte.
Als die Berliner Nationalgalerie um die letzte Weih-
nachtszeit eine große Gedächtnisausstellung Lesser
Urys veranstaltete, fand man Gelegenheit, noch ein-
mal seinen Eindruck von diesem Mann bestätigt zu
sehen. Man sah einen Maler, der sich zeit seines
Lebens höchst eigenwillig mit der Farbe herum-
geschlagen hat, einen Mann, dem es ernst war und
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Als Lesser Ury vor einem Jahr starb, fand man in
dem zum Labyrinth gewordenen, verstaubten Atelier
am Nollendorfplatz in Berlin inmitten von Bildern
und Gerümpel versteckt und verkramt Juwelen,
Bargeld und Börsenpapiere, deren hoher Wert um
so erstaunlicher war, als man zunächst angenommen
hatte, daß der 70 jährige Maler in einem bejammerns-
werten Zustand verhungert war.
Der seltsame Fall, der damals die Boulevardpresse
zu sensationellen Schlagzeilen veranlaßte, ist charak-
teristisch für einen Mann, der ein isolierter Fremd-
ling zeit seines Lebens geblieben ist, und der sich
als Sonderling immer mehr in eine Einsamkeit
zurückgezogen hatte, die im Grunde selbst gewollt
war. Denn seine alte Feindschaft und sein Zorn
gegen seinen glücklicheren Berufsgenossen Max
Liebermann, seine tiefe Bitterkeit und Verärgerung
hatten eigentlich seit langem keinen äußeren Grund
mehr. Lesser Ury war in der Schätzung des Publi-
kums in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr
gestiegen, und als er 1922 mit seinem Werk als
Ehrenmitglied der Sezession weithin sichtbar heraus-
trat, hatte er sich trotz Liebermann den Platz er-
rungen, den er für sich und seine Kunst im Ge-
samtrahmen beanspruchen konnte.
Als die Berliner Nationalgalerie um die letzte Weih-
nachtszeit eine große Gedächtnisausstellung Lesser
Urys veranstaltete, fand man Gelegenheit, noch ein-
mal seinen Eindruck von diesem Mann bestätigt zu
sehen. Man sah einen Maler, der sich zeit seines
Lebens höchst eigenwillig mit der Farbe herum-
geschlagen hat, einen Mann, dem es ernst war und
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