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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Zoege von Manteuffel, Kurt: Robert Sterl und seine Zeichenkunst
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Ehl, Heinrich: Kunstsoziologische Bemerkungen, [2]: [zu den Hamburger Wandbildern]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0268

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Masse des Gesteins, das sie losbrechen, das sie heben
und schieben und auf Karren verladen. In der
Schwüle abendlicher Säle drängen sich die Geiger
und Bläser, die Instrumente verschieben sich hinter-
einander in Parallelen und spitzen Winkeln, ein
Klavierdeckel durchbricht das Gewirr mit seiner
schräg aufragenden Fläche, die Arme des Kapell-
meisters erheben sich aus dem schäumenden Meer
der Fidelbogen; dahinter dämmert das Halbdunkel
des Raumes mit den aufblitzenden Gesichtern der
Zuhörer, in denen sich die Wirkung der Klänge
spiegelt. Phantastisch ragen russische Städte aus den
Wellen des großen Stroms, vollbeladene Boote
schwanken. Am Hafen lehnen ermüdet Lastträger,
warten Fuhrwerke, wiegen sich die festgemachten
Schiffe. Am Ufer weiterhin stehn Wartende, Zu-
schauende. Rufende, ziehen Treidler hin, gelassen
schweren Schrittes die Last ihrer Körper in das
schwappende Leitseil lehnend, das den Widerstand
des gleitenden Schiffes auf sie überträgt.
Die Mittel, mit denen Sterl in der Zeichnung all
dieses mitteilbar macht, sind in langer Übung aus-
gebildet. Im Kampf gegen die überalterte spätnaza-
renische Schulung, die ihm die Dresdner Akademie
zu Anfang der achtziger Jahre aufzwang, gelangt er
früh zu malerischer Zeichenweise. Anfangs ist es
noch die sachliche, eingehende Zeichenweise Men-
zels, die er zum Vorbild wählt; bald aber wird ihm
Liebermanns Kunst zum Führer. Was er in den
neunziger Jahren nach längerem Studienaufenthalt
in Frankreich und Holland auf das Papier bringt, ist
noch von den Vorbildern des reifen Impressionismus
bestimmt. Seine Freiheit erringt er seit der Jahr-
hundertwende. Er beginnt mit dem Zeichenstift zu
malen, ihn zu konsequenter Wiedergabe von Licht
und Schatten zu gebrauchen, statt abstrahierend
Konturen zu umreißen. Diese Auflösung des Zeich-
nerischen in das Geflimmer malerischen Lichtspiels,
in das Andeutende abkürzender Sprache führt im

Lauf der Jahre zu immer strengerer Auswahl der
entscheidenden Wahrnehmungselemente, immer
wachsender Steigerung des Ausdrucks. Um 1910
erreicht er jene Meisterschaft, die in äußerster
Knappheit der Kunstmittel den Gehalt einer Figur,
die Weite eines Ausblicks, das Entscheidende einer
Bewegung ausschöpft. Jetzt kann er es wagen, die
Begrenzungen der Dinge, von denen er weiß, zu
opfern, alle Einzelheiten zu unterdrücken, zu deren
Ergänzung er den Beschauer zwingt. Früh hat er
farbige Werte in das Schwarzweiß zu übertragen
gesucht. Auf der Höhe seines Könnens fließt die
Eigenfarbe der Dinge mühelos mit in das Helldunkel
der Beleuchtung ein. Der Lichtwert der Farbe ist
gleichzeitig mit Erhellung und Verschattung erfaßt.
So entstehn unmittelbare Natureindrücke aus einem
Allgemeingefühl für die Vielfalt des Sichtbaren
heraus, das weder analysierend noch kombinierend
verfährt. Die Grenzen zwischen Malerei und Zeich-
nung verwischen sich.

Sterls Kunst ist eine Kunst der Naturverbundenheit.
nicht nur in dem Sinn, daß er mit der Landschaft
und ihren Bewohnern gelebt hat, sondern in dem
entscheidenderen, daß er nie etwas gestaltete, des-
sen Wesen er sich nicht zu eigen gemacht hatte.
Heißes Bemühen um Ausschöpfen des Lebendigen.
Abneigung gegen alles Erdachte oder Zurecht-
gemachte spricht sich, wie in seinen Gemälden, so
in jeder Skizze, jeder rasch hingeworfenen Zeich-
nung aus. Sein Schaffen ist der Ausdruck einer
warmen Lebensbejahung, eines sinnenbegabten
Menschentums und eines unbeirrbaren künstleri-
schen Gewissens, das sich mit keinem Ungefähr
oder Obenhin begnügen kann. Diese Menschlich-
keit und dieses Künstlertum haben in ihrer Ver-
bindung ein Werk geschaffen, das über die Zeit-
verbundenheit hinaus als Äußerung einer starken
Persönlichkeit unzerstörbaren WTert besitzt.

K. Zoege von Manteuffel

Kunstsoziologische Bemerkungen

(Fortsetzung von Seite 233)

in der Jenaer Universität nicht das einmalige Er-
eignis der historischen Tatsache der Freiheitskriege,
sondern das menschliche Symbol eines immer-
währenden einigen Gedankens menschlicher Begei-
sterung.

In den Hamburger Wandbildern hat man Motive
des religiösen, des sportlichen, des arbeitenden wie
des festlichen und des schlechthin daseienden Le-
bens und seiner Landschaft zu Symbolen zu erheben
versucht. Gewiß sind nicht alle Lösungen gleich-
wertig. Das monumentale Bild hat seine eigenen
Gesetze. Man kann nicht immer mit den Mitteln
des Impressionismus, dazu noch in seiner aufge-
lösten Spätform, monumental aus dem Wesen dieses

Begriffs heraus malen. Man verliert sich auch auf
der anderen Seite leicht in tote Schablonen, ins
Kunstgewerbliche, Ornamentale oder Dekorative.
Aber ein Anfang zu wirkender Kunst, die Bilder
des Lebens schaffen und ein Aufruf zu ihm sein
will, ist gemacht. Und ohne Zweifel ist in mehr
als einem Falle auch schon ein eigener Stil monu-
mentaler Gestaltung gefunden worden, deren ge-
sellschaftsbildender und sittlich formender Sinn
bei jedem Zeus, bei jedem Buddha und bei jedem
Christus, von der Lesche des Polygnot bis zur Zoo-
logischen Station des Marees in Neapel den Willen
hatte, in das Leben, in die Öffentlichkeit hinein zu

wirken. Heinrich Ehl

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