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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

DOI Artikel:
Ottmann, Franz: Die Herbstausstellung der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0143

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Staatliche Museen

Ferdinand Kitt. Bei der Sägemühle

Wiener Sezession

Die Herbstausstellung der Wiener Sezession

Das Genrebild setzt immer eine naturalistische oder
realistische Malweise voraus. Es will ja unmittelbar
aus dem Leben Gegriffenes geben. Es ist gleichsam
die Dialektdichtung in der Malerei. Einer Zeit, die
auf Synthese, auf einen Stil der Sammlung, auf
Abstraktion ausgeht, wird es notwendig innerlich
fremd sein. Eine Gruppe von Menschen, die natura-
listisch dargestellt, ein Genrebild ergeben würde,
muß da einen anderen Charakter, einen Charakter
größerer Allgemeingültigkeit bekommen. Aber der
Realismus ist ja nicht ganz tot, sofern auch in
unserer Zeit noch Menschen des ig. Jahrhunderts
leben — auch solche, die in unserem Jahrhundert
geboren sind. So kehrt auch das Genrebild wieder,
durch moderne Maltendenzen scheinbar verjüngt,
von Plüsch auf Schleiflack umgestellt. Aber unserer
Zeit ist es nicht gemäß.

Das fühlt man sehr stark vor einer Gruppe solcher
Bilder, die jetzt in der Wiener Sezession unter dem
Titel „Genrebilder von heute'" zusammengestellt
sind. Man hat ziemliche Gewalt anwenden müssen,
hat alles Zuständliche (etwa einen Fischer mit der
Angel), dazu Groteske, Karikatur, Satire mit herein-
genommen. Aber das Intime, ja Gemütliche, das
sogar in einer holländischen Bauernrauferei mit-
klingt, fehlt fast immer. Es ist durch die schärfere
soziale Note verdrängt. Diese aber ist immer Kritik
und schließt die Idylle aus. Die Gegenwart drängt
eben unaufhaltsam in die Bilder. Die krampfhafte,
oft groteske Übersteigerung unserer Zeit drückt sich
besonders in der Vorliebe für Zirkus, Variete, Prater-
szenen aus. Nun ja, wenn man das noch ..Genre"
nennen will . . .

Auch in Deutschland hat der Anruf etliche vorbe-

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