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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Brauer, Ernst Hannes: Über den Bildhauer Lorenz Zilken
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Riedrich, Otto: Nationale und internationale Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0149

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zunächst sein Handwerk: igi8bisig22. Dann finden
wir ihn in verschiedenen Münchner Ateliers tätig.
Teils mit eigenen Arbeiten, teils als Steinbildhauer.
Es folgt: Rom, Paris, Berlin. Drei Orte verschieden-
ster Prägung. Rom als die traditionelle Kulturstätte,
Paris als Ausdruck der künstlerischen Atmosphäremit
einem gewissen Sentiment behaftet und Berlin als
Wiege Deutschlands und damit als ständiges Wir-
kungsfeld. Ob wir den Kopf eines Pianisten betrach-
ten oder eine liegende Frauengestalt, einen Torso
oder die Statue eines Jünglings: wir sind ergriffen
von der innern Ruhe, die seine Werke nach außen
strahlen. Der Stein ist zur Idee geworden, die dar-
zustellende Gestalt Geist. Geschlossen in sich — rein
äußerlich ein harmonisches Gefüge von Linien und
Flächen — hat jede seiner Plastiken ihr Eigenleben.
Zilkens Kunst und Begabung beruht auf jenem
Gleichmaß, jener Harmonie, die uns als unvergäng-
liches Erbe von den Griechen her überliefert ist.
Zilken ist kein äußerer Kämpfer, der nach neuen
Formen sucht. Er setzt sich nicht mit Entwicklun-

gen oder Kämpfen auseinander, die vom Gestern in
das Heute und Morgen führen. Sein Kampf ist das
ewige Ringen um die Vergeistigung der Materie.
Mit knappsten Mitteln, oft durch Andeutungen nur,
spricht er zu uns, karg im Ausdruck von Einzel-
heiten, dafür aber um so eindrucksvoller im sinn-
vollen Zusammenhang des Ganzen. Es ist die Seele,
die zu uns spricht. Die Seele der liegenden Frau, die
auf dem Tempel von Aigina ebenso beheimatet sein
könnte wie in einer heutigen Weihestätte. Die Seele
des Menschen, die immer wieder neu die WTelt er-
lebt in ihrem ewigen Ablauf. Seine Technik ist von
einer Einfachheit und Klarheit, daß uns seine Pla-
stiken über sie hinweg, ohne mit den Schlacken der
Zeit behaftet zu sein, zu dem „Erlebnis'- führen.
Es nimmt uns daher nicht wunder, daß kongenial
mit seinem bildhauerischen Schaffen seine Zeich-
nungen sind. Knapp in der Linie, nur in leichter
Andeutung der Farbe, ist von ihnen dasselbe zu
sagen wie von seinen Plastiken.

Emst Hannes Erauer

Nationale und internationale Kunst

Kein Mensch, und wenn er sich auch noch so haltlos
gebärdet, schwebt haltlos irgendwo im Räume. Die
Wurzeln seines Wesens ruhen in der Erde, die ihn
trägt, ruhen im Stamme, der seinen Familienkreis
einschließt, und ruhen im Volke, dessen Sprache die
Sprache seiner Eltern und die seiner frühesten Kind-
heit ist. WTenn ein Mensch glaubt, keine Beziehun-
gen zu diesen Verbindungen zu haben, dann täuscht
er sich. Sie ruhen in ihm und sind nur durch das
veräußerlichte Leben der Gegenwart verschüttet.
Dann aber ist eine große Sehnsucht in den Menschen,
irgendwo verwurzelt zu sein. So sendet der entwur-
zelte Mensch der Gegenwart seine Gedanken über
die ganze Erde, den Ort zu finden, der ihm zum
Paradiese zu werden vermöchte. Wir Menschen der
großen Städte sind wahrhaft verloren, wahrhaft aus
dem Paradiese vertrieben, da es uns nicht vergönnt
ist, von eines eigenen Hauses Schwelle auf eigenen
Erdboden zu treten. Der Mensch im allgemeinen
hat keine Beziehung zu seinem Innersten mehr und
damit auch nicht zur Erde. W enn der Mensch den
Weg zu sich selbst gefunden hat, der mühsamste aller
Wege, dann wird er auch wieder zur Erde finden.
Die uralten Gebundenheiten werden erwachen und
ihn wieder als festes Glied in die Heimat einordnen.
Aus der Veräußerlichung und Verlorenheit im Außen
ist das Gefühl der Losgelöstheit vom Wesen des Vol-
kes erwacht. Aber die Art eines Volkes, sich in den
Dingen der Kultur versinnbildlichend, ist gebunden,
sie wirkt auch unbewußt in jedem Menschen fort.
Sie ist der geheime Strom, der ihn unsichtbar und

unfühlbar leitet. Die Kunst in ihren tiefsten Bezie-
hungen wird daher immer national d. h. an die ur-
eigenste Wesensart des Volkes gebunden sein.
Die Äußerungen des Lebens, die im allgemeinen als
internationale Kunst bezeichnet werden, haben mit
Kunst nichts zu tun. Es sind materialistische Äuße-
rungen, die ihren Ursprung im Geistigen, im Ver-
standesmäßigen haben, also Auswirkungen der Zahl,
der Technik, sind. Die Technik hat mit Kunst nichts
zu tun, sie hat nur den Zweck, das Körperliche des
Menschen zu schützen und zu fördern. Die Technik
ist die Grundlage für die seelische Entfaltung, die
erst die Dinge adelt und ihnen die Form gibt, die
dem Wesen eines Volkes entspricht.
Die Kunst, als Sinnbild der Kultur eines Volkes,
kann also nicht international sein Ihre magische
Wirkung jedoch, die aus dem Tiefsten des Menschen
hervorwächst, ist nicht an ein Volk gebunden, sie
ist allen Völkern eigentümlich, sie ist gewissermaßen
das Kristall, das über die Zeiten hinwegleuchtet.
Das tiefste seelische Erleben ist nicht nur Gut eines
auserwählten Volkes, es ist allen Völkern gemeinsam,
es ist die Quelle alles Schönen, es ist die Beligion.
Wie es aber in den einzelnen Schöpferpersönlich-
keiten der Völker zur Entfaltung kommt und in den
W'erken der Kunst sich verwirklicht, das ist von der
Eigenart der Völker und den Bedingungen abhängig,
unter denen sie leben. Im tiefsten Grunde der Völker
waltet geheimnisvoll eine Einheit, die sich aber
mannigfaltig entwirkt.

(Fortsetzung Seite 151)

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