kttclenäe
uncl snge-
vvenctel«
klunst
Schulrede: es sei der Fehler der
Deutschen, daß sie ihreu Bach zu
schwerfällig nähmen. Eine Gavotte
von Bach sei eben eine Gavotte,
und ein Gigue oder Bourse sei eben
ein Tanz. Viele Deutschen aber
glaubten, sie müßten solche Tänze
wie Trauermärsche spielen, weil sie —
von Bach sind. Das scheint ein
gutes Wort, wir geben's weiter.
(A Deutsche Kunstpflege
erweisen die Spielpläne des „Neuen
Königlichen Operntheaters" (Kroll)
in Berlin. Seine gastlichen Bretter
gehörten an den Abenden vom 2. bis
zum 26. Augnst den folgendcn Kompo-
nisten: Bizet, Verdi, Bizet, Puccini,
Bizet, Puccini, Bizet, Puccini, Berdi,
Bizet, Puccini, Bizet, Maillart, Bizet,
Verdi, Puccini, Bizet, Puccini,
I. Strauß, Verdi, Puccini, Rossini,
I. Strauß, Puccini, Cherubiui.
Neiu, allzugroß ist der Kunst-
Chauvinismus bci uns Deutschen in
Berlin doch wohl noch nicht.
(D Aeußerliches vom Har-
monium
Das Harmonium, das jetzt er-
freulicherwcise infolge der großcn
Vervollkommnung seines Baues wie
seiner Literatur imnier wcitere Ver-
breitung gewinnt, wird als Gcrüt
noch immer äußerlich zu etwas hcr-
ausstasfiert, was es gar nicht ist.
Vor allem durch die famoseu Har-
monium-Aufsätze, die ihm das Aus-
sehen einer Orgel verlciheu sollen.
Da erhebt sich über dem Harmonium
je nach der Preislage in mehr oder
weniger großer Pracht und Herr-
lichkeit ein Aufban, offenbar Orgel-
Pfeifen, ff. vernickelt, in ff. matt-
oder' hochpolicrter Umrahmung, bald
sind es 5, bald 7, 8, 9, ja auch,
wenn es hoch kommt, bis zu 25, in
den verschiedenartigsten Anordnungcn
untergebracht. Wie hübsch, wie poe-
tisch, man meint, man wäre in der
Kirche. Nur daß die Sache reiner
Humbug ist. Man kann den ganzen
Aufsatz abnehmcn, er steht in keiner
Verbiudung mit dem eigentlicheu Jn-
strumcnt. Die „Pfeifen" sind manch-
mal sogar nur massive polierse Holz-
stäbe, wohl gar goldbronzicrt, aber
auch wenu es wirkliche Metallröhrcn
sind, klingen tun sie auf keineu
Fall. Nur kosteu tuu sic etwas,
und uicht zu knapp; manchmäl kostet
der Aufsatz mehr als den viertcn
Teil des ganzen Jnstruments. Aber
nicht wahr: im Notfall lieber eiu
paar Register, als so ein zauber-
haftes Pruukstück fahren lassen?
Wird hier das Harmouium zum
Orgelpapagci eruiedrigt, so heißt es
ein audcrmal iu einem Harmonium-
Preisbuch: „Das Gehäuse ist von
einer wunderbaren Schönheit, eiuem
Piano völlig gleicheud und eincn
eigcnartigen, voruehmeu Geschmack
ofsenbarend. Ein wirklich hochelegan-
tes Saloninstrument." Als ob nicht
das iutime, bescheideue Harmonium
am besten wegkäme, wenn es sich
ohnc verlogenen Ausputz ruhig als
das gäbc, was es ist; bei ihm
handelt es sich nun einmal wedcr
um ein Pfeifen- noch um eiu Sai-
ten-, sondcrn um ein Zungeninstru-
ment.
Wir möchtcn bitten: wcr ein
Harmonium mit solchen Aufsätzcn
bei guteu Freuuden sieht, dcr tue
seiuen Mund auf uud sage klar,
was der andere (Musiklcute siud ja
oft so) vielleicht uoch gar nicht oder
uur vcrworreu fühlt. Jn schönster
Deutlichkcit freilich darf reden, wcr
etwa ein Harmouium kaufen ivill.
Unserc Fabrikauten uud Händler siud
ja bis auf die berühmtcn Ausuah-
men, so die Regel bcstätigcn, an-
gesichts cines vollcn Geldbeutels auch
ästhetisch uud moralisch nm ieichtestcn
zu gewinnen. bsermann Ricken
MZu Adolf Obcrläuders sech-
zigstem Gcburtstag genüge Gruß
uud Glückwuusch, habeu wir dvch erst
No
Uunstwart XIX, 2
uncl snge-
vvenctel«
klunst
Schulrede: es sei der Fehler der
Deutschen, daß sie ihreu Bach zu
schwerfällig nähmen. Eine Gavotte
von Bach sei eben eine Gavotte,
und ein Gigue oder Bourse sei eben
ein Tanz. Viele Deutschen aber
glaubten, sie müßten solche Tänze
wie Trauermärsche spielen, weil sie —
von Bach sind. Das scheint ein
gutes Wort, wir geben's weiter.
(A Deutsche Kunstpflege
erweisen die Spielpläne des „Neuen
Königlichen Operntheaters" (Kroll)
in Berlin. Seine gastlichen Bretter
gehörten an den Abenden vom 2. bis
zum 26. Augnst den folgendcn Kompo-
nisten: Bizet, Verdi, Bizet, Puccini,
Bizet, Puccini, Bizet, Puccini, Berdi,
Bizet, Puccini, Bizet, Maillart, Bizet,
Verdi, Puccini, Bizet, Puccini,
I. Strauß, Verdi, Puccini, Rossini,
I. Strauß, Puccini, Cherubiui.
Neiu, allzugroß ist der Kunst-
Chauvinismus bci uns Deutschen in
Berlin doch wohl noch nicht.
(D Aeußerliches vom Har-
monium
Das Harmonium, das jetzt er-
freulicherwcise infolge der großcn
Vervollkommnung seines Baues wie
seiner Literatur imnier wcitere Ver-
breitung gewinnt, wird als Gcrüt
noch immer äußerlich zu etwas hcr-
ausstasfiert, was es gar nicht ist.
Vor allem durch die famoseu Har-
monium-Aufsätze, die ihm das Aus-
sehen einer Orgel verlciheu sollen.
Da erhebt sich über dem Harmonium
je nach der Preislage in mehr oder
weniger großer Pracht und Herr-
lichkeit ein Aufban, offenbar Orgel-
Pfeifen, ff. vernickelt, in ff. matt-
oder' hochpolicrter Umrahmung, bald
sind es 5, bald 7, 8, 9, ja auch,
wenn es hoch kommt, bis zu 25, in
den verschiedenartigsten Anordnungcn
untergebracht. Wie hübsch, wie poe-
tisch, man meint, man wäre in der
Kirche. Nur daß die Sache reiner
Humbug ist. Man kann den ganzen
Aufsatz abnehmcn, er steht in keiner
Verbiudung mit dem eigentlicheu Jn-
strumcnt. Die „Pfeifen" sind manch-
mal sogar nur massive polierse Holz-
stäbe, wohl gar goldbronzicrt, aber
auch wenu es wirkliche Metallröhrcn
sind, klingen tun sie auf keineu
Fall. Nur kosteu tuu sic etwas,
und uicht zu knapp; manchmäl kostet
der Aufsatz mehr als den viertcn
Teil des ganzen Jnstruments. Aber
nicht wahr: im Notfall lieber eiu
paar Register, als so ein zauber-
haftes Pruukstück fahren lassen?
Wird hier das Harmouium zum
Orgelpapagci eruiedrigt, so heißt es
ein audcrmal iu einem Harmonium-
Preisbuch: „Das Gehäuse ist von
einer wunderbaren Schönheit, eiuem
Piano völlig gleicheud und eincn
eigcnartigen, voruehmeu Geschmack
ofsenbarend. Ein wirklich hochelegan-
tes Saloninstrument." Als ob nicht
das iutime, bescheideue Harmonium
am besten wegkäme, wenn es sich
ohnc verlogenen Ausputz ruhig als
das gäbc, was es ist; bei ihm
handelt es sich nun einmal wedcr
um ein Pfeifen- noch um eiu Sai-
ten-, sondcrn um ein Zungeninstru-
ment.
Wir möchtcn bitten: wcr ein
Harmonium mit solchen Aufsätzcn
bei guteu Freuuden sieht, dcr tue
seiuen Mund auf uud sage klar,
was der andere (Musiklcute siud ja
oft so) vielleicht uoch gar nicht oder
uur vcrworreu fühlt. Jn schönster
Deutlichkcit freilich darf reden, wcr
etwa ein Harmouium kaufen ivill.
Unserc Fabrikauten uud Händler siud
ja bis auf die berühmtcn Ausuah-
men, so die Regel bcstätigcn, an-
gesichts cines vollcn Geldbeutels auch
ästhetisch uud moralisch nm ieichtestcn
zu gewinnen. bsermann Ricken
MZu Adolf Obcrläuders sech-
zigstem Gcburtstag genüge Gruß
uud Glückwuusch, habeu wir dvch erst
No
Uunstwart XIX, 2