tiefer hineinzugreifen. „Jst dat nu Joses?" sagte er bedenklich, „oder uns'
Herr Gott sülm?"
Der Bischof ärgerte sich noch mehr. „Uns' Lord Gott wär et!" sagte
er . . . „Unn wat is see tiet ehr Lewens blewen?"
„Siene Fru," sagte er.
„Dumm Snack!" sagte der Bischof in hellem Aerger. „Een Jnngfer
ist see blewen."
Da schlug der andre mit der Faust in ehrlicher Verwunderung auf
seinen Schenkel: „Jst nie möglich!" sagte er.
Da wurde der Bischof wild, hob seine schwere Hand in heißem Zorn
und gab ihm eine harte Ohrfeige.
Der Geschlagene richtete sich auf nnd wurde totenbleich nnd sah ge-
radeaus. Dann griff er, immer so geradeaussehend, mit der rechten Hand
an den Pfeiler und zerbröckelte einen Eckstein — es ist noch zu sehn —
und ließ die Bröckel in den Sand fallen und ließ seine Hand wieder sinken,
drehte sich um und ging aus der Kirche.
Er ging drei Stunden nach Westen zu, bis zu seiner Schilfhütte, die
da auf einer geringen, grünen Anhöhe am ewig brausenden Meer stand,
und sagte kein Wort zn seinem Weib und spielte auch nicht mit seinem
kleinen Knaben. Gegen Abend, als die Dämmernng kam, nahm er seine
Axt vom Herd und machte sich auf und lief im Trab den Wcg von heute
morgen, über weite weiße Sande und über weites grünes Feld nnd durch
tiefe Wasserlänfe und erreichte so gegen Mitternacht die Düne von Hilligenlei
und das Priesterhaus . . . und beharrte bei seinem Entschluß, den Heiligen
totzuschlagen.
Er fand die Hintertür des Hauses nnverriegelt und schlich den Gang
entlang zu einer andern Tür und hörte dahinter die Stimme des Heiligen,
der in der Kammer mit sich selbst zu sprechen schien. Da machte er eincn
langen Hals und sah durch die Türspalte in die Kammer.
Da lag der Heilige im Schein dcs Mondes auf den Knien vorm Tisch
und betete in fremder Sprache. Hinter jedem Satz machte er eine Pause
und dachte nach. Als er aber den fünften Satz gesagt hatte, wurde sein
Denken plötzlich hörbar. Er schlug auf den Tisch und sagte laut und erzürnt:
„Datt ick so dull war nnd em an dee groten Ohren slagete! . . . Dat kam
von dee growe Mehlklump nnd dee mächtige Swienskoppe von jester dag,
und von dee verdammte Spitznäse, de achter mi stunde . . . Lewer Lord . . .
nnd goode Heliand, samt Moder Marie . . . vergewe mi miene Verschul--
dinge nnd make week sien trotzig Harte."
Der Mann mit der Axt drehte sich um, hob sich höher auf den Zehen
und schlich aus dem Hause, und lief in einem Trab über Sand und Gras
und Wasser nach Haus, mit zusammengebissenen Lippen und wildsprühenden
Augen. Sie wartete auf ihn vor der Tür, griff gleich nach der Axt und
sühlte mit den Fingern nach der Schneide nnd sah ihn unruhig an. Da
breitete er beide Arme aus und rief unter lantem Luftholen und schrie
mit großem Lachen: „Hee is gar keen Hilliger . . . he hett Lievweh hatt."
Obgleich die Leute in der Landschaft sich damals fast alle Chriften
nannten, wunderten und ärgerten sie sich doch gewaltig, daß er den Bischof
nicht totschlug; ja selbst der eine Priester, dcr ein Landeskind war, grämte
sich, obglcich ihm die Haare zu Berge stiegen, wenn er daran dachte, daß
der Heilige also hier im Lande die Märtyrerkrone erlangt hätte. Sie ver-
218 Uunstwart XIX, 6
Herr Gott sülm?"
Der Bischof ärgerte sich noch mehr. „Uns' Lord Gott wär et!" sagte
er . . . „Unn wat is see tiet ehr Lewens blewen?"
„Siene Fru," sagte er.
„Dumm Snack!" sagte der Bischof in hellem Aerger. „Een Jnngfer
ist see blewen."
Da schlug der andre mit der Faust in ehrlicher Verwunderung auf
seinen Schenkel: „Jst nie möglich!" sagte er.
Da wurde der Bischof wild, hob seine schwere Hand in heißem Zorn
und gab ihm eine harte Ohrfeige.
Der Geschlagene richtete sich auf nnd wurde totenbleich nnd sah ge-
radeaus. Dann griff er, immer so geradeaussehend, mit der rechten Hand
an den Pfeiler und zerbröckelte einen Eckstein — es ist noch zu sehn —
und ließ die Bröckel in den Sand fallen und ließ seine Hand wieder sinken,
drehte sich um und ging aus der Kirche.
Er ging drei Stunden nach Westen zu, bis zu seiner Schilfhütte, die
da auf einer geringen, grünen Anhöhe am ewig brausenden Meer stand,
und sagte kein Wort zn seinem Weib und spielte auch nicht mit seinem
kleinen Knaben. Gegen Abend, als die Dämmernng kam, nahm er seine
Axt vom Herd und machte sich auf und lief im Trab den Wcg von heute
morgen, über weite weiße Sande und über weites grünes Feld nnd durch
tiefe Wasserlänfe und erreichte so gegen Mitternacht die Düne von Hilligenlei
und das Priesterhaus . . . und beharrte bei seinem Entschluß, den Heiligen
totzuschlagen.
Er fand die Hintertür des Hauses nnverriegelt und schlich den Gang
entlang zu einer andern Tür und hörte dahinter die Stimme des Heiligen,
der in der Kammer mit sich selbst zu sprechen schien. Da machte er eincn
langen Hals und sah durch die Türspalte in die Kammer.
Da lag der Heilige im Schein dcs Mondes auf den Knien vorm Tisch
und betete in fremder Sprache. Hinter jedem Satz machte er eine Pause
und dachte nach. Als er aber den fünften Satz gesagt hatte, wurde sein
Denken plötzlich hörbar. Er schlug auf den Tisch und sagte laut und erzürnt:
„Datt ick so dull war nnd em an dee groten Ohren slagete! . . . Dat kam
von dee growe Mehlklump nnd dee mächtige Swienskoppe von jester dag,
und von dee verdammte Spitznäse, de achter mi stunde . . . Lewer Lord . . .
nnd goode Heliand, samt Moder Marie . . . vergewe mi miene Verschul--
dinge nnd make week sien trotzig Harte."
Der Mann mit der Axt drehte sich um, hob sich höher auf den Zehen
und schlich aus dem Hause, und lief in einem Trab über Sand und Gras
und Wasser nach Haus, mit zusammengebissenen Lippen und wildsprühenden
Augen. Sie wartete auf ihn vor der Tür, griff gleich nach der Axt und
sühlte mit den Fingern nach der Schneide nnd sah ihn unruhig an. Da
breitete er beide Arme aus und rief unter lantem Luftholen und schrie
mit großem Lachen: „Hee is gar keen Hilliger . . . he hett Lievweh hatt."
Obgleich die Leute in der Landschaft sich damals fast alle Chriften
nannten, wunderten und ärgerten sie sich doch gewaltig, daß er den Bischof
nicht totschlug; ja selbst der eine Priester, dcr ein Landeskind war, grämte
sich, obglcich ihm die Haare zu Berge stiegen, wenn er daran dachte, daß
der Heilige also hier im Lande die Märtyrerkrone erlangt hätte. Sie ver-
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