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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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Woltmann, Alfred: Die Herstellung des Vierungsthurmes am Straßburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0240

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Die Herstellmig des Vierungsthurmes am Straßburger Münster.

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ist nicht schlrcht, obschon hundert anbore Titel für
^^s^ Darstellung vielleicht noch bcsser wären. Pere-
3Unus Proteus war in Wirklichkeit ein interessanter
^nsch, anch in Wieland's Roman ist er noch hinzu-
^hnicn. Schade, daß Wirklichkcit und Roman so viel
der Malerei voraushaben.

Die Schule von Athen, der Hvmicycle, das Zeit-
^ter der Rcformation und anderc ähnliche Kompo-
^wnen haben es Anvreas Müller angethan, der
in kleinen Rahmen vier „Zeitalter" darstellte, und
^ar das „goldene", das „hellenische", das „mittel-
^terliche" und das „medicäische". Wem die Eintheilung
tucht konvenirt, der rechte mit dem Künstler, der in
^nilich langen Beschreibungen im Kataloge eingehende
^ririinentare zu seinen Bildern geliefert hat. Der Text
^ dem ersten Bilbe besagt u. A. „die Menschen altertcn
"icht", und gleichsam zum Beweise dafür prangt beinahe
'"i Centrum der Kopf eines Greises mit schneeweißem,
^allendem Bart. Man kann also sehr große Gedanken
rntwickeln wollen, und dabei doch im Einzelnen selbst
t'rcht gedankenlos sein. Die Bilder sind von sehr ge-
^issenhafter Zeichnung, aber überaus zahmer Färbung.
^hr schlimmster Fehler ist, daß sie neben den Kommen-
^reri eigentlich ganz überflüssig werden; sie sagen weder
^ttvas Neues, noch das Alte in anziehender Darstellung.
^er Erfolg, den sie haben, ist ein suoosts ä'ostirao.
^ian gcht an ihneu vorüber nnd verläßt sich darauf,
^ß Alles wohl so seine Richtigkeit haben werdc, wie
^ ini Kataloge steht, die Vergleichung überläßt Jeder
^eni Nachfolgenden.

Die Porträts nehmen auf der Ausstellung eine
Ieradezu dominircnde Stcllung ein. Von diesen das
^eichste Mal. Balduin Groller.

T>ie Herliellung des Vierungsthnrmes am
Straßtmrger Münfler.

Das Frauenwcrkstift in Straßburg gcht mit dcm
Planc nm, die Vierungskuppel über dcm Straßburger
Piünster herzustellen. DieVerwaltung hat nun, um vorder
^usführung dem Publikum ein Urtheil möglich zu machen,
Zunächst am Gebäude selbst ein großes Holzmodell ihres
Projektes anfertigen lassen und gleichzeitig eine Schrift
deröffentlicht, welche, mit sechs Photographien ausgestattct,
che ganze Frage eingehend erörtcrt, indem sie zugleich
^usdrücklich den Wunsch an die Kunstverständigen richtet,
^ß sie ihr Urthcil über die Vorlage der Oeffentlichkeit
^lcht vorenthalten mögen.

Das hiermit eingeschlagene Verfahren ist ein höchst
Evrrektes und dankenswerthes. Die Herstellung eines
Theiles vom Straßburger Münster ist jedenfalls eine
Trage, die weithin in Deutschland das größte Jnteresse

weckt, und bei der also diese Rücksicht auf die öffentliche
Stimme und dieses besonnenc Borgehcn am Platze sind.

Der Brand, wclcher im Jahre 1870 das Dach des
Straßburger Münsters in seiner ganzen Ausdchnung
zerstörte, hat damit auch cine Erneuerung dcr Kuppel-
bedachung über der Bicrung nöthig gemacht. Diese
kann aber keine Wiederaufrichtung des bis 1870 Vor-
handencn sein, weil dies ein bloßer Nothbehelf war.
Das gesammte Querhaus des Münsters ist, abgcsehen
von Resten älteren Mauerwerks, ein Bau im roma-
nischen Uebergangsstil, der 1179 in Angriff genommen
und dann, nach manchen Schwanküngen und Aenderungen,
im zweiten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts in
eincm Stil, der sich bercits der frühcn Gothik nähert,
vollcndet wurde.*) Offenbar noch währcnd der ersten
Hälfte dieser langen Bauzeit erhielt die Viernngskuppel
ihre äußcre Gestalt: ein Achteck mit einer umlaufenden
romanischen Arkadengalerie, welcher dann das Dach
folgte. Eine dcrartige feierlichc Auszeichnung der Vierung
ist der romanischen Baukunst eigen, und gerade im Elsaß
ist der Thurmban an dicser Stellc stets charaktervoll
ausgebildet.

Aber der Straßburger Vierungsthurm, wie wir
ihn eben geschildert, paßte nur zu der Anlage, wie sie
damals projektirt war. Zunächst erhielten beide Quer-
hausarme ein höher anstcigendes Dach, als Anfangs beab-
sichtigt war. Dann wurde vollends im dritten Viertcl
des dreizehnten Jahrhunderts der gothische Langhausbau
angefügt, und dieser erhielt entweder schon damals oder
jedenfalls bei sciner Rcstauration durch Meister Erwin
von Steinbach nach dem verheerenden Brande von 1298
eine so bedeutende Höhenentwickelung, daß der damalige
Vierungsthurm ganz nm seine donünirenve Wirkung
kam und die offene Arkadcngalerie zum Theil vcrbaut
wurde.

Ein späterer gothischer Baumeister — etwa im
14. Jahrhundert, Genaucres läßt sich aus dem vor-
handencn Material nicht folgern — hat dadnrch Ab-
hülfe zn schaffen gesucht, daß er eine Erhöhung des
Vierungsthurmes in den Formen des ncuen Stiles ein-
trcten ließ. Ueber der Arkadengalerie sticgen acht steile
gothische Giebel, reich mit Blenden und Maßwerk ge-
ziert, empor. Offcnbar sollte nun inncrhalb dieser
Giebel cin von ihnen umschlosscner achtscitiger, steiler
Helm in die Höhe wachsen. Wir wissen nicht, ob er
in alter Zeit zu Stande gekommen war; die Abbil-
dungen, welche uns von dem gothischen Vierungsthurm,
der 1759 bei einem Brande zu Grunde ging, übrig
geblieben, nämlich die Kupferstiche von Danicl Speckle,
von Jsaak Brunn, für Schad's Münsterbüchlein, und
von Wenzel Hollar, sowie namentlich eine 1671 entstan-

*) Vergl. den Aufsatz des Verfassers in dieser Zeitschrift,
Bd. IX, S. 325 fj.
 
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