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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0090

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schreitet, aber jede Ueberstürzung vermeidet und
den geschichtlichen Thatsachen die gebührende
Rechnung trägt. Dessen ungeachtet liegt ein
vaterländisches Blatt vor uns, welches, uuzu-
srieden damit, an deu beiorgten Nuf der preu--
ßischen Miuisteriellen von 1859/60: „Nur
nichl orängeln" eriunern zu müsscn glaubt.
ES sei — sagl dieses Blalt — damals vor
einer liberalen Agitalion, welche weiter gehe,
als daS Ministerium wünsche, so lange gcwarnl
worden, „biS Ministcrium und liberale Agita-
tion zujammen von der geschonlen Reaction
über den Hausen gcworfen wurden." Die
Thatsache ist richtig; aber was war venn Schuld
an dem Siege der Reaction: dic Warnung
oder die Agilation? Wir sind der Meinung,
wenn an einer libernlen Regierung von zwei
Seitcn gernttelt wird, so muß sie zulctzt, wie
ein Pfahl oder Baum, an welchem dieö ge-
schiehl, wankend werden und sallen. Gerade
die liberale Agitation gegen das damalige preu-
ßische Ministerium, nicht die Warnung vor
dieser Agitation, hat der Reaclion zum Siege
verholfen. Ein Ministerium, mit dem man in
der Hauptsache einverstandcn ist, muß man
unterstützen, und nicht bckämpfen, sonst kchren
sich die Waffcn gegen die Agitatoren selber und
gegen die pon ihnen verfochtene Sache um.
Eine Partei darf der Negierung nicht zumuthcn,
unbedingt zu ihr überzutreten; denn die Re-
gierung hat ihren Slandpunkt mitten unter
oder vielmehr übcr dcn Parteien und muß von
diesem höheren Standpunkte auS ihr Terrain
überschauen, um zu erkcnncn, was dem Ganzen
frommt. Der Hinblick auf die üblen Folgen
der damaligen liberalen Agitativn in Preußen
sollte daher unsern badischen Agitaloren zur
Warnung dienen. Seid Jhr übcrzcugt, daß
die Regierung eine gute Sache vertritl, so
schließt Euch an sie an, und in Verbindung
mit ihr wervet Jhr die Reaction überwinden!

<5 Heidelberg» 22. Jan. Der glänzende
Empfang, welchen Prinz Friedrich Karl in Wien
gesnnden hat, bildet einen grellen Contrast zu
dem Zwiespalt, in welchem sich Hr. v. BiSmarck
mit dcm Grafen v. Mensdorff zu befinden
scheint; es wurde aber dadurch nur bestätigt,
waö man schon früher hörte, daß die geheime
Politik, welche von den Regenten der beiden
deutschen Großmächte selbst betrieben wird, über
dem Streite der Minister steht, und durch diesen
auch nicht erschüttert werden wird. Es ist be-
kannt geworden, daß in jüngster Zeit ein eis-
riger Briefwechsel zwischen dem Kaiser Franz
Joseph und König Wilhelm entstanden ist. Die
Reise des Prinzen Friedrich Karl nach Wien
gehört auch nur dieser gcheimen Sphäre an,
und es gelangt daher über ihr eigentliches Ziel
und ihren wahren Zwcck nichts Sichcres i'n die
Ocffentlichkeit. So viel ist gewiß, daß sich der
Prinz in Wien lcbhaft jeinen militärischen
Jnteressen hingegeben hat, und daß er eine
Conferenz mit dem Kaiser hatte, zu wclcher
verschiedene militärische Notabilitäten, darunter
Feldmarschall Heß, beigezogen wurden. Freilich
licgt nun die Vermuthung nahe, daß hier mili-
tärische Jnteressen zu politischen Zwecken nutz-
bar gemacht werden sollen, daß man z. B. von

ven waren.

Da auf diese Wetse Benazet nickt in den Wieder-
befitz seineS GeldeS gelangte, erhob er vor dem
Pariser Civiltrtbunal Klage auf Rückzahlung der
2000 Franken, wogegen die Pleffy widerklagend
den besckeidenen Brtrag von 10,000 Franken als
Sckadenersatz für die durck Secretär Weih ihr ver-
ursachten Unannehmlichkeiten und die verzögerte
Abreise gegen Benazet geltend machte. Die Plai-
doyerS der beiderfeitigen Anwälte enthalten wenig
SchmetchelhafteS für die Uneigennützigkeit der fran-
zöfiscken Künstlerin und für die GeschästSsphLre des
ständig in Baden wirkenden franzöfischen KünstlerS;
namentlick ist in letzterer Ricktung schonungSloS der
NimbuS weggefegt, den für so viele Augen das
Dadrner Unwesrn noch besitzt. Wir führen in dieser
Beztehung wörtlich an: „DaS Iahr war allem An-
schein nach ntckt gut für die Bank in Baden ge-
wesen; ohne Zweifel hatten fick nur wenig Fami-
ltensöhne im Spiele ruinirt; daS grüne Tuch war
vernackläsfigt; dte Krücke des TroupierS hatte ihren i
grwöhnlicken Raubzug nock nickt vollbrackt; die
Krnte war nicht ergiebig gewesen; mit einem Worte

Seite Preußens eine Verftändiguug mit Oester-
reich über den künftigen Oberbefehl und die
Umgestaltung des deutschen BundeSheers her-
beizuführen sucht, und nach Erreichung dieser
auch zu einer neuen politischen Organisation
fchreilen wird. Auf dieses Ziel soll — wie
man in Wicn wissen will — die geheime Po-
litik Preußens und Oesterreichs gerichtet sein;
die Allianz beider soll unter allen Umständen
erhalten werden, weil der Krieg in SchleSwig-
Holstein bewiesen hat, wie stark sie sind, wenn
sie vereint handeln. Hicrauf soll — wie man
weiter sagt — nach Hru. v. Bismarcks Plan
eine neue Politik gegründet werden: Sie sollen
in ihrer Vereinigung die Centralmacht Europa's
repräjenlircn, wclche den wahren (?) Conser-
vatismus vertritt. Eine solche Theorie gefällt
natürlich zur Zeit iu Wien wie in Berliu, und
Hr. v. Bismarck baut darauf seine weiteren
Plänc zur Beherrschung Deutjchlands. ist aber

— wie gesagt — mit dem Grasen Ntensdorff
bis jetzt nicht einig.

6 Heideiberg, 20. Januar. Die etwas
unklaren, halbamtllchen Demeutis, dic dem (in
der Wiener „Presse" zuerst veröffentlichten)
österrcichisch-preußischen Depeschen-
wechsel gegeben wurden, haben jene eigcu-
thümlichen Enthüllungen nur noch interessanter
gemacht. Trotz der Behauptung, jene „nur
theilweise genauen" Mittheilungen seicn nur
auf widerrechtlichem Wege veröfsentlichl worden,
neigt man sich doch dcr Ansicht zu, daß dabei
eine officiöse Hand und eine beslimmte Absichl
im Spiele war. Es handelt sich bekanntlich
um 2 preußische und 2 österreichische Depe jchen.
Jn der letzten Depesche (worin erklärt wird,
Oesterreich könne in eine Einverleibung der
Herzogthümer von Seiten Preußens nur gegen
eine ihm selbst zu gewährende Gebietsvergröße-
rung stimmen) schließt der Minister v. Mens-
dorff mil einer sast seierlichen Ansprache an
Preußen, es möge einer möglichst schlcunigen
Üösung dieser so beoeutsamcn, wie driugenden
(Herzogthümer-) Frage keine Schwierigkeiten
in den Weg legen. Dieser Schluß nno oie
ganze Hallung der österreichischcn Dcpeschen
scheinen oie Annahme zu bestätigcn, daß Graf
Mensdorsf durch die Zdee einer Abtretnng preu-
ßischen Gebietcs an Oesterreich eine Wenoung
in dem Gange der vertraulichen Verhanolungcn
zwischen Wien und Berlin hcrbeiführen, uud
den Vergrößerungögelüsten Preußens unter dem
Gcwande eines absolut unmöglichen Preises
für die österreichische Zustimmung ein- für
allemal begegnen wolltc. Dies würde auch
eine absichtliche Veröffentlichung jener Depeschen
erklären.

Neustadt a. d. H., 21. Januar. Die
Generalversammlung des protestantischen Ver-
eius der Pfalz saßte bekanntlich unterm 3.
Dez. v. I. eiue Resolution bczüglich der Eut-
scheidung des badischen Oberkirchcnrathes in der
Sache des Dr. Schenkel. Der Vorstand jeues
Vereins hat darauf in einer Zuschrift der
obersten Kirchenbehörde Badens jene Resolution
mitgetheilt. Dieselbe hat hierauf unterm 16.
Dez. v. I. dem Vorstande dcs protestantischen
Vereins eine Antwort zugehen lassen, in welcher

— es war rin scklechtes Iahr; man mußte Erspar-
nisse macken — auf Kosten der Frau Plessy."

Das Civiltribunal wies die Klagc Bcnazet's ab,
weil die Pleffy, zumal die Anweisung für 2000
Franken nach ber Zahlung von 1862 unbeanstandet
in ihrem Besitze geblieben war, fich zum Bezug der
2000 Franken für berechtigt erackten konnte; die
Widerklage der Plcffy wurdc abgewiesen, weil die

Weih geltenb gemacht werden könne; zu Tragung
der Kosten wurde Benazet verurtheilt. Ob Frau
Arnould-Pleffy die nächste Saison tn Baden-Baden
durch ihre Kunst verherrlichen wird, ist zur Stunde
mehr alS zweifelhaft.

Ueber einen an dem Rittergutsbefitzer v. Thü-
men -Blankensee auf Schönblick verübten Mord
brrichten preußische Blätter aus Luckenwalde: Der
RittergutSbefitzer v. Thümen-Blankensee auf Sckön-
bltck bei Stangenhagen wurde am 11. d. M., Rach-
! mtitags 5 Uhr, in bem Augenblick, alS er auf ein
thm von seinem Secretär zur Untersckrift vorge-
legteS Schriftstück Sand streuen wollte, mittelst

in warmen kernigen Worten die Freude darüber
ausgeorückl wird, daß der prolestantische Verein
in dem, was der Oberkirchenralh ans Veran-
lassung des ProtesteS badischer Geistlichen gegen
das „Charakterbild Jesu" von Dr. Schenkel
glaudte öffentlich sagcu zu solleu, dic allein
richtigcn unb durchführbaren Grundsätze eines
protestantischen Kirchenregiments uuo die ein-
zige Grundlagc für die Herstellung und Unter-
haltung oes FriedenS in der protestantischen
Kirche wiedererkennt.

Dffenbach, 20. Jan. Jn dem Befinden
von Karl Gutzkow ift leider noch nichl die ge-
wünschle Besserung eingetrelen. Heute wurde
er von Friedberg mittelst eines besonderen Wa-
gens nach Offenbach gebracht iu das Haus
seines Schwagers, eines bewährlen Arztes.
Wenn auch in Friedberg Gutzkow's Wunden
sich zu schließen begannen, so erforderl sein
geistiger Zustand doch die beständige Beobach-
tung und liebende Sorgfalt ihm näher stehen-
der Personen. Sein Muth und seine Lebens-
hoffnung sind so deprimirt, daß seine nächsten
Freunde, die von allen Seiten herbeigeeilt kamen,
ihn kaum wiederzuerkennen vermochteu. Sein
angeborenes Mißtrauen steigerte sich in den
letzten Monaten auf eine sehr traurige Weise,
so daß er während seiner letzten ziellosen Reise
in den Getränken und Speisen der Gastwirthe
Gift vermuthete. Hoffen wir, daß nach der
letzten schrecklichen Catastrophe ein etwas mil-
derer und sriedlicherer Geist für die Dauer
seines weiterert Lebens in ihm einziehen möge!
Hoffen wir, daß er endlich neben seinen Fein-
den auch seiner Freunde mehr als bisher ge-
denken möge! (F. I.)

Derlin, 19. Jan. Die Köln. Z. schreibt
Folgendeö: „Es gibt'bekanntlich iu Preußen
eine Partei, welche die Städte mit Ausnahme
der kleinen, ganz vom umwohnenden Adel ab-
hängigen Nester als ein Uebel ansieht. Heute
benutzt die Kreuzzeitung den harmloseu Spek-
takcl der NcujahrSnacht in Berlin, um über die
Zügellosigkeit dcr Volksmasse zu klagen. Sie
schließt mit folgenden Worten: „„Und wohlge-
merkt! Die richtigen Jungens siuo nicht allein
in Berlin, jondern mehr ooer weniger in allen
Städten, und besonders in den Landcskloaken,
den Großstädten, wo sie auch durch Polizei und
Soldatenschaft bcständig cvntrolirt und, so zu
sagen, in BelagerungSzustand versetzt werden
müssen."" Landeskloaken! Der Ausdruck ver-
dient, konservirt zu werden."

Berlin, 20. Jan. Einer Corresponoenz
der C. Oest. Ztg. von hier zufolgc wären die
Kronsyndici in ihrer Arbeit übcr die Schles-
wig-holsteinische Erbsolge zn der Ansicht gelaugt,
daß sich die Hohenzollern'scheu Erbansprüche gar
nicht begründen lassen. Sie untersuchen jetzt,
heißt es, die Ansprüche des Königs Christian IX.
Man bezeichnet es als sehr wahrscheinlich, daß
sie sich für dieselben aussprechen werden, d. h.
daß König Christian nicht blos als König von
Dänemark und anf Grundlage des Londoner
Protokolls, sondern als Prinz aus dem Hause
Glücksburg legitimer Hcrzog von Schleswig-
Holstein gewesen sei. Daraus will man fol-
gern, daß die beiden Großmächte nicht blos

eines durch das Fenster abgefeuerten Gewehrs ge-
troffen. Beide Kinnbacken und die Zunge find
total zerschoffen und in bie Brust mehrere Reh-

andern Morgen an Lungenblutung gestorben. Hr.
v. Thümen hatte nock nickt das dreißigste LrbenS-
jahr überschritten. Die Untersuchung an Ort und
Stelle wurde burck den Kreisrlchter Loyke geführt.
Sie ergab, daß der Mörder der GutSinspector deS
v. Thümen, Namens Hoffmann, gewesen ist. AlS

Dienerschaft tn das Zimmer stürzte und der Ver-
wundete, sckon fast bewußtloS, auf das Fenster
deutete, da fiel draußen ein zweiter Schuß. Man
eilte hinaus in den Hyf und hier fand man unter
drn Fenstern des Zimmers in seinem Blute liegend
den Inspector, neben ihm ein Gewrhr. Derselbe,
tödtlich getroffen, hatte eben noch so viel Krast,
daS Geständniß abzulegen, daß er ber Mörder deS
GutShrrrn, und Rache „wegen ihm widerfahrener
Kränkungen" daS Mottv zur That sei.
 
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