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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0259

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Utidelbkrgrr Zcilung.

KreisverMdigungöblatt für den KreiS Hcidelberg und amtliches Lerkündigungsblatt sür die Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelberg nnd WieSloch und den Amtögerichtsbezirk Neckargemünd.

N GL.



Loiiiitag, >2 März


Die verfassungSfeindliche
Bewegnng

zeichnet fich vor Allem durch ihre großc Unsitt-
lichkeit au«, und du solche von katholischen —
allerdingS nur dem FanatiSmuS ergebenen —
Geistlichen in Scene gesetzt wurde, so wirst
dieS ein grelleS Schlaglicht auf dic Gesin-
ungen drrselben. Gcrade auS dem Stand, der
vorzugsweisc berufen für Necht und Gesittung
zu streiten, predigt ein Theil dem bethörten
Voike daS Faustrecht und siellt sich sogar an
die Spitzc der vatcrlandsverräthcrischcn Agi-
tation. — DaS Gcsetz über dic Schulaufsicht
ist in gejetzmäßiger Weise zu Stande gekommen,
daS badischc Volk hat eS in seiner großen
Mehrheit sanctionirt durch seine Bertretcr. Nun
erhebt sich aber eine herrschsüchtige Partci, pre-
digt von der Kanzel herab: „Die Religion ist
in Gefahr", hetzt dadurch das unkundige Volk
gegen die StaatSordnung aus, während sich der
Dümmste darüber jetzt klar sein sollte, daß
der von den klerikalen Wühlern heraufbe-
schworene Sturm nicht« andcrem gilt, als der
durch daS Gesetz auSgcsyrochcnen geistlichen
Machtbeschränkung. Der Geistliche soll nämlich
künftig »icht mehr als Vorsitzendcr auf die
Wclt kommen, sondern dic Regierung hat sich
— mit allem Rechte — die Ernennung vorbe-
halten. — Wir habcn obcn gesagt, daß die Agi-
tation vorzugswcise eine unsittlichc sci; sic ist
eS nämlich, weil daS Volk gegen die bestehcnde
Staatsordnung aufgestachelt wird, sie ist »m se
vcrächtlicher, als gerade von der Gcistlichkeit der
Sinn fkr Gesetz und Recht bei den StaatSange-
hörigen möglichst belebt werden sollte, während
von ihr alle, sclbst die unwürdigsten Mittcl ge-
predigt wcrden, um die Masse in aufrührerische
Bewegung gegen die StaatSgesetze zu bringen.
Eine Anzahl fanatischer Geistlicheu zieht an
der Spitze ihrer verblendeten Schaaren ein in
«ine Stadt, dic sich TagS znvor den Bcsuch
dieser aufgehetzten Notten zur Abhaltnng eineS
wandernden Casino'S cntschicden vcrbetcn hatte.
Die verwerflichste Unsittlichkeit liegt in cinem
solchen Gebahren, nachdcm die gesctzmäßige
Obrigkeit die Abhaltung cincr Versanimlnng
untersagt hatte. Aber gcrade daS wünschte
man; die Massen warcn fanatisirt, niit ihncn
wollte man Gewalt der Gewalt entgegensetzen.
Man wollte, und hierin liegt dic größte ülnsitt-
lichkcit, mit den aufgewicgelten Massen eincn
Conflict, -inen Putsch heraufbeschwören, man
konnte eS über sein römisch-katholisches Gewis-
scn bringen, durch dicse Auflehnung gegcn die
össentliche Gewalt daS Glück, die Nuhe, den
Frieden vieler Tausende auf das Spiel zü
setzen, um viclleicht durch fremde Zntcrvention
die hierarchischen Zicle dennoch zu erreichen,
sci eS auch, nachdem das Wohl vieler Familien
diesen vaterlandsverrätherischen Bestrebungen
jum Opser gebracht worben. DaS sind die
Grundsätze ciner Partei, welche untcr dem
Dcckmantcl „die Rcligion ist in Gesahr", sich
die unsittlichsten Handlungen erlaubt, und deren
geistliche Führer sich d-nnoch „Priester deS
Wortcs GotteS" zu nennen die Stirne haben.

* Politische ltmschaii.

Außer dem Gutachtcn dcS Profcssor Maschka
in Prag über die Glogaucr Affaire behauptet
auch die „Bresl. Ztg ", daß cine sehr bedcu-
tende wissenschaftliche Capacität der Universität
Göttingen sich gleichsalls gntachtlich dahin ge-
außert hat,.daß jencs Mädchen nicht am Kohlen-
dampf erstickt ist und da« ObductionSprotokoll I

nichts enthalte, was die Annahmc einer anderen
TodcSart auSschlössc

Zn dem Konflstorium, daS Ende dieseS Mo-
nat« zu Rom abgehalten wird, werdcn vier
französische Bischöfe öffentlich belobt werden.
Der Papst dcnkt nicht daran, flch auf dem
Boden deS französijch-italicnisch-n VertrageS
abzufinden. Ein offiziöseS Blatt droht dcm
Kaiser Napoleon, wcn» er Rom verlasse, so
werde ihn auch der Schutz GotteS verlassen,
den er flch cinzig durch den Schutz verdient
habc, den dic französische Armce der Kirche
gewährt. Vom Papst sagt man, er sci fcst ent-
schloffen, sich schlimmsten Fallcs nach einem
katholischen Kanton der Schweiz zurückzuziehen
und dort dcn unzweifelhaften cndlichen Triumph
der Kirche abzuwarten.

Sämmtliche PeterSburger Blättcr erklären die
Nachricht dcr Londoner „Morning Pvst" über
Verhandlungcn RußlandS mit den Westmächten
und Oestcrreich beziglich Polens sür absolut
falsch.

D e ii t s ch l a n k>.

Heidelberg, 8. März. (Proc. Lindau)
(Schluß der Ncde deS Hrn. Rechtsanw. MayS.)

Wenn daher anch dic nachträgliche AuSlcgung
der Adresse richtig wäre, was sie nicht ist, so
wäre dic Sache um NichlS gebessert; denn auch
darin läge eine Verletzung der Vcrfaffung.
Provisorische Gesctze sind nach dcm Sin» und
Gcist unsercr Vcrfassung, wie ihn unser erha-
bener Negent auffaßt, dazu bestimml, uner-
wartct hervorgetretcncn Mißständen abzuhel-
sen; aber nie und nimmcrmehr dazu, Gcgen-
gründe, die schon bci Bcrathung dcS GcsetzeS
vorlagcn, aber als nicht stlchhaltig verworfcn
wurden, trotz dcrcn daS Gesetz crschiencnist, nach-
träglich noch zur Geltung zu bringen. Wollte
man da« Rccht provisorischer Gesetzgebung so
verstehen, so wäre unserc ganze Gesetzgcdung
jeder Willkühr preiSgegebcn.

Und in solchcn Versammlnngcn, wo man
eine Adresse wie dieje bcschlvß, brachtc man
schließlich dcm Großherzog cin Lcbehoch aus.
Meine Hcrren, ich jrage Sie, dic Hand aufs
Hcrz gelcgt: Jst das keine Heuchclei, keine
Perfidie, kann cin moralischer Mensch sich einc«
unwillkürlichen Ausdrucks moralischen Ekels,
eineS Pfui, enthaltcn? DaS Speien zu dcm
Pfui muß ich meinem geehrtcn Herrn Gegncr
übcrlasscn.

Es handelt sich bei der Sache um keine
Kleinigkeit, sondern um AlleS, waS unS daS
Staatslcben werth macht, um Verfassung, Ge-
setz, Frieden. Die Macht der Gcgncr ist nicht
gering anzuschlagen; wenn sie dermalen nur
cin sehr kümmcrlicheS Material für ihre Um-
triebe vorfindet, so ist dcswegen die Macht, die
scit Jahrhundcrten besieht und ohne Rücksicht auf
LandeSgcsetzeverfährt, nicht zu unterjchätzen. Hicr
ist die äußerste Anstrcngung von Seite der loya-
len Staatsbürger Pflicht, vor Allem aber Pflicht
der politischen Tagcsprcsse, wcnn sie ihrcr Auf-
gabe, Führerin der öffcntlichen Meinung zu scin,
nicht untrcu werden will, solcheS Treiben nicht
blos mit den Worten zu bcheichnen, deren sich
Jedermann im gcwöhnlichen Leben bedient, sie
hat auch das Rccht, gegen die Feinde des StaatS
die schärfstcn Pfcile zu schlcudern, die wuchtig-
ften Streiche zu sühren. Zn den bezeichnetcn
Artikeln ist noch lange nicht Alles gcsagt, waS
hier gesagt werden durfte. Das Gewissen und
die Moral verlangen hier eine freie, rückhalt-
lose Sprache. Schweigen gebieten in solchem
Fall wäre Gewiffcnsdruck; dcr Preffe steht eine

viel größere Frcihcit der Sprache zu, al« dem
Einzelnen gegcn den Einzelnc» im gewöhnlichcn
Lcben. Es gilt eben der Sache, den Confe-
quenzen, die auS einem andern Schriftstück
hcrvorgehen. Welche Freihcit der AuSdrucks-
wcise aber nimmt sich bekanntlich die ultra-
montane Partei herauS! Jn Hcidelberg hat sich
eine öffcntliche Versammlung von höchst ehren-
werthcn Katholiken zusammengethan, an deren
Spitze dic crsten Männcr der Universität und
dcr Stadt stehen, und der „Bad. Beobachter"
wagt es, diesen bestimmt hervorgctretcnen Na-
men gegenüber, von einer Versammlung an-
geblicher Katholiken zu reden, die er Soldaten
vergleicht, dic vor dem Kampf sahnenflüchtig
inS gegnerische Lager überlaufen; dazu kommen
AuSdrücke, wie ServilismuS, eigenthümlicheS
Ehrgefühl, parlamentarisches Fraubasen- und
Waschweiber-Wescn. Wenn wegen solcher Ar-
tikel, welche ganz bestimmt hervorgetretene, hoch
angcsehene Personen eidbrichig nennen, nicht
geklagt wird, wie können dann solche klagen,
dic nachweislich vorhcr nicht öffentlich mit ihrcn
Namen bekannt waren?

Dicse Frcihcit der AuSdruckSweise gesteht cine
Partei der andcr» zu, ihr gegenübcr darf man
nicht mit allzu großer juristischer Strenge ver-
fahren. Jch habe fle zwar gegen meinen Clicu-
tcn nicht zu sürchtcn, aber ich bcsvrge sie Nlcht
einmal »on eincm Gericht, vvr wclchem ich zu
stehen die Ehre habe, in welchem der juristische
Verftand und die Anschauungcn dcr einfachcn
VolkSmoral cinander nicht bekämpfen, sondcrn
unterstützen. AnS diesen Gründen hat Herr
Mohr rS als Ehrensachc bctrachtet, für den
Jnhalt dcS Blattes, daS cr herauSgibt, auch
vor Gericht einzustchen.

Damit cs nicht scheine, alS hätte ich mir,
wenn auch in berechtigtcm Eiser, hinsichtlich
des Jnhalts der Adreffe Ucbertreibungen zu
Schulden kommen laffen, will ich mich auf
ganz unverwerfliche Autoritäten beziehen. Als
weiterer Act in dieser so vortrcfflich geleitcten
Bewegung ist nach dcr Hcidclberger Adresse
von denselben Leuten in Durlach eine andere
beschloffen worden. Auch dort hat Hr. Lindau,
wic cr in den Zcitungen berichten ließ, cine
grwisse Nolle gespielt; hicr ist deS Pudels Ker«
zu Tage gckommen. Die Adreffe geht, > io
planmäßig ist die Sache attgelegt, unsern Mi-
nistern direct zu Leib. E§ wird dort bestimmt
von dcr Politischen Partei gesprochcn, zu «elcher
sich die Hcrren Minister bekennen, und dieser
die dcr Untcqcichner als der „Anhänger der
Monarchie" entgegengesctzt: also: die Minister
stnd verkappte Repnblikancr, unter dem Titel
sürstlicher Dicner dienen sie eigentlich einem
ganz andcrn RegierungSsystem. Männern, auf
dic unscr Vaterland mit Stolz sieht, wird hier
alleS Schlcchte vorgeworfen, ste sollcn durch
Ausreizung der Katholiken gegen die Hierarchic,
gegen die Lehrcn dcr Kirche bewiesen habcn,
daß sie sich entweder in völliger Unkenntniß
der kath. Religivn befinden u. s. w. Sie sollen
sogar ihre Geringschätzung der christl. Religion
überhaupt und ihre Anfeindung dcr katholischen
Religion durch öfsentliche Bew eise kund
gcgebcn haben Mit der Großartigkeit
solchcr Vorwürse steht der AuSdruck „unver-
schämt" in keinem Verhältniß; sollen Lcute, die
über unsere Minister solche Dinge gesagt habcn,
srei hcrumgehen, und Herr Mohr, gcradc weil
cr ihr Treiben richtig bezcichnet hat, in's Ge-
fängniß wandern? (Fortsetzung s. Bcilage.)

ck' Pforzbeim, 8. MLrz. Wenn sich bei
den'Wahlen in die Kirchengemeindc-Versamm-
lung nur cine verhältnißmäßig kleine Zahl der
 
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