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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 127-151 Juni
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UMlbtrgtr Zritlmg.

Krcisverkündigungsblatt fiir den Kreis Heiüelberg unü amtliches Äerkiindiguirgsblalt sür die Anits- unü Amts-
Gerichtsbczirke Hcideldcrg und Wicsloch und den Amtsgerichtsbezick Neckargemünd.

M l i«


Dienftag, 27 Zuni


7* Der deutscke Zollverein nnd
Jkalien.

Aus Baden, 22. Juni. Dcr deutsche Zoll-
verein trilt mit dem kommenden ersten Juli
erstmals auf der Arena des allgemeiuen Wett-
kampfcs der Production, der Jndustrie und des
Handels auf. Dies und nichts meniger ist die
wahre Bedeutung des deutsch-französischen Zoll-
und Handclsvertrags, der mit dem 1. Juli
d. I. in's Lcben treten soll. Von jenem Ge-
sichtspunkte aus muß sich fortan die Handels-
politik der deutschen Vcreinsstaaten leiten lassen;
alle ihre Maßnahmen müssen von dieser neuen
Stcllnng, welche die deutsche Jndustrie und der
dcutsche Handel durch die, wenn auch vorerst
noch sehr beschränkte Wendung zu dcn Grnnd-
sätzen des -Freihandels eingcnommen habcn,
inspirirt und nach ihr beurtheilt werden. Selbst
wenn dcr französische Vertrag in seinen ein-
zelncn Bestimmungen günftiger sür uns wäre,
als er in Wirklichkeit wohl nicht ist, so bliebe
unsere Position von vorneherein die schwächere,
wenn es uns nicht gcläuge, unsern Markt zu
erwcitern und unsere Absatzwege zu vermchren,
und zwar in einem approrimalivcn Verhält-
niß, in dem es der französischen Jndustrie ge-
lingt, ihrcn Markt auszudehnen. Je größcr der
Markt, desto mehr Absatz, je mchr Absatz,
dcsto leichter und wohlfciler die Production.

Dies sind so einfache, durch die Natur der
Sache gegebene Wahrheiten, daß nur ein Blin-
der sie nicht sehen und gleichsam mit Händen
greifen und begrcifen kann. Doch gewisse klein-
große Slaatsmänner in Schwaben, in Mün-
chen und an einigen andern kleinen Winkeln
unscres beglückten Deutschlands machen eine
Ausnahme.

Bekanntlich hat PreußeN die jctzige Aufgabe
des auf eine neue Basis gcstcllten Zollvcreins
sofort richtig gewürdigt, und hat ncue Absatz-
wcge für den deutschen Gcwerbfleiß aufgesucht.
Unter allen Ländcrn, die hier in Betracht
kommen, nimmt die italienische Halbinsel mit
ihrer dichten Bevölkerung und nach ihrer Lage
eine erste Stelle ein. Die italienische Jndustrie
ist eine solche, die uns keine oder nur geringe
Concurrenz macht; dagegcn sind die Bcdürf-
nisse der italicnischcn Bevölkcrung der Art,
daß dort viele Hauptzweige unsercr Production
einen sehr ergiebigen Markt finden würden,
und mit den sranzösischen u. englischen Waaren

Schwurgerichtsverhandlungen.

Mannkeim, 20. Iuni. In der heutigen Vor-
mlttngssitzung kam die Auklage gegen Iakob
En d ers von Mannheim wrgen Dicbstahls zur Ab-
urtheilung. Der Angeklagte, ein einem leicbtsin-
ntgen Lrbenswandel ergebener und mebriacb, na-
mentlich auck wegen Diebstahls, bestrafter Bursche,
wurde von sekner Tante, der Margaretya Wellen-
reutber dahier, zu sich <„'6 Haus genommen, in
der Hoffnnng, denselben aus bessrre Wege zn brin-
gen. Diese ging abrr nicht in Erfüllung, sondern
derselbe verübte neuerdings wieder zwei Dicbstähle,
die er au» eingrstand. Drr erste betraf eine silberne
Uhr, im Wrrth von 8 fl., die er am Abend dkS
2. April d. I. im Birrhaus zum Störchel dahier
dem Küfer Schlrchtweg aus der Tasche zog und die
fich glelch naLher in seinem Besitze vorfand. Den
zweiten Dirbstahl beging er noch in drrsrlben Nacbt
vom 2. auf den 3. April d. I. im Hause sriner
Tante Wellenrcnther, indem er derrn Sobn Io-
hann Wellrnreutbrr ein Portemonnaie mit4 fl. 51 kr.
und drm bei derselben wohnenden Ferdinand Klee
ein Paar Hosen, im Werth von 5 fl., und eben-

mit sicherm Erfolg die Concurrenz bestehen
könntcn, wie dies früher (vor 1850) trotz aller
Hindernisse und Zollschranken bereits der Fall
war. Die rückhaltende Stellung, welche Deutsch-
land der politischen Entwickelung Jtaliens gegen-
über cinnehmcn zu müssen geglaubt hat, hat
dies in einer Weoe geändert, daß dic deutsche
Einfuhr nach Jtalien fast auf ein Minimum
gesunken ist, während der Absatz französischer
und englischer Waaren in ganz außerordent-
licher Progression sich gehoben hat. Nach dem
amtlichen Auswcis dcs italienischen Handels-
ministeriums beträgt die Einfuhr deS deutschen
Zollvereins nach Jtalien jctzt nur noch2Mill.,
während Frankreich für 2.33 Millionen, Eng-
land fast cbensoviel, Oestcrreich für 138 Mill.,
und selbst -dic kleine Schweiz für 81 Millioncn
einführt. Diese Zahlen bewcisen mehr als alles
Andere, wie schr wir auf einem europäischen
Hauptmarkt im Nachthcil, oder in Wirklichkeit
von ihm eigentlich zur Zeit ausgeschlosscn sind.

Hierzu kommt die wichtige Lage Jtaliens;
es vermittelt den Ucbergang nach der ganzen
Levante, wo der Einfluß Jtaliens von Tag zu
Tag zunimmt und voraussichtlich in nicht langer
Zeit weit überwicgend sein wird. Nun ist es
einc Thatjache, welche die ganze frühere Ge-
schichte des Verkehrs bestätigt, daß der Jtaliener
weniger geeignet zur Production selbst, .weit
der geschickteste Zwischenhändler ist, und daß
er nach dieser Seite hin eine Virtuosität zu
entwickeln im Stande ist, wie sie kein anderer
europäischer Volksstamm besitzt Will die deutsche
Judustrie nach dem Orient sich einen ergiebigen
Absatz sichern, so wird sie dies nur durch den
italienischcn Zwischenhändler mit wirklichem
Erfolg erreichen können.

ES ist bekannt, daß Italien uns entgegen-
kommen will, allerdings in seinem eigenen wohl-
verstandenen Jnterefse, daö aber glücklichcr
Weise hier daö doppelte unsrige ist. Jtalien
hat sich bereit erklärt, mit uns einen Zoll-
und HandelSvertrag abzuschließen, so liveral
als nur irgend möglich. Alles was man in
den mit Frankreich, Belgien u. s. w. abge-
schlosscnen Verträgen bewilligt hat, soll auch
uns zugestanden werden; kurz Alles. was den
am meisten begünstigten Nationen bereits ge-
währt ist over in Zukunft gewährt werden
wird, soll auch uns gewährt werden. Jtalien
macht nur eine Bcdingung, welche ihm die
Wahrung seincr nationalen Ehre eingibt, näm-

falls ein Portemonnaie mit 30 bis 36 kr. entwen-
dete. Odglrich er den Diebstahl selbst zugestand,
stellte er dock in Abrede, daß er, wie die Anklage

dnr» das enge Keller>och über einen aufgescbichteten
Haufen Dickrüben fchlüpfen mußte, und im Fall
einer Betr.tung nicht leicht wieder entfliehen konnte.

bestreiten und machte namentlick auch grltend, daß
das zu einem gefäbrlichen Diebstahl nöthige Ein-
steigen in ein fremdes Gebäude gescheben sein
müsse, was hier nicht vorliege, da der Angeklagte
in stine eigrne Wobnung eingestiegen sei. Die Ge-
schwornrn schloffen sich jedoch in ihrem Wahrspruch
den Ausfübrungen der StaatSbehörde an, worauf
der GerichtShof den Angcklagten wegen gefähr-

lich daß die politischc Anerkcnnung des König-
reichs Jtalien, wie bereits von Preußen und
Baden geschehen, auch von den übrigen deutschen
Vercinsstaaten erfolgen müsse. DieS Verlan-
gen ist an sich so gerecht und billig, daß in
der That kein weiteres Wort darüber zu ver-
lieren ist.

Was geschieht nun aber in unserem vielge-
segneten Deutschland? Preußen hat pflichtgemäß
das Verlangen Ztaliens zur Kcnntniß der Regie-
rungen der deutschen Mittel- u. Kleinstaaten ge-
bracht, u. hat dasselbe befürwortet. Was thun nun
diese Negierungen? Statt die Thatsachen zu
nehmen wie sie nun einmal sind, und die sie
am allerwenigsten zu ändern berufen sind, wol-
len die -meisten von diesen kleinen Großmächten
die Frage der Ancrkennung Jtaliens an den
deutschcn Bund bringen, d. h. ack
catencjas verschieben; die edlen Freiherren
v. d. Pfordten und v. Varnbühler schützen über-
dies dynastische Gründe, der lctztere sogar die
Ehre seines großdeutschen NationalgefühlS vor,
die sie verhinderten, mit dem revolutionären
'Jtalien in Verbindung zu treten. Jn Wirklich-
keit heißt.dies nichts anderes, als die großen
volkswirthschaftlichen Jnteressen der deutschen
Nation, für die hier eine Lcbensfrage zu lösen
ist, sind für uns ohne Werth, sobald sie mit
unsern politischen Vorurtheilen in Conflict kom-
men. Eine solche Wahrnehmung über den in-
nern Wcrth deutschcr Staatslenker ist zwar
niederschlagend, doch ist es auch wieder gut, zu
rrfahren, in was für Hände die Jnteressen
des deutschen Volkes liegcn. Daß Männcr,
welche als treu gehorsamstc Diener und Com-
mi's der habsburgischen Hauspolitik sich geriren,
nicht anders sprechen können, als sie gcthan,
ist erklärlich; schwer zu erklären aber ist es,
wie die gegenwärtig in Stuttgart und Mün-
chen versammelten Vertreter des Volkes nur
einen Augenblick zögern, um alle Mittel auf-
zubieten, solche wohlfeile Staatsmänner zur
Vernunft zu bringen oder über Bord zu wer-
fen. Dies ist daö Traurigste an dieser ganzen
in Deutschlaud leider nicht ungewohnten Er-
scheinung. Auf die Sache selbst werden wir
zurückkommen.

* Politische Nmfchau.

* Es wird nun wieder von vcrschiedenen
Orten, unter andern auch vou Wien gemcldet,

licken Dirbstahks und zugleich wegrn Rückfalls in
den Diebstahl zu einrr gescbärsten ArbettShausstrafe

Mannheim, 22. Juni. Michael Ries von
Werbach, 52 Iahre alr, eine dem Znstande der
Verkommknheit sehr nahe stehende und schon mehr-
fack bestrafte Persönlichkeit, war drS VerfuchS der
Brandstistung angeklagt, dadurch verübt, daß er
einen Schwefelfaden an der Scheuer deS Bürger-
meistcrs Liebler von Werbach befkstigte und den-
selbkn entzündete, so daß, sobald das Feuer daS
Ende bes Schwefelfadens errreicht haben würde,
die in der Scheucr sitzenden Frucht- und Hanf-
vorräthe nothwendig in Brand gerathen mußten,
wodurch nicht nur 3 beisammen stehknde Sckeuern,
sondern auch die 3 dazu gehörigen Wohnhäuser,
die sämmtlrch von Holz erbaut sind, bedroht waren.
Durch einen glücklichen Zufall wurde jedoch der
Schwefelfaden rasch genug gelöscht, so daß die
Sckeuer selbst vom Keuer niLt ergriffen wurde.
Diesrr Vorfall ereignete fich schon im Jahre 1862
und man konnte lange ketne solche VerdachtSgrünbe
 
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