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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 127-151 Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0627

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KreislicrkiilidigullgMatt für deu Kreis HeiSclberg unü alntliches Herkünüigungsblatt für üie Mts- uiia A nts-
Gerichtsbczirkc Hcidclbcrg uiiü WicSloch unü den AmtSgerichtsbezirk Neckargeniüilü.

138- ilrrcttag, 18 Iuni

* PolLtische Nmschau.

* Daß die preußische Regierung fortwährend
an ihrer Auffassung festhält, wonach die An-
wesenheit dcö Erbprinzen von Augustenburg in
Schleswig-Holstein mit den Verhandlungen der
einzuberufenden Landesvertretung nnvereinbar
sei, — ist eine bekannte Sache. Aber auch in
der österreichischen Politik ist cine Wandlung
zuin Nachtheile des Augustenburgers im Werden.
Denn wenn Oesterreich auch in dcn offiziellen
Verhandlungen den Wünschen PreußenS zu
widerstreben scheint, so hat es doch nie ernst-
lich gehindert, daß die preußischen Wünsche
schließlich Erfüllung finden; und im gegenwär-
tigen Augenblicke scheint die österr. Regierung
sogar selbft jene Erfüllung im Stillen zn fördern,
und uur äußerlich noch die Form zu rettcn.
Wie nämlich jetzt aus verschiedenen Anzeichen
zu schließen ist, sucht man von Wien aus den
Erbprinzen zu einer freiwilligen Entfernung
aus den Herzogthümern zu beftimmen, eine
Bemühung, die unter den obwaltenden Verhält-
nissen kaum mißlingen dürfte,.

Die Abreise des Königs von Preußen nach
Karlsbao ist auf den 20. d. M. angeordnet.

Es wird ein neues oldenburgisches Memo-
randum signalisirt, welches vor Anerkennung
der Ansprüche des Herzogs von Augustsnburg
warnt, weil die Herzogthümer, nach dem Er-
löschen der augustenburgischen Linie, wieder an
Dänemark zurückfallen würden.

Nach einem Telegramme des Fr. I. wird
in österreichischen Abgeordnetenkreisen eine ener-
gische Jnterpellation Mensdorff's wegen der
Herzogthümerf«lge vorbercitet.

Zu Jnnsbruck wurde gestern das Urtheil in
dem großen Proceß der Wälschtiroler publizirt.
Es lautct bei vier Angeklagten auf sieben Jahre,
bci fünf auf fünf Jahre Kerkers; fünfzehn
wurden ab instantis freigesprochen, darunter
zwölf Bauern.

Die „Patrie" glaubt zu wissen, daß eine
schr freisinnige Verordnung gegenüber den aus-
ländischen Zeitungen bevorstehe, die als Ergän-
zung derjenigen, welche die seithcrigen Verwar-
nungen der französischen Tagesdlätter aufge-
hoben hat, zu betrachten sein würdc.

Der Papst hat am 12. Juni dcn türkischen
Ober-General Omer Pascha empfangen. —
Zn diesen wenigen Worten liegt cin ganzes
Stück moderner Culturgeschichte. Omer Pascha

(Michael Lattas) ist ein Renegat. Er gehörte
zwar nicht zur katholischen Kirche, war aber
wenigstens ein orthodoxer Grieche. als er die
Bibel mit den Koran vertauschte, um zuletzt
türkischer Feldmarschall zu werdcn.

Bei deu Wahlen in Griechenland hat es 16
Todte und 40 Verwundete gegeben. Die Re-
gierungsorgane sprechen von nur 8 Todten und
12 Verwundeten. Die Wahlcn sind zu Ungun-
sten der republicanischen Partei ausgesallen.
Es sind viele Anhänger des vertriebenen Kö-
nigs Otto gewählt worden.

Aus Athen wird gemeldet, daß der König
am 9. Juni die Kammersitzung eröffnet hat.
Die Thronrede besagt, daß die Regierung sich
damit beschäftigt, wegen Bezahlung der Schuld
von 1832 Vereinbarungen zu treffen. Nachher
sei eS weniger schwierig, an eine Regulirung
der alten Schuld zu denken. Mehrere wichtige
Gesetzenlwürfe sind angezeigt.

Der Befehlshabcr des afrikanischen Heeres,
Deligny, ist vom General Le Grand, dessen
Frau er zu verführen versucht,^im Duell er-
schossen worven.

Jn Brasilien ist ein neues Ministerium ge-
bildet. Marquis d'Olinda ist Conseilpräsident.

Deutschland

Badeu, 14. Juni. Das Besinden Jhrer
Königl. Hoheit der Frau Großherzogin Luise,
sowie des neugebornen Prinzen ist vollkommen
^befriedigend. Dr. Buchegger. Dr. Schrickel.
Dr. Lange.

ö' Heidelberg, 15. Juni. Ein bekannter
Artikel der „Pfälzer Zeitung", worin der Aus-
tritt der Herren Lamey und Roggenbach aus
dem Ministerium und — seltsam genug —
deren Ersatz durch die Herren Bluntschli und
Häusser in AuSsicht gestellt ist, gibt der Karls-
ruher Zeitung in ihrer heutigen Nummer Ver-
anlassung, dieses unbegründcte Gcrücht in einem
längeren Aufsatze zu widerlegen. Den An-
knüpfungspunkt hiezu und den unmittelbaren
Anlaß bietet ein vielgenannter, vor einigen
Wochen crschienener Artikel der Karlsr. Ztg.,
weicher vielfach irrigerweise dahin ausgclegt
wurde, die Minister würden dem Willen der
Kammern keine Rechnung tragen, währenddem
vielmehr dieselben die Absicht hätten, zu sagen,
sie erwögen, ob ihr Programm auch ferner auf
die Kammermajorität rechnen, oder ob sie das

Nnder des Staatsschiffs anderen Häuden an-
vertrauen sollten. Auf die Combination der
Pfälzer Zeitung sodann selbst übergehend, be-
zeichnet diese die Karlsr. Zeitung als durchaus
irrig. Bluntschli habe das von der Regierung
in der Schulfrage eingehaltene Verfahren stets
vollkommen gebilligt. Häuffer sei zwar in Ein-
zelnheiten, z. B. in Bezug auf die Wicder-
einführung dcs Placets zuweilen anderer An-
sichl gewesen, habe aber bei alledem den Stand-
punkt der Regierung in der Hauptsache eben-
falls gebilligt. Wenn die Pfälzer Ztg. nun
hierauf einen Ministerwechsel bauen wolle, sd
sei dies eine „Wunderlichkeit". (Dchluß folgt.)

Eifenacb, 11. Juni. Heute fand dahier
eine Ausschußsitzung des Nationalvereins statt.
Von Seiten der Schleswig - Holstein - Vereine
waren auf bcsondere Einladung die-Herren May
und Reder erschienen. Die schleswig-holstein.
Deputirten berichteten über die Lage der Dinge
in ihrer Heimath und sprachen insbesondere ihre
Verwunderung aus, daß die Erwartungen,
welche man auf das prenßische Abgeordneten-
haus in Bezug auf die energische Behandlung
der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit ge-
setzt hatte, so schmerzlich getäuscht worden seien.
Die Schleswig-Holsteinische Frage wurde sodann
lebhaft debattirt und die Veröffentlichung einer
Erklärung (Protokoll) beschloffen, in welcher
der Ausschuß des Natioualvereins die Mitglie-
der und namentlich auch das preußische Abge-
ordnetenhaus auffordert, auf den baldigen Zu-
sammentritt der Ständeversammlung nach deni
1848er Wahlgesetze hinzuwirken. Die Stände-
versammlung solle alsdann mit Preußen über
die Forderungen dieser Macht verhandelk. Nur
cin Mitglied des Ausschusses (Prätorius) er-
klärte sich für vollständige Constituirung des
schlesw -holst. Staates, bevor über Forderungen
Preußens in Verhandlung getrelen werden
sollte. Für eine Festgabe zum deutschen Schüz-
zenfest wurde eine namhafte Summe bewilligt.

Berlin, 12. Juni. Abgeordnetenhaus.
(Schluß.) Abg. Twesten: Unzweifelhaft steht
dem Hause das Recht zu, das Budget im Gan-
zen abzulehucn, abcr praktische, polilische Gründe
vcrbietcn es uns, von diesem Rcchte Gebrauch
zu machcn. Wollten wir es ausüben. so müßte
das von vornherein vor dem Eintritte in die
Specialberathung des Etats geschehen, da die
Erfahrungen der letzten Iahre unzweideutig
vorlagen. Beim Anfange dieser Dession fchien

Paris, 11. Iuni. Heute fand das große
Wettrennen auf dem Longchamps des Bois de
Boulogne statt. Es handelte fich um die Er-
werbung des 6rsn<t prix <le ksris von hundert-
tausend Franken. Da der Gladiateur, der schon
den Derby-PreiS in London crrungen, wieder am
Kampfe Theil nahm, so hatteu fich von vorn herein
von dcn 122 eingeschriebenen Pferden 116 zurück-
gezogen, und nur fünf suchten dem Gladiateur
den Rang streitig zu machen. Darunter befand
fich ein englisches Pferd, der dem Herzog von Beau-
fort angehörige Todleben. Die Franzoscn, die fich
biS vor kurzer Zeit wenig für die Wettrennen in°
trresfirten, find, seit einige frauzöfische Pferde den
Sieg über die mgltschen Renner davon getragen
haben, ganz vernarrt in dte Art von Unterhal-
tungen, und der Longchamps war heute von einer
ungeheuren Menschcnmenge angefüllt. ES mag
wohl eine halbe Mtllion Menschen dort versammelt
gewesen sein. In dem abgesteckten Platze, wo der
Eintritt 20 Franken kostete, waren vier Mal mehr
Personen, als letztes Aahr, und man konnte fich
dort nicht bewegen. Der Hof war natürlich eben-
falls anwesend. Der Katser befand fich mit der

zessin Mathilde und der Prinzesfin Anna Murat,
sowie mit mehreren anderen Hof-Herren und Da-
men in der großen Loge. Der Empfang, der dem
Kaifer wurde, war ein ganz guter, aber kein sehr
begeistrrter; als aber der Gladiateur, der seine
fünf Mitbewerber weit hinter fich zurücklteß, zuerst
am Ziele ankam, da brachtcn ihm Alle etne wahre

bergen konnte. Heute war er etwaS kälter, obgleich
er höchst zufrieden dreinsah. Das Pferd, welches
zunächst nach dem Gladiateur am Ziele ankam,
wur Goutran, der lrtzteS Jahr den DcrbypreiS in
Ehantilly gewonnen. Das englische Pferd Tod-
leben war das letzte. Aus Deutschland waren auch
zwei Pferde gekommen, darunter einrs Namens

Waterloo. Sein Name mag wohl schuld gewesen
sein, daß es de'kn Wettkampfe fern blieb. Unter
den anwesenden Pcrsoncn bemerkte man auch Ber-
ryer. Die Franzosen selbst find ganz stolz über
die Siege threr Pferde. Der Temps spottet heute
darüber und metnt, die Franzosen find das größte
Volk, denn es wiffe fich die guten Produkte der
anderen Völker anzueignen, während England ge-
wiß nie eine Theresa hervorbringen werde.

Frankfurt, 9. Iuni. Gestern tagten hier die
folgenden Männer derWissenschaft: Lucae von hier,
C. E. V. Baer aus Petersburg, Welcker aus Halle,
Ecker auS Freiburg, E. Vogt aus Genf, Desor
auS Neuchatel, His und Rütimeyer auS Basel,
Schaaffhausen auS Bonn, Lindenschmit auS Mainz
und der Buckhändler Vieweg auS Braunschweig,
um im Verlage des letzteren ein vielversprechendes
Werk zu begründrn, nämlich eine Zeitschrift
für Anthropologie (Menschenkunde) in dcm
umfaffenden Sinne der heutigen Wiffenschaft, welche
die ganze Lebenskunde, die Natur- und llrgeschichte
drr Menschheit unter jenem Namen begreift. Ecker
und Lindenschmit werden die Zeitschrift redigiren.
 
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