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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 März
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Utidtlbergtr Ztilung.

Kreisocrkündigungsbllitt für den.Kreis Hcidclbsrg und aüitliches Verkiindigungsblatt für die Antts- nnd Aints-
Gerichtsbczirkc Heidelbcrg und Wicsloch und den Aintsgerichtsbezirk Neckargeuiüud.

Nk- «8.

Dienstag. 21 März


* Politische Nmschau.

Der Naffauijchc Landlag ist auf den 29.
März einberufen.

Eine Depesche, die „Correspondenzia" aus
Pcru, bestätigt die bereitS von uns mitgetheilte
Nachricht des AuSbruchs einer Revolution in
der Hauptstadt Lima; der Präsident Pezet
wäre wegen deS mit Spanien abgeschlossenen
Vertrages verhaftet worden.

Die „Postztg." meldet telegraphisch aus Wien,
daß die Nachricht von einem bevorstehenden
Ministerwechsel ganz grundlos sei.

Dentschland.

Karlsruke, 16. MLrz. Die .LarlSr. Ztg.
schreibt officiös: Dcr neueste Hirtenbries be-
spricht die Mannhcimer Vorfälle von seiner
Seite. Er lobt das gesetzliche Verhalten dcr
sog. wanderndcn Casinos und tadelt mit Strenge
die dortigen Excesse. Gewiß wird zu der ernsten
Mißbilligung der vorgefallenen Exceffe Jeder-
mann seine Zustimmung geben. aber die Ge-
rechtigkeit verlangt, daß diese Mißbilligung auch
nach der Seite ausgcsprochen wird, von welcher
der erste Anstoß zu diesen beklagenswerthen Er-
eigniffen ausging. Jn der ganzen Welt gilt
als erster Neranlasser Derjenige, der zu gesetz-
widrigen Unternehmen sich heraudrängt. Diese
erfien Deranlaffer sind aber hier Die, welche
das wandcrnde Casino nach Mannheim führten.
Die Bchörden hatten ausgesprochen, daß die
VolkSversammlung in der Kirche, als dem Ver-
einsgesetz und, wie wir beifügen, jeder guten
Sitte zuwiderkaufend, nicht stattfinden dürfe.
Die urspi ünglichen Mannheimer Leiter der Ver-
sammlung hatten ste darauf öffentlich abbestellt.
Ein namenloses Jnserat sagte, sie finde doch
statt; auch ihm gcgenüber hat die Bebörde ihr
Verbot in öfsentlichen Blättern wiederholt. Keine
Anzeige kam an die Behörde, daß die Versamm-
lung an einem andern Ort abgehalten werde,
wie das Vcreinsgcsetz doch vorschrcibt, und wir
erfahren von den Parteiblättern der CasiNo-
partei selbst, daß kein Mannheimer Local für
sie bcreit stand. Wie kounte unter diesen Um-
ständen die obdachlose, von der Behörde aus-
drücklich untersagte und nicht neuerdings an-
gezeigte Versammlung doch nach Mannheim
vor die Kirche geführt werden? War dies
gesetzlich oder müßte nicht vielmehr die Frage
entstehen, ob die strengen Strafen des Vereins-
gesetzes nicht wegen dieses Versuchs einer ver-
botenen Versammlung auf das Haupt der dem
Gesetze und den Behörden trotzenden Veran-
stalter fallen sollte? Die großh. Regierung
sieht darin keine Rechtfertigung der vorgefalle-
nen Exeesse, welche sie ernstlich zu rügen nie
angestanden hat und über welche die Unter-
suchung unseres Wissens mit Eifer geführt
wird. Diese Untersuchung dürfte indeffen zu-
gleich nachweisen, daß die einzelnen Vorfälle
in einer Weise übertrieben dargestellt werden,
wie sie nur die heftigste Parteileidenschaft zu
fälschen vermag, und daß durchaus nicht immer
aus der Mitte der Mannheimer Bevölkerung
die Ursachen der ärgerlichen Auftritte hcrvor-
gegangen sind. Wir bescheiden uns hiernach
mit dem Schluß, daß der erste und herbste
Vorwurf Denen gebührt, welche mit Mißach-
tung des Gesetzes und der Autorität der Be-
hörden in Mannheim ein der Bevölkerung
widerwärtiges Schauspiel aufführen wollten,
und erst wenn dieser Tadel ausgesprochen ist,

der vor Allem Diejenigen trifft, welche die
Zuzüge führten, kann es für die erzbischöfliche
Curie ein Recht geben, in die Verurtheilung
der folgenden Auftritte zu stimmen, welche die
großh. Negierung selbst denselben zu Theil
werden läßt.

tz Heidelberg, 19. März. DaS hoch-
würdige Ordinariat in Freiburg> hat auf die
demselben von verschiedenen lLeitcn unterbrei-
teten Gesuche, den katholischen Geiftlichen den
Eintritt in den Ortsschulrath zu gestatten, ge-
antworlel, und zwar, wie vorauszusehen —
abschläglich Trotzdem, daß das «Dchulaüf-
sichtsgesetz der katholischen Kirche größere Rcchte
in Bezug auf die Erziehung der Jugend ein-
räuml, als das s. Z. mit Rom abgeschlossene
Concordat, will das Ordinariat noch päpstlicher
sein, wic der Papst. Daffelbe behauptet mit
aller Entschiedeuheit, daß die Ertheilung des
Religionsunterrichts nicht genüge, umdieJugend
im katholischen Geiste zu erziehen, es vcrlangt
eine Mitwirkung bei dem gesammten Tchul-
wesen und berust sich schließlich auf einen Aus-
spruch des heiligen Cyprianus, daß wenn einer
mit dcm Bischof nicht in Gemeinschaft stehe, er
nicht in der Kirche stehe. Dem gegenüber wollen
wir nur eins bemerken, daß es auffallend ist,
wie lrotz der bishcrigen Erziehung, womit ja
daS erzbischöfliche Ordinariat einverstanden, tau-
sende von Katholikcn im Widerspruche mit dessen
Auffassung sich befinden. und daß es wahr-
scheinlich mit der Bildung und Erziehung vieler
Katholiken besser stünde, wenn schon früher eine
Reorganisation des L-chulwesens erfolgt wäre.
Auflehnungen gegen Gesctz und Obrigkeit, Be-
weise von vaterlandSverrätherischen Gesinnun-
gen, Angriffe gegen die jedem Badener heilig
sein sollende Verfassung, wie wir sie in jüngster
Zeit erlebt, würden sicherlich nicht vorgekommcn
sein, wenn den Kindern schon in dcr frühesten
Jugend ein wahrhaft christlich-katholischer Sinn
eingepflanzt worden wäre, und diese Frucht
und mit ihr dcr unverlilgbare Sinn für Recht
und Gcsetz wird hoffentlich aus dem nenen
Schulgesctze erblühen und zur Reife gelangen.

S Heidelberg, 19. März. Der hiesige
Gemeinderath hat auf die Zuschrift gr. Ober-
kirchcnraths in Betreff der Schulhausbau-
frage die städtische Baucommission beauftragt,
um die Sache nicht weiter hinauszuschieben, so
bald als möglich geeignete Vorschläge zur An-
fertigung der betreffenden Baupläne zu machen
und sie ihm zur Prüfung vorzulegen. Dieser,
so wie jeder Schritt, den der Bau des ncuen
Schulhauses weiter macht, wird von der hie-
sigen, dabei interessirten Bevölkerung, und von
allen Freunden der Volksbildung mit Freuden
begrüßt werden.

Sruttqart, 15. März. Die volkswirth-
schastliche Commission der Abgeordnetenkammer
hat heute einstimmig beschlossen, der Kammer
unter den gegebenen Umständen die Genehmigung
des Handelsoertrags mit Frankreich vorzu-
schlagen.

Berlin, 16. März. Sitzung vom 15.
März.) Der Abgeordnete Lasker ist in das
Haus eingctteten und hat auf der Linken Platz
genommen. — Am Ministertisch nur ein Re-
gierungökommissär, später von Bodelschwingh,
v. Selchow, Graf Eulenburg. Die gestern abge-
brochene Debatte wird fortgesetzt. Äbgeordneter
v. Mitschke-Kollande erklärt sich gegen
die Kommiffionsanträge. Jm Vcrlauf seines
VorttageS berührt er den letzten Krieg, bei
deffen Beginn alle Partei-Unterschiede sofort

aufgehört hätten; das Ministerium Bismarck
hättc in Folge der Durchführung sciner Politik
die Popularität des Jn- und Auslandes ge-
wonnen. — Abg. Faucher beginnt mit einer
Kritik der üblichen Behandlung des Budgets,
bei welcher einc Uebersicht über den organischen
Zusammenhang des Staatshaushalts verloren
gehe. DaS Verfahren der balanzirenden Aus-
gabe- und Einnahme-Kolumnen führte schließ-
lich nur zu neuen Steuern und habe uns ein
Budgct gebracht, an deffen Höhe die Urheber
der Verfassung bei Proklamirung derselben wohl
nicht im Traume gedacht habcn. Man müsse,
um Abschlüffe zu erhalten, die einzclnen Theile
des Budgets untcr einander vergleichen und
dann wieder jedes Budget mit dem des Dor-
jahres oder beffcr dcr Vorjahre, um zu prüfen,
ob sich nicht Schäden eingeschlichen. So mache
man es in England. Das Budget müsse ein
lebendiger Organismus sein, dessen Wachs-
thum freilich gerade nicht mit der Steigerung
der Ziffer zusammenfalle. Das sei der rechte
Finanzminister, der nach Feststellung der Aus-
gaben (waö das Erste sein müsse) das Wachs-
thum zur Erscheinung zu bringcn wiffe bei
verminderter Einnahme. Der englische Finanz-
minister sei von Jahr zu Jahr bestrebt Stcuern
zu streichen und nichtS desto weniger dieselbe
Summe auf den Tisch des Hauses zu legen;
dort in England suche der Finanzminister die
. wirthschaftliche Kraft zu reserviren für die Zu-
kunft, indem er die Steuern vermindcre. Daher
komme es, daß in England die Redc des Fi-
nanzministers bei Vorlage des Budgets die
große Rede der Scffion sei. In Preußen müffen
leider wir diese Pflicht übernehmen, während
der Finanzminister schweigt, vielleicht dazu ver-
anlaßt durch den Weihrauch, der ihm von der
andern Seite des Hauses gestreut wird bezüg-
lich der guten Lage und Ordnung unserer Fi-
nanzen. Es ist wahr, unser Budget ist wieder
in Ordnung, es balanzirt in Einnahme und
Ausgabe, es weist sogar neue Auögaben auf;
aber wcnn durch zu große Belastung der HauS-
halt der Staatsbürger, wcnn durch zu geringe
Besoldung der Haushalt der Bcamten in Un-
ordnung gebracht wird, so ist das keine Ord-
nung. (Sehr wahr!) — Der Redner stattet
der Kommission Dank ab für die Selbstver-
leugnung, mit der sic ihr Werk zu Stande
gebracht und für die Anregungen, zu denen
sie Anlaß gegeben. Er erörtert sodann die
Uebelstände, welche durch die Behandlung des
Budgets in einer Kommiffion, anstatt im Hause
selbst, erwachsen. Jn einem fortgeschrittenen
Staatsleben dürften nur neue Sachen an Kom-
missionen gewiesen werden; das Budget aber
sei für uns kein iVovum. Zur politischcn Scite
der Frage übergehend, schließt der Redner: Von
der anderen Seite des HauseS (rechts) wird
die Sachlage vollständig verkannt, sie scheint
der Ansicht zu sein, als ob daS Abgeordneten-
haus von der Regienlng etwas erbitte. Nein,
das Gegentheil ist der Fall, die Negierung will,
daß wir die Armec-Reorganisation gutheißcn,
und sie kann es nicht erreichen. (Zustimmung.
Heiterkeit.) Was bietet die Regierung für die
Bewilligung? Jn den von der Kommission
aufgestellten Punkten werden ihr die Bedin-
gungen gestcllt. Das wird der Regierung doch
klar sein, daß die Neigung zur Versöhnung im
ganzen Hause vorhanden ist. (Hört!) Volk und
Krone gchören in Preußen zusammen, sonst
gibt es keinen preußischen Staat. Frankreich
und England können auch ohne Krone existiren,
 
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