eidi'lbtrger
KmsiierküiidigilNgSblatt für den Kreis Hcidclberg und amtliches
Gerichtsdezirkc Heidelberg und Wicsloch Mü
N 7?»
Loniitag, 2 April'
S8KL
Beftellungen nuf die „Heidetberger
Aeitung" nebst Beilaqe „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit F.
Aprit 18VS begonnene 2. Quartal
werden fortwährend angenommen.
Die Expedition
* Politische llmschau.
Jn Hamburg ist das Gerücht verbreitet, daß
in Folge dcr bekannten Frankfurlcr Vorgänge
binnen wenigen Tagen 15,000 Mann preußi-
scher Verstärkungslruppen über Hamburg nach
Schleswig-Holstein marschiren werden.
Die Wiener „Presse" bemerkt zu den letzten
schlcswig-holsteinischcn Beschlüssen der würtem-
bergischen Kammer: „Wir schätzen die Kund-
gebung dcr würtembergischen Kammer ihrcm
vollen Wcrthe nach. Aber wir hüten uns doch,
sie zu überschätzen. Führt sie zu eiuer gemein-
samen Action der deutschen Mittelstaaten, ist
sie ein ernstcr bedcutsamer Schritt. der zu zehn
bedeutsameren führt, so kaun sie beanspruchen,
einst einen geseierken Platz in der dcutschen
Gcschichte einzunehmen. Bleibt sie aber ohne
weitere Folgen, so ist sic eben eine Blase, ent-
standen in einer Minule, geplatzt in einer an-
dern, die über den Tag hinauS keine Wirkung
ausübt."
Die niederländische Regicrung hal sich bereit
erklärt, den auf den niederländischcn conven-
tionellen Gewässcrn bestehenden Lootsenzwang
auszuheben. Damit ist die Bedingung crfüllt,
welche di^ Regierungen auf den Stromstrecken,
wo noch der Steuerzwang besteht, für die Auf-
hebung desselben gestellt hatten. Es ift zugleich
beantragt worden, die Befreiung der Schiffahrt
vom Steuermanns- und Lootseuzwange vom
1. Juli d. I., also von dem Zeitpunkte an
eintreten zu lassen, mit welchem der neue Tarif
des Zollvereins und der Vertrag mit Frank-
reich in Kraft treten. Hoffcnttich werden sämmt-
liche Rheinuferstaatcn diesem Antrage bei-
stimmen.
Dänemark w^d in Zukunft am Bundes-
tage durch seinen Gesandten in Berlin ver-
treten sein.
Jn Genf hat stch die Aufhebung dcr zwangS-
weisen Häuserversicherung bewahrt; es brennt
höchst sclten mehr. — Auf die Anfragen Zürichs,
über die Wirkungen dcr Aufhebung der Wucher-
Schwurgerichtsoerhandlungen.
Offenburg, 23. März. Eine verschmitzte Gau-
nerin, Anna Maria Itzin von Auggen, stand
heute, mehrfacher Diebstähle und Betrügereicn an-
geklagt, vor den Schranken des Gerichts. Obwohl
erst 19 Iähre alt, ist diese Person, dercn äußere
Wohlgestalt ihr bei der Ausführung ihrer Vergehen
großen Vorsckub geleistet, sckwn früher zweimal
wegcn Diebstahls bestraft worden. Vom Monat
September v. I. an unternahm fie, in Mühkhau-
sen im Elsaß beginnend, einrn förinlichen Streif-
zug von Süden nach Norden durch unser Groß-
herzogthum, indem fie von Mühlhausen nach Frei-
burg, von da nach Lahr, Offenburg, Karlsruhe
und Durlach fich verfügte, in allen diesen Städten,
unter Annahme eines falscken Namens und unter
Vertrauen mitleidiger Menschen einzuschmeicheln
wußte, und dann, nach mehrtägigem Aufenthalt,
von thren Wohlthätern fick entfcrnte g,nd denselben
zum Andenken die Gcwißheit hinterließ, von ihr
brstohlen worden zu sein. Vor dem Gerichtstisch
gesetze haben mehrere deutsche Regierungen fich
dahin übereinstimmend anSgesprochen, daß diese
Maßrrgel kcinen Einfiuß auf die Erhöhung
des ZinSsußeS gchabt habe.
Der polnische General Langicwicz, begleitet
vom General Leon Plater, ist in Bern einge-
troffen, um dem Bnndesrath seinen Dank sür
die von der Bundesbehörde zu seiner Freilas-
sung gethanen Schritte auszusprechen.
Nach der „France" belief sich der Effectiv-
bestaud der päpstlichen Truppen am 1. v. M.
auf 8691 Mann allcr Grade und der verschie-
dcnen Waffengattungen.
Aus Rom wird die Nachricht bestätigt, daß
General Graf v. Montebello dem Kriegömini-
ster in Paris crklärt hat, daß wenn das unter
seinem Befchl stehende Besetzüngsheer irgcnd
eine Lermindernng erleide. er nicht mehr für
dic Aufrechthaltung der Ordnung im ganzen
römischen Staatc einstehen könne und daß cr
seine Rückberufung verlangen werde, wenn die
Regierung glaubcn solltc, anders handeln zu
müssen.
Die Commiffion der italienischen Deputirten-
kammer beantragt die Unterdrückung aller Klö-
ster, mit Ausnahme einiger wenigen als nützlich
anerkannten; die Verwandlung ihrer Güter in
Neuten, welche den Gemeinden gegeben werdcn
sollen und dencn die Klöster gehören; die Auf-
hcbung der geistlichen Kassen, und die Um-
wandlung der Güter der weltlichen Geistlichkeit
in Renten, welche durch erwählte Ausschüsse
verwaltet werdeu sollen; endlich die Vermin-
derung der Bischöfe von 200 auf 59. einer
für jede Provinz.
D e u t s ch l a u d.
ö' Heidelberg, 28. März. Nach Mit-
theilungen aus Bcrlin tritt dort vor den be-
rüchtigt gewordenen Aeußerungen des Kriegs-
ministers Roon im preußischen Abgeordneten-
hause jedeS andere Jntereffe zurück. Auf daS
Haus sollen sic den Eindruck gemacht haben,
als ob der Minister zum mindesten eine Ver-
änderung des Wahlgesetzes auf dem Wege oc-
troyirender Jnterpretation hade ankündigen wol-
len. Zedenfalls hat diese Drohung — und das
ist ihre folgenschwerste Bedeutung — die Mög-
lichkcit eineS Compromisses, die bis dahin im-
mcr noch offen stand, abgeschnitten. Unter
dem Druckc derselben ist das Entgegenkommen
ständen a'ufgestaprlt, welche von der Angeklagten
auf solche Weise angesammelt worden waren. In
Durlach entwendete fie eincm Uhrmacher, der nicht
wenig Lust hatte, um ihre Hand zu werben, baare
70 fl. Ihre lctzte Spitzbüberei führte fie in Mann-
hrim aus, wo sir an einem ftürmiscken Rovembrr-
reiche Wirthstochter aus Müllheim, Namens Ama-
lie Maier, ausgab, und 14 Tage lang cin reckft
behäbiges Leben führte, dcssen Kostenbetrag mit
etwa 50 fl. zu den unbeibringlichsten aller Wirths-
rcckmungen gezählt werden muß. Sobald fie merkte,
daß fich ihr Incognito in Mannheim nicht langer
behaupten lasse, nahm sie ihren Rückzug nach Hei- j
delberg, woselbst fie an der AuSführung neuer !
Schwindeleien durch Verhaftung gehindert wurde. !
Vor der Strafkammer führte fie die Rolle eines j
reumüthigen, schüchternen MädchenS (sie brfindet !
fich zur Zeit in sehr vorgerückten grsegneten Um- !
ftändcn) ganz folgerichtig durch. Sie wurde, drn ^
deS Hanses moralisch unmöqlich gcworden.
Das Dcbattiren über die Nechtsfrage hat nach
dcr Erklärung des Herrn v. Roon aufgehört,
und es handelt sich fortan — um mit scinen
eigenen Worlen zu sprechen — lediglich um
die Existenzfrage. Die Mittel des Landes
zum Widerstaude gegen das Bismarck'sche Sy-
stem sind einstwcilen erschöpft, und wir schauen
bis jetzt vergedlich um, welche Ereigniffe die
Entwickelung der Dinge in Preußen heilsamen
Bahnen zulenken können.
Heidelberg, 31. März. Die Absicht,
in Malsch bei Wiesloch eine Gährung unv
Aufregung hervorrufende Versammlung zu hal-
ten, das Bestreben, die illcgale Wühlerei und
Hetzerei unter der Firma „Gewisscnsfreihcit"
beharrlich fortzusetzen, beweisen deutlich genng,
daß die Mannheimer Vorfalle nicht im Stande
waren, die hicrarchische Partei auf an-
dere Gcdanken zu bringen. Die Führer der-
selben sagen: „wir sind nicht hartnäckig und
noch weniger verftockte Sünder, wir sind nur
conjequente Leute, die stch ihre katholischen
Principien und Anschauungen nicht so leicht
übcr den Haufcn werfen laffen; von Prote-
ftanten wollen wir nicht belehrt sein nnd noch
weniger von freisinnigen Katholiken!^ In
seincr Broschnre übcr Gewissens'frciheit, die
nach allen Nichtungen hin versandt wurde, hat
sich ein Hänptling der katholischen oder viel-
mehr hierarchischen Coalition über diesen Punkt
mit bemerkenswcrther Offenheit ausgesprochen.
Er sagt nämlich: So wenig sich die preußische
Fortschrittspartei von Herrn v. BiSmarck be-
lehren läßt, eben so wenig laffen wir nnö von
dem gegenwärligen badischen Ministerium be-
lehren! Das letztere ist nicht ausdrücklich gc-
nannt, jedenfalls aber gcmcint. Deutlicher kann
man sich wohl nicht ausdrückcn. Und in der
That, von CarlSruhe auö wollcn diese Leute
nicht belehrt sein, wcit eher von Freiburg, von
Mainz oder von Rom aus. Nur in der be-
rühmten Stadt an der Tiber hat man von
jehcr verstanden und begriffen, was den Ka-
tholikcn Deutschlands heilsam und förderlich
ist, nur dort weiß man dercn Anliegen zu
würdigen und ihre berechtigtcn Wünsche zu er-
füllcn; die Geschichte der vcrgangenen Jahr-
hunderte gibt uns hierüber dic überraschend-
sten Belrge und Ausschlüffe. Wie einst vom
Sinai und später von Zion die Belehrung
I ausging für ganz Jsrael, kann nach strengen
I ZuchtbauSstrafe von 3 Iahren verurtheill. (B. L.)
j . -
* Literarifches.
Das unter dem Titel „Unsere Zcit" schon seit
einer Reihe von Iahrcn im Verlage von F. A.
Brockbaus in Leipzig erscheinende „Iahrbuck zum
Eonversations-Lexikon" hat fich bekanntlich einer
so großen Verbreitung und Beachtung in allen
Kreisen zu erfrcuen gehabt, wie fie deutschen Un-
ternchmungen solcher Art höchst selten zu Theil
wird. Mit dicsem Iahre hat dtc Verlagshandlung
eine „Neue Folge" desselben unter dem etwaS ver-
ändcrten Titet: „Unsere Zeit. Deutsche Revue
der Gegenwart. Monatsfchrift zum Conver-
sations-Lexikon" begonnen, welche von dem kürz-
lich von Breslau nach Lripzig übergcfiedelten, als
Literaturhistoriker und Publictst wie als Dichter
rühmlichst bekannten Hofrath vr. Rndolph Gott-
schall herausgegcbrn wtrd.
Das erste Heft, welches uns zur Ansicht vor-
liegt, ist cbenso rrichhaltig wie mannichfach und
behandelt verschiedenartge, sämmtlich zeitgemäße
Stoffe. Gin erster Artikel über „Das Leben
KmsiierküiidigilNgSblatt für den Kreis Hcidclberg und amtliches
Gerichtsdezirkc Heidelberg und Wicsloch Mü
N 7?»
Loniitag, 2 April'
S8KL
Beftellungen nuf die „Heidetberger
Aeitung" nebst Beilaqe „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit F.
Aprit 18VS begonnene 2. Quartal
werden fortwährend angenommen.
Die Expedition
* Politische llmschau.
Jn Hamburg ist das Gerücht verbreitet, daß
in Folge dcr bekannten Frankfurlcr Vorgänge
binnen wenigen Tagen 15,000 Mann preußi-
scher Verstärkungslruppen über Hamburg nach
Schleswig-Holstein marschiren werden.
Die Wiener „Presse" bemerkt zu den letzten
schlcswig-holsteinischcn Beschlüssen der würtem-
bergischen Kammer: „Wir schätzen die Kund-
gebung dcr würtembergischen Kammer ihrcm
vollen Wcrthe nach. Aber wir hüten uns doch,
sie zu überschätzen. Führt sie zu eiuer gemein-
samen Action der deutschen Mittelstaaten, ist
sie ein ernstcr bedcutsamer Schritt. der zu zehn
bedeutsameren führt, so kaun sie beanspruchen,
einst einen geseierken Platz in der dcutschen
Gcschichte einzunehmen. Bleibt sie aber ohne
weitere Folgen, so ist sic eben eine Blase, ent-
standen in einer Minule, geplatzt in einer an-
dern, die über den Tag hinauS keine Wirkung
ausübt."
Die niederländische Regicrung hal sich bereit
erklärt, den auf den niederländischcn conven-
tionellen Gewässcrn bestehenden Lootsenzwang
auszuheben. Damit ist die Bedingung crfüllt,
welche di^ Regierungen auf den Stromstrecken,
wo noch der Steuerzwang besteht, für die Auf-
hebung desselben gestellt hatten. Es ift zugleich
beantragt worden, die Befreiung der Schiffahrt
vom Steuermanns- und Lootseuzwange vom
1. Juli d. I., also von dem Zeitpunkte an
eintreten zu lassen, mit welchem der neue Tarif
des Zollvereins und der Vertrag mit Frank-
reich in Kraft treten. Hoffcnttich werden sämmt-
liche Rheinuferstaatcn diesem Antrage bei-
stimmen.
Dänemark w^d in Zukunft am Bundes-
tage durch seinen Gesandten in Berlin ver-
treten sein.
Jn Genf hat stch die Aufhebung dcr zwangS-
weisen Häuserversicherung bewahrt; es brennt
höchst sclten mehr. — Auf die Anfragen Zürichs,
über die Wirkungen dcr Aufhebung der Wucher-
Schwurgerichtsoerhandlungen.
Offenburg, 23. März. Eine verschmitzte Gau-
nerin, Anna Maria Itzin von Auggen, stand
heute, mehrfacher Diebstähle und Betrügereicn an-
geklagt, vor den Schranken des Gerichts. Obwohl
erst 19 Iähre alt, ist diese Person, dercn äußere
Wohlgestalt ihr bei der Ausführung ihrer Vergehen
großen Vorsckub geleistet, sckwn früher zweimal
wegcn Diebstahls bestraft worden. Vom Monat
September v. I. an unternahm fie, in Mühkhau-
sen im Elsaß beginnend, einrn förinlichen Streif-
zug von Süden nach Norden durch unser Groß-
herzogthum, indem fie von Mühlhausen nach Frei-
burg, von da nach Lahr, Offenburg, Karlsruhe
und Durlach fich verfügte, in allen diesen Städten,
unter Annahme eines falscken Namens und unter
Vertrauen mitleidiger Menschen einzuschmeicheln
wußte, und dann, nach mehrtägigem Aufenthalt,
von thren Wohlthätern fick entfcrnte g,nd denselben
zum Andenken die Gcwißheit hinterließ, von ihr
brstohlen worden zu sein. Vor dem Gerichtstisch
gesetze haben mehrere deutsche Regierungen fich
dahin übereinstimmend anSgesprochen, daß diese
Maßrrgel kcinen Einfiuß auf die Erhöhung
des ZinSsußeS gchabt habe.
Der polnische General Langicwicz, begleitet
vom General Leon Plater, ist in Bern einge-
troffen, um dem Bnndesrath seinen Dank sür
die von der Bundesbehörde zu seiner Freilas-
sung gethanen Schritte auszusprechen.
Nach der „France" belief sich der Effectiv-
bestaud der päpstlichen Truppen am 1. v. M.
auf 8691 Mann allcr Grade und der verschie-
dcnen Waffengattungen.
Aus Rom wird die Nachricht bestätigt, daß
General Graf v. Montebello dem Kriegömini-
ster in Paris crklärt hat, daß wenn das unter
seinem Befchl stehende Besetzüngsheer irgcnd
eine Lermindernng erleide. er nicht mehr für
dic Aufrechthaltung der Ordnung im ganzen
römischen Staatc einstehen könne und daß cr
seine Rückberufung verlangen werde, wenn die
Regierung glaubcn solltc, anders handeln zu
müssen.
Die Commiffion der italienischen Deputirten-
kammer beantragt die Unterdrückung aller Klö-
ster, mit Ausnahme einiger wenigen als nützlich
anerkannten; die Verwandlung ihrer Güter in
Neuten, welche den Gemeinden gegeben werdcn
sollen und dencn die Klöster gehören; die Auf-
hcbung der geistlichen Kassen, und die Um-
wandlung der Güter der weltlichen Geistlichkeit
in Renten, welche durch erwählte Ausschüsse
verwaltet werdeu sollen; endlich die Vermin-
derung der Bischöfe von 200 auf 59. einer
für jede Provinz.
D e u t s ch l a u d.
ö' Heidelberg, 28. März. Nach Mit-
theilungen aus Bcrlin tritt dort vor den be-
rüchtigt gewordenen Aeußerungen des Kriegs-
ministers Roon im preußischen Abgeordneten-
hause jedeS andere Jntereffe zurück. Auf daS
Haus sollen sic den Eindruck gemacht haben,
als ob der Minister zum mindesten eine Ver-
änderung des Wahlgesetzes auf dem Wege oc-
troyirender Jnterpretation hade ankündigen wol-
len. Zedenfalls hat diese Drohung — und das
ist ihre folgenschwerste Bedeutung — die Mög-
lichkcit eineS Compromisses, die bis dahin im-
mcr noch offen stand, abgeschnitten. Unter
dem Druckc derselben ist das Entgegenkommen
ständen a'ufgestaprlt, welche von der Angeklagten
auf solche Weise angesammelt worden waren. In
Durlach entwendete fie eincm Uhrmacher, der nicht
wenig Lust hatte, um ihre Hand zu werben, baare
70 fl. Ihre lctzte Spitzbüberei führte fie in Mann-
hrim aus, wo sir an einem ftürmiscken Rovembrr-
reiche Wirthstochter aus Müllheim, Namens Ama-
lie Maier, ausgab, und 14 Tage lang cin reckft
behäbiges Leben führte, dcssen Kostenbetrag mit
etwa 50 fl. zu den unbeibringlichsten aller Wirths-
rcckmungen gezählt werden muß. Sobald fie merkte,
daß fich ihr Incognito in Mannheim nicht langer
behaupten lasse, nahm sie ihren Rückzug nach Hei- j
delberg, woselbst fie an der AuSführung neuer !
Schwindeleien durch Verhaftung gehindert wurde. !
Vor der Strafkammer führte fie die Rolle eines j
reumüthigen, schüchternen MädchenS (sie brfindet !
fich zur Zeit in sehr vorgerückten grsegneten Um- !
ftändcn) ganz folgerichtig durch. Sie wurde, drn ^
deS Hanses moralisch unmöqlich gcworden.
Das Dcbattiren über die Nechtsfrage hat nach
dcr Erklärung des Herrn v. Roon aufgehört,
und es handelt sich fortan — um mit scinen
eigenen Worlen zu sprechen — lediglich um
die Existenzfrage. Die Mittel des Landes
zum Widerstaude gegen das Bismarck'sche Sy-
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bis jetzt vergedlich um, welche Ereigniffe die
Entwickelung der Dinge in Preußen heilsamen
Bahnen zulenken können.
Heidelberg, 31. März. Die Absicht,
in Malsch bei Wiesloch eine Gährung unv
Aufregung hervorrufende Versammlung zu hal-
ten, das Bestreben, die illcgale Wühlerei und
Hetzerei unter der Firma „Gewisscnsfreihcit"
beharrlich fortzusetzen, beweisen deutlich genng,
daß die Mannheimer Vorfalle nicht im Stande
waren, die hicrarchische Partei auf an-
dere Gcdanken zu bringen. Die Führer der-
selben sagen: „wir sind nicht hartnäckig und
noch weniger verftockte Sünder, wir sind nur
conjequente Leute, die stch ihre katholischen
Principien und Anschauungen nicht so leicht
übcr den Haufcn werfen laffen; von Prote-
ftanten wollen wir nicht belehrt sein nnd noch
weniger von freisinnigen Katholiken!^ In
seincr Broschnre übcr Gewissens'frciheit, die
nach allen Nichtungen hin versandt wurde, hat
sich ein Hänptling der katholischen oder viel-
mehr hierarchischen Coalition über diesen Punkt
mit bemerkenswcrther Offenheit ausgesprochen.
Er sagt nämlich: So wenig sich die preußische
Fortschrittspartei von Herrn v. BiSmarck be-
lehren läßt, eben so wenig laffen wir nnö von
dem gegenwärligen badischen Ministerium be-
lehren! Das letztere ist nicht ausdrücklich gc-
nannt, jedenfalls aber gcmcint. Deutlicher kann
man sich wohl nicht ausdrückcn. Und in der
That, von CarlSruhe auö wollcn diese Leute
nicht belehrt sein, wcit eher von Freiburg, von
Mainz oder von Rom aus. Nur in der be-
rühmten Stadt an der Tiber hat man von
jehcr verstanden und begriffen, was den Ka-
tholikcn Deutschlands heilsam und förderlich
ist, nur dort weiß man dercn Anliegen zu
würdigen und ihre berechtigtcn Wünsche zu er-
füllcn; die Geschichte der vcrgangenen Jahr-
hunderte gibt uns hierüber dic überraschend-
sten Belrge und Ausschlüffe. Wie einst vom
Sinai und später von Zion die Belehrung
I ausging für ganz Jsrael, kann nach strengen
I ZuchtbauSstrafe von 3 Iahren verurtheill. (B. L.)
j . -
* Literarifches.
Das unter dem Titel „Unsere Zcit" schon seit
einer Reihe von Iahrcn im Verlage von F. A.
Brockbaus in Leipzig erscheinende „Iahrbuck zum
Eonversations-Lexikon" hat fich bekanntlich einer
so großen Verbreitung und Beachtung in allen
Kreisen zu erfrcuen gehabt, wie fie deutschen Un-
ternchmungen solcher Art höchst selten zu Theil
wird. Mit dicsem Iahre hat dtc Verlagshandlung
eine „Neue Folge" desselben unter dem etwaS ver-
ändcrten Titet: „Unsere Zeit. Deutsche Revue
der Gegenwart. Monatsfchrift zum Conver-
sations-Lexikon" begonnen, welche von dem kürz-
lich von Breslau nach Lripzig übergcfiedelten, als
Literaturhistoriker und Publictst wie als Dichter
rühmlichst bekannten Hofrath vr. Rndolph Gott-
schall herausgegcbrn wtrd.
Das erste Heft, welches uns zur Ansicht vor-
liegt, ist cbenso rrichhaltig wie mannichfach und
behandelt verschiedenartge, sämmtlich zeitgemäße
Stoffe. Gin erster Artikel über „Das Leben