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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 Februar
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UMlbrrgtr Zrilung.

Kreisucrkündigungsblatt snr den Kreis Heidclberg und UiNtlichcs Verküuaigungsblatt für die Aints- Md Aints-
Gcrichtsbezirke Heidelbcrg und Wiesloch und den AmtsgcrichtSbezirk Neckargemünd.

N S«


Dienstag. 28 Februar


* Politische Umschan.

Rach emcr Mittheilung der „Norddeutichen
Allgem. Zeitg". ist am 23. Febr. eine xreußische
Dexcsche, enthalteud dic Bcdingungen zurSicher-
stellnng der preußischen, sowie.dcr deutscheu
Zntcressen in den Elbherzogthümcr», nach Wien
abgegangen.

AuS Berlin meldei man, daß der Zustiz-
minister lebhast wünscht, seinen Rücktritt zu
nehnien.

Die Berliner „Börsenhalle" meldet aus eincr
angeblich gutunterrichteten Kieler Quellec Die
Nachricht, daß Schleswig und Kiel österrcichische
Mitbesatzung erhalten haben, sei völlig erfundeu.

Die „Bank- und HandelSztg." in Berlin ver-
nimmt, daß in Kurzem xreußische Commissüre
nach KarlSrnhc abreisen, um mit Bevollmächtig-
teu WürtembergS und BadenS über die An-
schiüsse dcr würtembergischen, badischen nnd
hohenzollern'schen Bahncn, worüber man in
den Grundlagen bcreits einig sei, zu verhandeln.

Gegenüber entgegeustehenden Behauxtungen
vcrsichert das „Dresdcner Zournal", daß weder
von DreSdcn noch von München aus dem Erb-
prinzen von Augustenburg dic Appellation an
die curopäischcu MLchte angerathen wurde.

Deutschland.

Karlsruhe, 2S. Febr. Es sind die großh.
Bezirksaniter angewiesen worden, den Pertonen,
welche Bittschriften nnd Eingaben gegen das
Gcsetz über die Schulaufsichtsbehörden entweder
unmittelbar Allerhöchsten Orts eingereicht, oder
an das großherz. Staatsministerium gerichtet
haben, in einer entsprechenden Weise einen Be-
scheid zu geben. Das großh. Ministerium des
Jnnern hat den Bezirksämtern gleichzcitig in
cinem eingehenden Erlaß die GesichtSpunkte be-
zeichnet, welche von denselben den Bittstellcrn
gegenüber ' hervorzuheben sind, und wornach
solche über den gänzlichen Ungrund der Be-
sorgnisse aufzuklären sind, als ob Seitens der
großh. Regierung und der Landesgesetzgebung
der Freiheit der Gewissen und den Jnteressen
der katholischen Religion irgcndwie feindselig
gegenüber getreten werden könnte.

Der Erlaß des großh. Ministeriums des
Jnnern an die großh. Bezirksämter lautet im
Wesentlichen:

Von einer Anzahl katholischer Einwohner
aus verschiedcnen Gemeinden des Landes wur-
den Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog Bitt«
schristen überreicht, welche ihrem wescntlichen
Jnhalte nach theils Besorgnisse darüber aus-
drücken, daß durch die Wirksamkeit des Gesetzes
vom 29. Juli v. I. über die Aufsichtsbehörden
für die Volksschule die Gewissensfrciheit beein-
trächtigt würde, und daran verschiedene Wünsche
knüpfen, theils auch um die Aufhebung dieses
Gesetzes bitten.

Se. Königl. Hoheit der Großherzog haben
mittelst allerhöchster Entschließung aus großh.
Geh. Cabinet vom 27. Jan. d. I., Nr. 210,
diese Bittschriften anher übergeben und gnä-
digst anzuordnen geruht, daß die Bittsteller
über den Ungrund ihrer Besorgnisse belehrt
werden.

Se. Königl. Hoheit der Großherzog haben
dabei insbesondere befohlen, daß bei der Ver-
bescheidung der Petenten unzweideutig hervor-
gehoben werde, wie die Verfassung des Landes
für Wünsche der Staatsangehörigen in Bezug
auf die Gesetzgebung und deren Aenderung und
tür die Beschwerden der Staatsbürger einen
klar vorgezeichneten Weg angeße und eine be- >

stimmte Vertretung der Staalsangchörigen in
dieser Hinsicht anordne. Diese allerhöchste An-
ordnung gilt selbstverständlich auch für die seit-
her eingekommenen Bitlschriften.

Die Vorstände der großh. Bezirksämter, aus
deren Bezirken von Amtsangehörigen solche
Bittschriflen eingereicht worden sind, werden
daher angewiesen, die Bittsteller in geeigneter
Weise perjönlich übcr die irrthümlichen Vor-
stellungen zu belehrcn, welche über den Geist,
die Absicht und den Jnhalt des Gesetzes ver-
breitet worden sind, und welche allein der Anlaß
sein können, wenn sich die Bittsteller wegen
dieses Gesctzcs irgendwie beunruhigt fühleu.

Dabei werden folgende Gesichtspunkte im
Wesentlichen der Belehrung zu Grunde zu
legen sein.

Das Gesetz vom 29. Juli v. Z. ist ein Be-
standtheil des geltenden Landesrechts und kann
darnach nur auf verfassungsmäßigem Wege
wieder aufgehoben oder geändert werden. Wenn
manche der Bittschriften als einen durch die
Verfassung zugelasscnen Weg die Erlassung
eines provisorischen Gesctzes bczeichnen, so hat
zwar allerdings der H 66 der Verfassungsur-
kunde die Zulässigkcit provisorischer Gesetze vor-
behalten; in dcm vorliegenden Falle aber auf
ein provisorisches Gesetz verweisen, heißt die
wesentlichsten Grundlagen unseres Verfassungs-
rechtes mißverstehen, und eine der unerläßlich-
sten Bedingungen der staatlichen Ordnung und
der bürgerlichcn Freiheit verkennen. Durch
provisorische Gesetze, wclche ohne Mitwirkung
der Landständc erlassen wcrden, soll für ein
augenblicklicheS dringendes Bedürfniß gesorgt
werden, bis die Kammcrn zusammcnberufcn
werden können; es wäre aber einc mehr als
bedenkliche Verletzung des Wortlautes des Geistes
und dcs Sinnes der Verfassung, wenn ein
Gesetz, das erst vor wenigen Monaten mit Zu -
stimmung fast sämmtlicher Mitglieder in beiden
Kammeru erlassen worden ist, jetzt durch cinen
einseiligen Acl der Regierung wieder aufge-
hoden würde.

Die großh. Regierung kann ein solches An-
sinnen, die Schranken der Verfassung zu durch-
brechen, L-eitens der Bittsteller nur durch die
Unkcnntniß derselben mit der wahren Sachlage
entschuldigen. Kein Rath der Krone, welcher
es auch sei, könnte die Verantwortlichkeit eines
solchen Schrittes auf sich nehmen, welcher noch
die weitere Folge hätte, daß, wenn die zusam-
mentretenden Stände dem ihnen verfassungs-
gemäß vorzulegenden provisorischen Gesetze die
Zustimmung versagten, eine endlose Verwirrung
in einem der wichtigsten Zweige der Verwal-
tung entstünde.

Mag der Einzelne auch auf das lebhafteste
überzeugt sein, daß der Jnhalt eines bestehen-
den Gesetzes nicht zu billigen ist, er muß das-
felbe, so lange es besteht, befolgen, und darf
nicht weiter gehen, als an seiner Stelle für
eine verfassungsmäßige Aenderung desselben zu
wirken. Niemand ist, der nicht einsehen wird,
daß kein Staat und keine Gesellschaft bestehen
könnte, wenn das Belieben des Einzelncn über
die Geltung der Gesetze entscheiden könnte. Nach
der Verfassung unseres Staates, deren Heilig-
haltung die Pflicht und das Jnteresse aller
Staatsangehörigen gleichmäßig ist, kann die
Regierung in letzter Reihe keine andere Stimme
sür die Wünsche des Landes anerkennen, als
den verfassungsmäßigen Ausspruch der Kam-
mern.

Was die Besorgnisse über das Schulaufsichts-
gesetz betrifft, welche die Biltschristen äußern,
so müssen dieselben als grundlos bezeichnet wer-

s den. Das Gesctz über die SchulaufsichtSbehör-
den ist unmittelbar veranlaßt durch das Kirchen-
gesetz von 1860, welches in Erfüllung eineS
gcrade von der katholischen Kirchengewalt vor-
zugswcise gehcgten Wunsches den Kirchen in
, ihrem Kreise volle Selbstständigkeit einräumte,
und namentlich auch die kirchlichen Diener in
Bezug auf ihre kirchliche Amtsstellung der Dis-
ciplinargewalt entzog, welche die Staatsregie-
rung vorher geübt hatte. Jn der Durchführung
diefes Gesetzes mußte auch für die Schule die
frühere Ordnung, nach welcher die Geistlichkeit
mit der untern und 'mittlern Aufsicht über die-
sclbe, und zwar durch den Staat und un-
ter der Dienftgewalt der Staatsregie-
rung beauftragt war, nothwendig geändert
werden, da die Staatsregierung nicht mehr in
! der Lage war, die Geistlichen von sich aus als
ihre Diener zu behandeln. Das Schulaufsichts-
^ gcsetz beschränkt sich darauf, die Folgcrungen
^ auS diesen für die Kirchengewalt so günstigen
l Aenderungen zu ziehen. ES thut dies noch
überdics in einer Weise, wclche auf das un-
zweideutigste zeigt, welchen hohen Werth die
Regierung fortdauernd auf die Mitwirkung der
Geistlichkeit bei dem gesammten Volksrmterricht
legt, und wie sehr sic bestrebt ist, die religiöse
Seite des Unterrichts in der Volksschule zu
pflegen. Es ist in der That unbegreiflich, daß
desscnungeachtet die Absichten der großherzogl.
Staatsregierung verdächtigt, und nnterstellt
werden will, als biete dicses Gesetz eine Hand-
habe zur Beeinträchtigung des religiöscn Unter-
rsthts und dcr religiösen Erzichung der Katho-
liken. Ausstreuungcn in dieser Hinsicht können
nur die Folge der Verblendung und die Mittel
eincr Agitation sein, wclche sich bestrebt, unter
dem Vorwand einer Gcfahr für die Religion
die Leidenschaften zu erregen.

Dcr Jnhalt des GesetzeS und der dazu ge-
hörigen Vollzugsverordnungen ist bekannt. Den
Kirchen ist der umfassendste Einfluß auf das
Volksschulwesen mit Bereitwilligkeit und aus
freier Ueberzeugung darin eingeräumt. Die
großh. Regierung hat vor Allem die confessio-
nelle Volksschule unverändcrt erhalten, und sie
hat demzufolge die Lehrer der Confession fort-
dauernd zum Religionsunterricht verpflichtet,
zu dessen Ertheilung sie die nöthige Vorberei-
tung erhalten. Sie sieht eine thätige Theil-
nahme der Geistlichen an dem ReligionSunter-
richt mit Genugthuung. Das Gesetz hat für
die Leitung der Volksschule die eiufiußreiche
Mitwirkung der Kirchen gesichert, den Geist-
lichen die Ueberwachung und Ertheilung ves
als wichtigsten Unterrichtsgegenstand anerkann-
ten Religionsunterrichts gesetzlich garantirt.

Der religiösen Ueberzeugung der Katholiken
ist in dem Schulaufsichts-Gesetz nicht nur nicht
zu nahe getrcten, sondern sie ist durch dasselbe
aufs neue geschützt. Jndem die confessionelle
Schule festgehalten wird, ist ausgesprochen, daß
an der katholischen Volksschule nur katholische
Lehrer angestellt werden; über deren religiösen
Unterricht übt die Kirche selbst die Aufsicht;
der Orts-Schulrath, zu dessen Vorsitz der Geist-
liche nach der Bestimmung der Staatsregierung,
wenn irgend thunlich, berufen werden soll, ist
aus Katholiken gebildet. Nimmer aber kann
die katholische Volksschule unter der theilneh-
menden Sorge der katholischen Familienväter
leiden, welche die Erziehung und Bildung ihrer
Kinder ihr selbst anvertrauen,

Die grdßh. Regierung kann mit vollster Be-
ruhigung aussprechen. daß ihre Absicht auf die
Herstellung einer tüchtigen Schule, auf die
Heilighaltung der religiösen Unterweisung in
 
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