Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 51-77 März
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0329

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ukidtlbtrgtr Zrilung.

Kreisverküilüigungsblatt für ben Kreis Hcidelberg und amtliches Berkündigungsblatt für die Ainls- und AnttS-
Gerichtsbezirke Hcidelberg unü Wiesloch und den Amtsgerichtsbezirk Neckargemünd.


M 7«


Donnerstag, 3« März


t8«S

* Politifche Nmschau.

Der Abgeordnete Dr. Lang in Wiesbaden
hat gegen den nassauischen Staatsminister Prin-
zen von Wittgenstein eine Ehrenkränkungsklage
erhoben. Der Ankläger behauptet nämlich, der
StaatSministcr habe sich ehrenrührige Aeußer-
ungen gegen ihn erlaubt, als er von einer
Deputation dortiger Einwohner um Aufhebung
der Suspendirung der „Mittelrhein. Zeitung"
angegangen worden sei. Das Justizamt hat
die Klage zurückgewiesen, und gegen die Ent-
scheidung ist Recurs an den Criminalsenat des
Appellationsgerichts ergangen, dessen Resolu-
tion mit Spannung erwartet wird.

/ Auf die Mittheilung, daß Oesterreich seinen
tommissär in den Herzogthümern beauftragt
habe, gegen den von Preußen freigestellten Ein-
tritt schleswig-holsteinischer junger Leute in die
preuß. Armee Einsprache zu erheben, erwidert
die BiSmarck'sche N. A. Z.: sie vermöchte keinen
rcchtlichen Grund abzusehen, kraft dessen Je-
manden ein derartiger sreiwilliger Eintritt in
die preußische Armee von irgend einer Seite
untersagt werden könnte, ebenso wenig als
Preußen seinerseits sich in dieser Bcziehung
Einsprüche gegen einen Eintritt in die öfter-
reichische Armee erlauben würde.

Das Gerücht, König Victor Emanuel reise
nach Lyon, um hier mit dem Kaiser Napoleon
zusammenzutreffen. ist grundlos.

Jn dem am 27. d. M. abgehaltenen Consi-
storium hat der Papst 24 Bischäfe präkonisirt.

D e n t s ch l a rr d.

-j- Heidelberg, 29. März. Gestern Abend
fand dahier im untern Saale der Harmonie
wiedcr eine Versammlung des Protestanten-
vereins statt, wozu sich auf die vorher ergan-
gene Einladung erfreulicherweise eine große An-
zahl Mitglieder und Freundc der Sache ein-
fanden. Der Vorstand, Herr Stadtpfarrer
Schcllenberg cröffnete diesclbe mit einigen
Worten über die Tagesordnung. Der erste
Gegenstand war die Ergänzung des VorstandeS,
da statutengemäß drei Mitglicder durch's Loos
ausgeschicden warcn. Auf Vörschlag des Hrn.
Decan Zittel wurden dieselben durch Accla-
mation wieder gewählt. Es sind dies die Herren
Schellenberg, Pagenstecher sen. und Fremerey.
Sodann wurden die Aenderungen der Satzungen
des Ortsvereins festgestellt, welche in Folge der
Veränderungen der Statulen deS Hauptvereins
nöthig wurden. Das Wesentlichste hierbei ist,
daß nunmchr jedes Mitglied des Ortsvercins
ebendadurch auch Mitglied des Hauptvereins
wird, und daß der Beitrag von 30 auf 36 kr.
erhöht wurde. Auch wurde noch ein Schluß-
paragraph beigefügt, nach welchem Ortsmitglie-
der außerdem durch einen Beitrag von 1 fl.
10 kr. zur Kasse des Hauptvereins Mitglieder
deffclben werden können. ES erfolgte hierauf
der Vortrag des Herrn Decan Zittel „über
die Grenzen der Lehrfreiheit", ein Gegenstand,
der zwar, wie der Redner bemerkte, schon auf
der Conferenz in Durlach aiksführlich behandelt
wurde, aber durch das wühlerische Treiben der
Pietistischen Conventikel von Neuem zur Be-
sprechung Anlaß erhielt. Er schildert die jesui-
tische Art und Weise, wie dieselben das Volk
glauben machen, die freiere Richtung in der
Prot. Kirche gehe mit ihrer „Lehrfrciheit" dar-
auf aus, allen Glauben an Gott und göttliche
Dinge aus dem Herzen des VolkeS zu reißen,
ja, die Kirche zu einem Pfuhl der Sünde und
des LasterS zu machen, und beklagt den Erfolg,

den ihre Petitionen unter den irrcgeleiteten
Landleuten finden, indem viele Tausende unter-
zeichnen, in der Hoffnung dadurch die gefährdet
geglaubten heiligsten Güter zu erhalten. Der
Nedner charakterifirt hierauf die sog. Bekenntniß-
schriften, auf welche die Orthodoxen ihren
Glauben hauptsächlich bauen und weist ihre
Ungenügenheit schon aus dcm Umstande nach,
daß keiue derselben genügte, dell Frieden in der
Kirche zu begründen, sondern immcr wieder
neue Glaubensformelu gcschaffen wu^en. Auch
die Bibel häll er nicht für ein ünbedingtes
„Glaubensgesetz", sondern für die Geschichte der
Entwicklung des religiösen Lebens vor und zur
Zeit Christi, für die „Geschichte" der Offen-'
barung. Desseuungeachtet müffe die Lehrfrei-
heit hinsichtlich ihrer in so fern ihre Grenzen
haben, als die Fundamente der Kirche, die
Grundlagen des religiös-stttlichen Lebens nicht
angetastet werden dürften. Er macht auf den
Widersinn der gegnerischen Behauptung auf-
merksam, daß man der Kirche, einer Anstalt die
Religion zu Pflegen, vorwerfen könne, sie wolle
das gerade Gcgentheil, nämlich die Neligion
vernichten, was einem Selbstmorde gleichkäme.
Auch nach der Seite des KatholiciSmuö hin
müsse den protestantifchen Jesuiten eine Grenze
gesteckt sein, da sie sich nicht schämten, ihre
eigcnc Kirche an dic römische zu verrathen.
Der Redner schließt unter Hinweisung auf die
in der letztcn Kirchengemeindeversammlung ge-
faßte Resolution, mil der Aufforderung, daß
Jeder einzeln an dicsem Kampfe Theil nehmen
und die Bemühungen des Ausschusses unter-
stützen möge.

Hr. Dr. Otto spricht seine Uebereinstim-
mung mit den entwickelten Grundsätzen über
die Beschränkung der Lehrfreiheit aus, insofern,
wie hier geschehen, sich dieselben auf die Kirchen-
genossenschaft, auf die Gemeinde, beziehen, wäh-
rend natürlich der theologischen Wissenschaft ein
viel freierer Spielraum gewährt werden müffe.
Er dankt dem Redner Namens der Versamm-
lung für dcn belehrendcn Vortrag und schließt
mit der Versicherung, daß gewiß gern Jeder
daS Seinige beitragen werde, um den Kampf
siegreich zu Ende zu führen.

Der Vorsitzende macht noch auf die Mittel
aufmerksam, um dieses Zicl zu erreichen, und
hält die Verbrcitung von Flugblättern für das
wirksamstc Mittel; zugleich theilt er mit, daß
Herr Dekan Dr. Zittel bereits mit der Ab-
fassung derselben beschäftigt sei. Hr. Geh. Rath
Welker gibt hierzu einige Andeutungen, daß
solche Flugblätter keine Polemik, sondern ein-
fache Belehrung über positive Thatsachen ent-
halten sollten. Zum Schlusse erinnert der Vor-
sitzcnde noch an die Lotterie für den Kirchenbau
in Salzburg und empstehlt die Theilnahme an
diesem christlichen Werke. — So wird auch
diese Versammlung sicher ihre guten Früchte
tragen.

Heidelberg, 26. März. Heute werden die
Arbciten einer Commission zu Ende gelangen,
welche seit einigen Tagen hier vereinigt ist, um
die nothwendige Revision der UniversitätSgesetze
vorzunehmen. Es stnd wohl zwei Jahre her,
daß zuerst in badischen Zeitungen der Wunsch
nach Aufhebung der sogenannten akademischen
GerichtSbarkeit oder doch wenigstens nach einer
gründlichcn Umformung derselben laut wurde.
Die badische Negierung fragte bei den Univer-
sitätssenaten von Heidelberg und Freiburg nach,
welcherlei Verändcrungen nöthig schienen, und
nachdem die von denselben ausgesprochenen Prin-
cipicn von Regierungswegen gebilligt worben,
trat zur AuSfertigung des eigentlichen Ent-

j wurfes eine aus Lchrern dcr beidcn Landes-
hochschulen bestehendc Commission hicr zusam-
! men, von dcren Arbeiten obcn die Rede war.
i An den Berathungen der Commission nehmen
von hier Geh. Rath v. Vangerow und der
Universitätsamtmann Courtin, von Freiburg
! der Geistl. Rath Maier und Professor Behaghel
Antheil.

Vom Neckar, 26. März. Der „Bad.
i Beobachter" erdreistet sich zu behaupten, daß
! ein großer Theil des Lehrerstandes auf Seite
der Kasinomänner stehe. Wie sehr er sich darin
geirrt, das beweisen die Erklärungen einer großen
Zahl von Lehrerconfercnzen: KarlSruhe, Dur-
! lach, Rastatt, Bühl, Lörrach, Ladenburg, Schopf-
heim, Engen, Ncckargemünd, namentlich aber
! Tauberbischofsheim; wir werden später darüber
berichten. Dem Beispiele dieser Conferenzen
folgen alle, ohne Ausnahme, das kann der
„Bad. Beobachter" bestimmt versichert sein.
Dcr Lehrerstand weiß es, wo die Wahrheit'
liegt; er weiß es, mit wem er es zu halten
hat; er kennt seine bisherigen sog. Freunde;
der Lehrerstand in ganz Deutschland fühlt es
und kämpft in Bayern, Preußen, Wür-
temberg, Hefsen, Kurhessen, Weimar
mit aller Energie, um von dem Joche deS
Klerus befreit zu wcrden.

Wie schön und wahr schreibt der Präsident
der allgem. deutschen Lehrerversammlung, Herr
Theodor Hoffmann in Hamburg, an einen
Lehrer in Baden: „Möchten nur Sie und recht
viele Collegen aus Baden in Leipzig erscheinen;
der frische Geist, der Jhr Land durchweht, wird
in Leipzig wesentlich auf Hebnng der Ver-
sammlung mitwirken, ja vielleicht dringend noth-
wendig sein, um Einflüsse fern zu halten, die
der Schule nie und nimmermehr zum Frieden
dienen. Der Kampf, der beiIhnen jetzt
durchgekämpft wird, ist bedeutungs-
voll für ganz Deutschland. Jch wünsche
Jhnen den vollständigsten Sieg. der ja nicht
darm besteht, den Feind zu vernichten, sondepn
nur ihn zu seinem eigcnen Besten, auf sein
eigenes Gebiet zurückzuführen."

Jn Bayern ist der Kampf gleichfalls heftig
entbrannt; die Reform-Freunde führen ihre
Waffen mit Muth, Mäßigung und Ge-
schick. Es ist eine furchtbare Jllusion von den
Kasinomännern, wenn sie die Hoffnung hegen,
den auf diesem Gebiete verlorenen Boden wieder
zu erobern; wo sie ihn noch besitzen, da wird
er ihnen ganz gewiß in Bälde entzogen,
sie mögen Himmel und Hölle in Bewegung
setzen und den nahen Untergang der Welt ver-
kündcn.

Frankfurt, 28. März. Jn der gestrigen
BundestagSsitzung gab auf den von Bayern,
Sachsen und Großherzogthum Hessen gestellten
Antrag, den wir bereits mitgetheilt, Prenßen
gleichzeitig eine sehr entschiedene Erklärung ab,
in der es die Unzulässigkeit einer Abstimmung
über die Ansprüche des Prinzen von Augusten-
burg hervorhob, da von Oldenburg u. Preußen
eine gleiche Behandlung für ihre Erbanfprüche
verlangt werden könnte.

Frankfurt, 28. März. Bei der Abstim-
mung über den preußischen Vorschlag, den
Antrag in her schleswig-holsteinischen Sache an
den Ausschuß für die holsteinischen Angelegen-
heiten zu verweisen, stimmten gegen Preußen:
Oefterreich, Sachsen, Würtemberg, Baden, Groß-
herzogthum Hessen, die großherzoglich und her-
zoglich sächsischen Häuser, Braunschweig und
Nassau, und die 16. Curie (Liechtenstein, Wal-
deck rc.). — Mit Preußen dagegen: Hanno-
ver, Kurheffen, Mecklenburg, Oldenburg und
 
Annotationen