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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0301

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KreistierkiiilüiWigMatt siir den Kreis Hcidelberg und amtliches Llerkiindigungsblatt für die Aints- und Aints-
Gcrichtsbezirkc Heidelbcrg und Wicsloch und dcn Aiutsgcrichtsbezirk Neckargenlünd.



Doi.nerstag. 28 März »""SL7L S 8KL.

Z Die Zukunftspolitik deS Tuilerien-
Cabinettes.

Mehrere Zeitungcn Deutschlauds und des
Auslaudes machen die russische Politik wieder
zum Gegenftand ihrer Enthullungen, ihrer Be-
trachtungcn, ihrer treffenden und nichl tresfen-
dcn Bcmcrkungen. Rußland soll Polen ganz
und gar einverleiben wollcn, soll darüber selbst
in Paris und London beinahe brüsk uud un-
genirt sprechen und in seinen Planen auf die
Unterstntzung Preußens und Oesterreichs rech-
nen. Die Wiener Zeitnngen beschäftigen sich
ganz offen mit dieser Angelegenheit und haben
dazu cine bcsondere Veranlassung. Rußland
soll so weit gcgangen scin, in Wien zu ver-
langen, daß Oesterreich dcn Belagerungsznstand
in Galizien aufrccht zu erhaltcn fortfahre,
damit Nußland seine Reorganisation, d. h.
Einverleibung von Congreßpolen in aller Un-
gestörtheit in's Werk sctzen könne. Was Mu-
rawiew in Lithauen mit rücksichtsloscr Energie
durchsctzt, kann als eine Einleitung dazu an-
gesehen w^rden. Die Wiener Blältcr waren
über cikle solche von Oesterrcich angeblich ver-
langte Dienstwilligkeit sehr ausgebracht und die
österreichische Regierung begnügle sich nicht, die
vorwitzigen Nachrichten und Mittheilungen einer
Londoncr Zcitung in der Wieuer Zeitung zu
dementiren, sondern kündigte an, daß dcr Be-
lagerungSzustand in Galizicn am 18. April d. I.
aufhörcn werde. Das war allerdings eiue deut-
liche, dem Petersburger Cabinet nicht ange-
nehme Antwort.

Die allerneuesten Nachrichten, welche dem
englischen Cabinette über das Vcrhältniß Frank-
reichs zu Rnßland, anf das man in der großen
Stadt an dcr Themse mit wachsamen Angen
blickt, zugcgangen sind, deuten auf eine neuer-
dingS stattgefnndene mcrkliche Annäherung
hin. Während noch vor ganz kurzcr Zeit das
sranzösische Cabinct sich sehr piqnirt zcigte, als
cs crsahren zu haben glanbte, daß die bekannte
FriedenSconscrenz zu Fort Monroc zwischcn dcm
Süden und dcm Präsidenten Lincoln zum größ-
ten Theil das Werk der russischen Diplo-
matie in Amerika gewesen sei, und daß es
namcntlich der rnssische Geschäftsträgcr war,
der beiden kriegführendcn Theilen cincn Angriff
auf Mexico alö Basis des gcgenseitigcn Com-

-j- Das wandernde Cafino.

Das wandcrnde Caftno, —

Es hat cs nicht bedacht, —

In Mannheim an dem Nhino
Hat's kcin Gcschäft gemacht.

In Sehwkck^) und Cylinder,

In schwarz und blaucm Rock',

Znm Schrccken für die Kinder
Bcwaffnct mit dcm Stock: ,

So kamen fie zu reiten
Im Monat Febrnar,

Sie tanzten einen Reigen
Dem Herrn von Roggenbach.

Da kamcn Pfeif' und Geigen
Unv dicke Brocken nach.

*) Der dreieckige Bauernhut.

promiffes vorgeschlagen habe, scheint im Gegen-
theil augenblicklich eine entgegcngesetzte Stim-
mung im Anzuge bcgriffen. Anlaß dazu soll
der gcgenwärtige Stand der schleswig-hol-
steinischen Frage scin. An der Existenz eincs
Vorschlags, gegen Rückgabe Nordschleswigs an
Dänemark den übrigcn Theil nebst Holstein an
Preußen zu gcben, mag dersclbe nun auS-
gegangen sein, von wem er wolle, zwcifelt kaum
Jemand mehr. Daß derselbe von Frankreich
unterstützt wird, ist ebenfalls eine ausgemachte
Sache. Frankreich will vor allen Dingen die
Stellnng der drci nordischen Mächtc, die sich
aus der polnischen Frage entwickelt hat, spren-
gen. Wohl erfahren und bewandert in den
Schlangenwindungcn der Staatskunst, hat das
Tuileriencabinet mit Schlangenklnghcit bis zur
Stnnde gezögert und gezaudert, in wohlberech-
netcr Zurückhaltung auf die verwickclte unklare
polnische Frage eine bestimmte deutliche Ant-
wort zu geben. Frankr-eich will Oesierreich
wieder isoliren, weil cs weiß, daß Kaiser Franz
Joseph einem Vorschlag nimmermehr zustimmen
wird, der einerseits eine Sanction des Natio-
nalitätSprincipS, andererseits einc Machlerwei-
terung für Preußen in stch schließt. Da nun
Preußen des russischen Beistandes sicher
zu sein glaubt, so ist es neucrdings einer Ver-
ständigung Nußlands mit Frankreich nicht ent-
gegen. Oesterrcichs Jsolirung und die Annähc-
rung Frankreichs an Rußland dürfte das Pro-
gramm der Zukunftspolitik des Tuileriencabi-
ncttes wcrden. Man bringt damit die That-
sachc in Verbindung, daß an alle Pariser Jour-
nale das Änsuchen gestellt worden ist, währcnd
der Adreßdebatte ini Senat ünd im gesetzgcben-
den Körper die p oln isch e Frage, die bedenk-
liche und delicate, nicht zu ventiliren noch zu
illustriren, weil es der Negicrnng für jetzt nur
Ungclegenheiten bereitcn könnte. Daß Nuß-
land diese Stimmung in Paris wohl benutzen
wird, nm sich Frankrcichs „Stillschweigen" zu
seinen Einverleibungsplanen des sog. Congrcß-
polcns zu vcrsichern, ift sicher anzunehmen.
Als man Napoleon dem Ersten von Poleus
Wiederhcrstellung sprach, erwiedcrte er: „Man
traue mir keine Ungereimtheiten zu! Aus
Polcn mache ich ein Lager, aber kein Forum!
Die trefflichen polnischcn Neiterschwadronen
sollcn die große Armee verstärkcn!" Und wie
der Oheim dachte, dnrfte mit zeitgemäßcn Mo-
dificationen und Abändcrungcn (mutati-, mu-

Den Hirten und den Schafen

Gefiel die M»fik sckleckt,

Das miinderte sie sehr.

„DaS Bier, das bürfe flteßen", -

Hicß es — „nach Herzenslust,

„Das Wort in ihrcr Brust."

Löst sich — in Nebel auf.

O! Wanderndes Cafino!

Die schöne Stadt am Rhein'

Ward dir zum Solferino

Und — würd' es immer srin!

tuucH-j) auch der sür dcn Cäsar und den
.Zar cingenommene Neffe denken.

* Politische Umschau.

Dic Zollvercinsregierungen sind auf den
29. März zu einer Zollconferenz nach Berlin
eingeladen. *

* Während eS in der letzten Zeit scheinen
mochte, als wcrdc der in Frankfurt zu stcllende
Antrag in der SchleSwig-Holsteinischen Sache
entweder gar nicht oder doch in einer Weise
zu Stande kommen, welchc wcnig mehr, als eine
Demonstration, gewissermaßen zur Wahrung
dcs Lnßeren Anstandes zu bedeuten hätte, haben
sich plötzlich Aussichten eröffnet, welche etwas
Ernsteres erwarten lasscn. Es wäre, wie sich
jctzt wicder die Dinge gestaltet haben, nicht un-
möglich, daß sich die Mittclstaaten zu cinem
Antrage cinigtcn, welchcr die endliche Erledi-
gung der schlcswig-holsteinischen Erbfolgefrage
in Änregung brächtc und direct auf den Hcrzog
von Augustenburg als dcn legitimirten Thron-
folger hinzeigc; auch ist sicher, daß Oesterrcich
einem solchen Antrag, bei dem jetzt etwaS ge-
spannten Verhältnisse zu Preußcn, obne Weiters
seine Zustimmung ertheilcn wnrde, und es
sollcn in dieser Hlnsicht bereits Erklärungcn
vorliegen. Die nächsten Tage werdcn in dieser
Bezichung die Entscheidung bringen, dcnn es
soll der betreffcndc Antrag am 30. d. Mts.
spätestcns gcstellt werden.

- Die „österr. Ztg." mcldet, daß die in WaS-
hington in Betreff Mexiko's geführten Verhand-
lnngen eine zufriedenstcllende Wendung nehmen.
Präsident Lincoln werde das mexikanische Kai-
scrreich nach Becndigung des Krieges aner-
kenncn.

Marschall Niel wird dieses. Jahr das Lager
von Chalons kommandiren.

Der Wetterprophet Mathieu (de la Drome)
ist gestorben.

Die Mehrhcit deS italicnischen SenatS ist
gegen die Abschaffnng der TodcSstrase.

D e tt t s cl- i a n d.

9 Hcidelberq, 19. März. Jn den beiden
letzten Sitzungen unseres evang. Ortsschulraths
kamen folgcnde Gegenstände zur Berathung:
1) Scbulentlassnng; in dieser Beziehung wurde
bcschlosscn, daß solche Schüler, die zwar das

(Der Börscnspecularit wider Willen.)
Der Börftnmakler Pestel in Paris hat in Folge
eincs an ihm versuchten Betruges 65,000 Fr. ge-
wonnen. Es wurde ihm vor vierzehn Tagen ein

Kaisers ihn beauftragt, Mobilier zu verkaufeu
und R- nten zu kauftn. Als die Liquidation herbei-
gekommen war, sendet Herr Pestcl 65,000 Fr. als

um den Gewinn einzucasfiren. Der Börsenmakler
ließ die beiden Gauner sofort festnehmen.

Aus der bayer- Pfalz, den 1t. Marz. Der
berühmte Klavierspieler Mortier de Fontaine
gibt gegenwärtig in dcn Stäeten der Pfalz Con-

des Wortes, spielt.
 
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