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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0251

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Ueidelbkrger Zeitmig.

Krcisverküiidiguilgsblatt für dcii Kreis Hcidclberg mid amtliches Äerküiidiguilgsblatt für dic Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelbcrg Md Wicsloch und Sen Aiiilsgerichtsbezirk Neckargeuiüud.

Nk S»


Zreitag, I« März


18«S

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch für den Monat
März mit 21 Kreuzern abonniren bei allen
Postanstalten, d.cn Boten und Zeitungsträgern,
sowie der Erpedition (Ächiffgasse Nr. 4).

* Politische Nmschan.

Ueber die augenblickliche Lage der schleSwig-
holfteinischen Angelegenheiten sagt die Wiener
„N. fr. Pr.": „Jn der Hauptsache wird uns
der Erfolg Preußens als entschieden bezcichnet,
und cs ist sogar wahrscheinlich, daß die in den
Herzogthümcrn stehenden österreichischen Trup-
pen in nicht gar langer Frist abberufen wer-
den, da unter den obwaltenden Umständen ihre
Anwescnheit „gegenstandlos" wird. Dic Abbe-
rufung wird natürlich erst erfolgen, nachdem
die Frage des österreichischen Mitbesitzes in den
Herzogthümern auf dem Entschädigungswege
geregclt sein wird. Wir beklagen es tief, daß
die Dinge sich so und nicht anders gestalten,
aber wir glauben, daß der Sache der Herzog-
thümer und Ocsterreichs in Deutschland mit
schönfärberischen illusorischen Nachrichten über
eine von Oesterreich unterstützte Action des
Bundes wahrlich kein Vorschub geleistet wird.
Solche Darstellungen, deren Zweck leicht zu
errathen ift, dienen nur Preußen, dcm die Ma-
nipulation durch die Erhcuchelung eincs östcr.
reichischen Widerstandes nur crleichtert wird.
Oesterreich billigt nicht und widerspricht nicht;
es läßt Preußen machen. Das ist unsere Po-
litik."

Die „Wiener Abendpost" stellt die Nachricht
der Londoner Morningpost, wonach Nußland
die Aufrechthaltung des Belagerungszustandes
in Galizien bis zur Durchführung der bcab-
sichtigten Emverleibung Polens verlangt haben
sollte — entschieden in Abrede.

D e n t s ch l a ii

Karlsruhe, 8. März. Wegen Ablebens
Jhrer Kaiserlichen Hohcit der verwittweten
Großherzogin Maria Ferdinanda von Toscana
legt der Großherzogliche Hof vvn heute an die
Trauer auf zehn Tage an, und zwar nach der
4. (Ltufe der Trauerordnung.

Karlsruhe, 8. März. Se. Kgl. Hoheit
der Großherzog haben untcrm,8. l. M. gnä-
digst geruht, den Oberamtmann Orff in Mos- !
bach, unter Verleihung des CharakterS alS
Regierungsralh, zum Mitglied des Verwaltungs-
hofs zu ernennen; dem Oberamtmann Hebting
in Schönau die Amtsvorstauds-Stelle in Mos-
bach und dem Amtmann Ostner in WaldShut
die AmtsvorstandS-Stelle in Schönau zu über-
tragen.

* Heidelberg, 8. März. Soeben wurde
nach nahezu 4stündiger Verhandlung das Ur-
theil verkündigt in der Ehrenkränkungsklage des
Hrn. Kfm. I. I. Lindau hier gegen Herrn
G. Mohr, verantwortlicher Redacteur deS Hei-
delberger Journals. Das Erkenntniß des Schöf-
fengerichts lautete auf Abweisung des Klägers
und Verurtheilung dcsselben in die Kosten.

Die Verhandlung begann um 9 Uhr, der
Zuhörerraum war dicht besetzt, erschicncn warcn
der Kläger und sein Anwalt Dr. Schulz, der
Beklagte und als scin Vertreter, Rechtsanwalt
Mays. Als Schöffen die Herrcn Kaufmann
L ass art von hier und G. Winter, Gemeinde-
rath aus Rohrbach. Der Vorsitzende, Amts-

richter Süpfle, eröffnete nach Vcreidigung der
Schöffen die Sitzung mit folgenden Worten:
Dcr vorlicgende Fall scheint, wic das zahlreich
anwesende Publrkum beweist, in hiesiger istadt
ein ganz besonderes Jnteresse erregt zu haben,
wohl veranlaßt durch eine gewisse aufgcregte
Partei. Jch sehe mich daher veranlatzt, die
Erwartung auszusprechen, daß die anwescnden
Zuhörer den der Würvc des Gerichts entsprc-
chenden Anstand wahrcn werden, und die für
solchcn Faü geltenden Beftimmungen der St.-
P.-O. vorzulesen. (verliest)

AlS Zeugen werden gcnannt die anwesenden
Kaufm Th. Gätschenberger, Assistenzarzt Dr.
Fischer, Musikdir. Beck, Kaminfeger Walter,
Prof. Dr. Vering, Stud. Aloys Gihr, Kfm.
F. Popp. Rechtsanwalt Dr. Schulz trägl die
Anklage vor und verliest zwei Artikel deö Heidel-
berger Journals, wclche die Klage auf Ehren-
kränkung und Verläumdung des Hrn. Z. I.
Lindau begründcn sollen; cr bemerkt, diesen
Artikcln scien ähnlichc vorhergegangen, wie denn
überhaupt dieses Blatt sehr gesinnungstüchtig
sei und stets auf derselben Flöte spiele. Die
crste mächtigere Erruption desselben sei am 25.
Januar erfolgt. Die Kraft der Schmähungen
dieser Artikel bedürfe einer nähern Begründung
nicht; wenn man einen Menschen und seine
Handlungen unverschämt, perfid, infam nenne,
von seiner gemeinen Stirn rede, ein Pfui über
ihn ausrufe. ihn mil seinen Thcilnehmern eine
Heuchleröande nenne, so sei das daS Gröbste, was
gegen einenMenschen ausgesprochen werdenkönne.
Die Einrede der Wahrheit sei nach § 3V7
d. St.-P.-O. nicht zulässig bei formellen
Schmähungcn, deren Aüsdruck schon ein be-
schimpfcnder sei. Der Ankläger sei Verfasser
der angegriffcnen Adresse, was die Gcgner ver-
geblich zN bestreiten gesucht hätten, und was er
durch Zeugen feststellen wcrde; derselbe habe
die Ehre, als der Mann bckannt zu sein, der
aus religiöser Ueberzcugung die Rechte seiner
Kirche geltend macht, der hervorgetreten sei als
Verfasser der Adresie, als Führer und Sprecher
der Deputation. Der Strafantrag laute auf
Verurtheilung zu 6 Wochen Gesängniß, also
eine milde Strafe, denn das Gcsctz erlaube
Gefängniß bis zu 6 Monaten.

Rechtsanwalt Mays verliest die fragliche
Adresse, weil sic das hauptsächlichste Vertheidi-
gungSmaterial seines Clienten enthalte, und be-
hauptet:

1) Die Artikel sind nur gerichtct auf den
«Jnhalt und die Gesinnung der Adresse, nicht

gegcn irgend eine Person, am allerwenigsten
gegen die Person dcs Hrn. Lindau, welcher
damals, als die Artikel erschienen, noch nicht
so bekannt war, alS er es leidcr nachhcr ge-
worden ist;

2) die fraglichen Artikel enthalten nur die
Wahrheit gegenüber der Adressc. und die Ein-
rede der Wahrheit ist zulässig nach § 309 d.
St.-G -B., we«n wie hier, die durch Druck
verbreitete Thatsache ein mit peinlicher Strafe
bedrohtes, noch unbestraftes Verbrcchen enthält.

Sein Antrag lautet aüf Freisprechung deS
Angeklagten. Der Vorsitzeude verliest hierauf
die Nntcrschriften der Adrcffe, trotz der lcbhaftcn
Einsprache des Herrn Lindau, und ferner die
Unterschriften der der Adreffc beigcgcbcnen Voll-
macht und erwidert auf dic Verwahrung
deS klägerischen Anwalteö, der die Namen nicht
dem Haß preisgegcben wiffcn will, die Vcr-
lesung wcrde um so mehr erfolgen, als die
Adreffe ja in öffentlicher Versammlung be-

- schlossen und unterzeichnet sein wolle. Rechts-
! anwalt Schulz bittet seine Verwahrung zu Pro-
! tocoll zu nehmen. (Namen.)

! Hierauf beginnt das Verhör der Zeugen über
! die Abfassung und Vorbereitung der Adresse.
Die oben genannten Zeugen wcrden einzeln
vernommen und sagen sast sämmtlich gleich-
mäßig auS, daß Kläger im Auftrage einer regcl-
mäßig im „Pariscr Hof" zusammentretenden
Katholiken-Versammlung die fragl. Adresse abge-
faßt, und einer Versammlung von etwa 120—30
Katholiken in demselben Lokal vorgelegt habe.
Die durch Acclamation zur Uebcrreichung der
Adresse ernannten Mitglieder hätten diese Wahl
angenommen.

Prof. Vering, der einzige Zeuge, welcher
bei dem Beschtuß der Adresse in Heidelberg nicht
anwesend war, erklärt, daß ihm der Kläger
das Concept der Adreffe vorgezeigt. Er halte
ihn für den Venaffer derselben und deßhalb zur
Anstellung der Klage berechtigt, und erkläre bci
dieser Geleaenheit, daß er in aüen wesentlichen
Punkten mit dem Jnhalt vollkommen cinvcr-
standen sei, obschon er an der Abfassung in
kciner Wcise betheiligt gewesen sei.

Der Zcugc Popp erklärt, er sei erst nach
Vorlesung der Adresse in jene Versammlung
gekommen und habe auf die Mittheilung deS
Hrn. Lindau. daß cr in die Deputation gc-
wählt sei, sogleich crklärt, daß er die Wahl
nicht annehmen könne, und er habe Hrn. Lin-
dau, als derselbe ihn in der Sache besuchte,
diese Erklärung wiederholt. (Dcr Name des
Hrn. Popp war unter denen, die die Wahl
angcnommen hattcn, beurkundet.)

Dcr Advokat des Klägers, Dr. Schulz,
beginnt seinen Vorlrag damit, daß er die Hrn.
Schöffen an ihren eben geleisteten Eid erin-
nert, ohne Haß, ohne Gunst, ohne Anschn der
Person, nur nach ihrer gewissenhaften Ueber-
zeugung Necht zu sprechen. Nach einer über-
einstimmenden Aussage der Zeugen könne dar-
übcr, daß Hr. Lindau die Adresse verfaßt
habe, kein Zweifel mehr sein, er sei als einer
der Führer der kathol. Bewegung im ganzen
Lande bekannt, er nehms den gauzen Haß auf
sich, von dem er wußte, daß er sich auf ihn
wälzen würde, und erkläre, ich stehe dasür
ein. Diese Thatsache allcin sollte genügen,
ihn als Verfasser zu beurkundcn, und wenn die
Vertheidigung dies gleichwohl bestreite, so thue
sie das nnr im Gefühl der Schwäche ihrer
Sache. Das ganze Auftreten des Hrn. Lindau
müffe ihn alS denjcnigen erkennen lassen, der
ein Necht habe, gcgen' die Schmähungcn, die
sein Werk getroffen, zu klagen. Die Art, wie
der Hr. AmtSrichter die Zeugen über das
Znstandekommen der Adrcsse vernommen habe,
müffe cr als eine unzuläffige Jnquisition be-
zcichen. Redner verliest nun daS Gesetz über
Ehrenkränkung und bespricht sodann die Frage,
ob hier solche vorliege, zunächst aus dem erstcn
der beiden Artikel deS Hcidclb. Journals. Das-
selbil sei berechtigt gewesen, über eine Sache
von so allgemeinem Jnteresse zu sprechen, aber
cs hätte mit guten Gründen und innerhalb der
Grenzcn dcs Anstands geschchcn müsscn, und
nicht mit Schmähungcn der gröbsten Art. Der
Artikel müsse aus der Feder eines ManneS
geflosscn sein, der alt und grau geworden sei
in literarischen Kämpfen und gewöhnt, die
Schimpfworte zu häufen und auf den Super-
lativ zu stellen. Unverschämtheit und Perfidie
eincm gebildetcn Manne, cinem Manne von Ehre
vorwerfen, heißt ihw dem allgemeinen Abscheu
 
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