Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 102-126 Mai
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0527

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Uei-elbkrger Zeilung.

KreisverkündigMgsblatt für den Kreis Hcidelberg und amtlichcs Äerkündigungsblatt sür die Aints^ und Amts-
Gerichtsbczirkc Heidelbcrg unü Wicsloch und den Amtsgerichtsbczirk Neckargemünd.

N 118


Lamstng, 2« Mai


* Politische Umschau.

Die hannovcr'sche Ständeversammlung ist
bis auf Weiteres vertagt. Eine Uebcreiustim-
mung der beiden Kammern über die Verfas-
sungsrevision ist nicht erzielt wordcn.

Die „Köln. Ztg." mcint, wenu Preußcn den
Agitatoren gegen dic Annexion ihre Haupt-
waffe, die dreijährigc Dienstzeit, mit welcher
sie die schlesw. - holstein. Bauern in Schrecken
setzen, entwinden, wenn es die zweijährige
Dienstzeit und damit den inneren Frieden im
Lande wiedcrherstellen wollte, so ist uns gar
nicht bange, daß dann auch eine schleswig-hol-
steinischc Landesversammlung sich mit großer
Mehrheit für die Vereinigung mit Preußen
aussprechen würde.

Die heutige Nummer der „Volkszeitung"
vom 17. ist ohne Angabe von Gründen poli-
zeilich mit Bcschlag belegt worden: sie ist daher
in einer zweiten Ausgabe erschienen mit Weg-
lassung des Leitartikels, der muthmaßlich zur
Beschlagnahme Veranlassung gegeben hat.

Nach dem „Wanderer" soll die Einberufung
des ungarischen Landtags bevorstehen und späte-
stens bis zum September erfolgen.

Das italienische Parlament ist am 16. Mai
vertagt worden.

D e u ts ch l a n d
Karlsrnhe, 8. Mai. (Fortsetzung der2g.
öffentlichcn Sitzung dcr 1. Kammer.) Fürst
Karl v. Löwenstein-Wertheim-Rojen-
berg: Es ist mir sehr erwünscht, durch die
Nerhandlung über dic vorliegenden Pctitionen
heutc Gelegcnheit zu erhaltcn, nachträglich meine
Abstimmung über das Schulaufsichtsgesctz, bci
dessen Berathnng ich leider am Erscheinen ver-
hindert war, abzugebens Zch erlaube mir, mcine
Ansicht darüber auszusprechen und zngleich zn
erklärcn, daß ich glaubc, daß die Petcnten, die
diese Adressen an die 1. Kammcr gerichlet
haben, im vollsten Maße Grund hatten, gcgen
das ncne Gesetz aufzutreten. Man meint im-
mer, man könne das christliche Gewissen be-
schwichtigen, wenn man sagt, dieses Gesetz
diene auch dem Christenthum. Die Rcligion
hat daS ganze Leben zu durchdringen, und es
ist dcßhalb durchaus nöthig, daß der Unkerricht
und die Erziehnng der Kinder im posttivcn
Chriftenthum der Kirchc zustehe. BloseS AuS-
wendiglcrncn des Catcchismus bildct nicht zu
wahrcn Christen, sondern cs muß das Christen-
thum in die ganzc Gesinnung deS einzelnen
Menschen übergehcn. Die Wirkung des Chri-
stenthums in dcr Erzichung ist eine sehr heil-
same; diesc wird aber wcgfallen, wenn man
der Kirche den Einlaß nicht schcnken will. Zch
betrachtc dicses Gcsetz als einc große Kränkung
dcr Eltern, deren höchste Pflicht darin besteht,
die Kinder zu glaubcnStreuen Christen hcran-
zu bildcn. Die Volksschulen, mögen sie später
auch durch den Staat eingerichtct worden jein,
sind jedenfalls mit dem Geld der christlichen
Staatsbürgcr crrichtet wvrden nnd diese können
daher verlangen, daß dcr christliche Geist darin
ansrecht erhalten blcibe. Die Aufrechthaltnng
Lcht christlichen GcisteS wird aber nicht bcwahrt,
wenn man den Grundsatz aufgibt, daß der Orts-
geistliche als solcher in der Schule seinen Sitz
hat; die Einführung katholijcher Schulbchörden
in dcr Weise, daß katholische Laien von der
Regicrung ernannt und bcauftragt werden, dic
Schulanssicht zu führen, kann nicht helsen, Die
Ansichten der einzclnen Zndividuen stnd erfah-
rungsgemäß schwankend, heute so und morgen

so; cine sichere Gewähr bietet nur die Kirche;
nur dann, wenn die Kirche eine entsprechende
Mitwirkung bei der Schule hat, ist die Gewähr
für einen wahrhaft richtigcn RcligionSnnter-
richt vorhanden. ES ist sodann das Gesetz ein
Eingriff in die Rechte dcr Kirche. Man sagt
frcilich, die Kirche solle in ihren Angelcgen-
h»iten frci schalten und walken; dabei eröffnet
man ihr aber die Mitwirkung in der Schule
nnr auf eine Wcise, daß sie stch nicht bcthei-
ligen kann. so zicht man ei» Geschlccht heran,
voll Glaubenslostgkeit nnd Gleichgültigkeit dar-
übcr, wer sie auszieht. Das Rccht dcr Kirche
ist deßhaib sehr gekränkt, weil es ihr höchster
nnd erster Bcrus ist, die Menschcn zu wahren
Christen heranzubilden, nnd sie muß deßhalb
Gclegcnheit zur Einwirkung auf die Jügcnd
haben, denn man ist vorznglich nnr in der
Zugend zur religiösen Bildung fähig. Und wenn
ein Gesetz die Bildung von gemischten Schnlcn
begünstigt, besonders, wenn man dabei noch
erklärt, daß confeffionelle Unterschiede etwas
sehr ZufälligeS und Gleichzültiges sind, so muß
dies gewiß jedes jugendliche Gefühl beirren.
Der drittc Hauptgrund, aus welchem ich das
ueue Gesetz als cin Uebel betrachte, ist der,
weil es mit dem Schulzwang die Gewissens-
freiheit beeintrLchtigt, indem man christliche El-
tern zwingt, die Kinder in eine Schule zu
schicken, von der ste nicht überzeugt sind, daß
in derselben ihre Kinder so crzogcn werden,
wie cs ihnen das Gcwissen vorschreibt, ste zu
erziehen, und daß man die Eltern sogar zwingt,
bei solchen Schulen selbst mitzuwirkcn. Zm Ge-
setz steht freilich: ohne begründete Entschul-
digung sind sie gezwnngen, die Wahl in den
Ortsschulrath anznnehmcn. Wenn sie aber dann
gesagt haben, daS Gewissen verbicte eS ihnen,
in den Ortsschulrath einzutreten, so hat man
dieS alsunbcgründeic Entschnldigung ange-
sehen nnd hat sic gestrast. DieS hcißt eincm
jeden christlichen Bewnßtsein cincn Schlag in's
Gesicht gcben. Diese Anffassung ist keine indi-
viduelle, diese hat Se. Hcil. der Papst, unser
hvchivürdigster Herr Erzbischof, dcr gesammte
katholische Clerns nnd der größte Thcil dcr
katholijchen Bevölkerung des LandcS, nnd man
darf diese Ueberzeugung nicht gering schätz-n.
Das Beste iväre also, wenn man die katho-
lische Religion so wcit achtete, daß man von
cinem solchen Gesctz Umgang nimmt. Zn dem
Angesührtcn liegt gcwiß ein Grund, davon abzu-
gehen, nnd für dic Rcgierung Ursache genug,
ein ncneS Gesctz vorzulegcn. Das Petitnm der
Adressen, daß cine Ordnung in dieser Angele-
genheit herbeißesührt werdsn möchtc, scheint mir
sehr bercchtigt. Ueber die einzuschlagcndcn Wege
will ich mich nicht nähcr aussprcchen. WaS
die Agitation gegen Sas Schulgesetz betrifft, so
sind darübcr einige jehr scharfe Ausdrückc ge-
fallen. Es thut mir sehr leid, daß man die
hciligstcn Rechte der Bevölkerung mit Füßen
tritt, und wenn man sich dann noch rührt,
mit scharfcn Wortcn darüber nrtheilt. — Der
durchlauchtigste Präsident: Zch muß dem
durchlauchtigen Herrn Rcdncr bemcrken, daß
dieser Ausdruck nicht passen wird. D!an ist ge-
Iviß hier nicht in der Lage, bchaupten zu kön-
nen, daß das Recht mit Füßen getreten werde.
— Se. Dnrchl. Fürst Karl v. Löwenstein:
Zch meinc nur, daß dicse Ausdrncksweise auf
gewiffe Ereignisse im Lande anzuwenden ist.
Ucbrigens will ich damit schließen. — Der
durchlanchtigste PrLsident: Es ist mcine Pflicht,
solchc Aeußerungen zurückzuiveisen, und dieser
Pflicht werde ich stets nachkommen. (Fvrts. s.)

st* Karlsruhe, 18. Mai. 81-Sitzung der
II. Kammer. Fortsetzung. Beck fährt fort:
Er habe seine Stellnng zum Schulgesetz, als
dies das erste Mal zur Vcrhandlnng kam, hin-
länglich bezeichiiel; er habe gewünscht und be-
antragt, daß der Ehrcnsitz im Ortsschulrath,
wenigstens auf dem Lande, dcn Pfarrern durch
cine Bestimmung dcs Gesetzes übcrtragen weroe.
Auch habc er angcdeutet, welche Schwierigkeitcn
man stch ohne nöthigenden Grnnd schaffen
werde. Zndessen fei er in ieinen Erwartungcn,
oder vielmehr Befürchtungen, weit übcrtroffen
worden. Zeder habe von kirchlichcr Scite cinen
i pasfiven Widerstand erwartet; wäre man bei
einem solchen stchen geblieben, so wäre dies
zwar der hohen Znterefsen willen, um die es
sich handle, zu beklagcn gewesen, aber man
HLttc es hinnehmen müssen, denn die Kirche
sei frei. Aber nian sei aggressiv vorgegangcn,
und habe cinen Angriff auf die gejetzliche Ord-
nung des Staates und den Bcstand der Regie-
rung organisirt, nnd zwar in verwerflichster
Weise. Nicht durch daS Object des Streites,
sondern durch die Art und Weise, wie man
diesen führc, durch die ofscnkundigen Ziele, die
man dabei verfolge, sei es dahin gckommen,
daß eS sich jetzl nicht um das Schulgesetz, son-
dcrn um Anfrechthaltung der Staatshoheit
handlc. Von diesem Gejichtspuvktc müffe dcr
Conflict bcurtheilt und entjchicden werdcn.
Selbst wenn die MajoritLI der Kammer an-
ders zusammengesetzl wäre nnd in ihr cine
mehr conservative und streng kirchliche Richtung
vertreten wäre, so könnte ste schließlich, um
ihre Pflicht gegen dcn Staat zu Ihun, keincn
andern Beschluß faffen, als über die Petilionen
znr TagcSordnung überzugchen. Dcm Adg.
Roßhirl, der nach seiner abgcgebenen Erkläiung
sein conservativeS Gewiffen einer übel verstan-
dcnen Kirchlichkeit zum Opfcr zn bringen schcine,
wolle Rcdner diese Lage dcr Fragc in's Ge-
dächtniß zurückrnfen, daß es sich hier iediglich
darum handle, zum Gesetzc zu stehcn gegen die
Revolte.

Ueberhaupt sprechc man immer von der
Kirche, wo doch nur das kirchliche Regiment,
nnd iii Wirklichkeit nicht einmal dieses in Frage
komme, vielmchr eine rcine Meute von Zntri-
ganten und Fanatikern, wekche das Kirchen-
regiment mißbrauchen, in Dingen an die Lci-
denschaften der Massen appcllire, worüber diese
kein Urtheil habe, und dic selbst sich nicht scheue,
daS eigciie Land im Ausland zu vcrdächtigcn,
und die Besorgniffe der Nachbarn gegen Baden
auszuregen, Hier habe man eS nicht mehr mit
einer Partei, sondcrn mit ciner Faction zu thun,
die ihrc geheime Leitung vom Ansland empsange,
und deren Ziele weit über Baden hinauslägen.

Man habe mit der sog. „frcien Kirche" nun
auch in Baden eine -rnste Erfahrung gemacht;
ste sci dieselbe wie in Belgien, wo sie selbst die
Eristenz deS staates in Gefahr gebracht. Er
habe schon frühcr bei jedem Anlaß autmerksam
gemacht, daß man mit der Gesetzgebung oon
1880, so unbestimmt und vage wie sie sei, in
die Längc nicht regieren könne. Das Placet,
das so alt sei als der christliche Staat, müsse
in geeigneter Form wieder hergestcllt werden.
Man habe vom Miiistertisch nach den Miiteln
gcsragt, wie dieS geschehen könnc; er antwor-
te: die Miltel seien keine andcre als sie früher
g-wesen.

Was die Erklärung des großh. Staatsmini-
steriums betreffe, so thcile er weder dic Befrie-
digung, die sic aus cntgegengesetzten Seilen im
Hause hervorgebracht, noch die Bcfürchlnngen,
 
Annotationen