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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0147

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MlagkMr HeidelbergerIettung Nr.34»

D e u tsch l a n d

Jena nn Januar. Jn den Sommcr dieses
Jahres fällt das 50-jährige Jubiläum der
Gründung dcr Jenaischeu Burschenschaft.
Die Feicr dieser Tage znnächst einzuleiten, hiel-
ten sich die jetzt in Jena studirenden Burschen-
schaftcr für verpflichtet, und es sind zu gemein-
samer Berathung über die ersten Vorbcreitun-
gen dieses Festes Vertreter der drei Jenaischen
B^irschenschaften bereits zusammengetreten. Es
wurde beschlossen, die Feier von dem 12 Juni,
dem eigentlichen Stiftungstage der Jenaischen
Burschenschaft, auf die Mitte August, etwa in
die Zeit ves 15., des Gründungstages der Uni-
versität, zu verlegen.

A r a n k r e L ch.

Paris, 30. Jan. Jn Marseille bildet eine
geheimnißvolle Geschichte das Tagesgespräch.
Jn einem Hause der Nue Tilsit entdeckte man
nämlich ein Frauenzimmer von ungefähr 35
Jahren, das in einer dunklen Kammer einge-
sperrt war. Dieses war seit langen Jahren von
einem Manne und dessen Frau bewohnt. Die
Frau war vor ungcfähr zwei Jahren und der
Mann vor ungefähr 14 Tagen gcstorben. So
lange e'r lebte, hatte er Niemanden bei sich em-
pfangen. und erst nach seinem Tode betrat
zum ersten Male ein Fremder desseu Wohnung.
Das Frauenzimmer war ganz blödsinnig. Man
konnte nur aus ihr herausbringen, daß sie die
Tochter der beiden Eheleute sei, in dem Loche
seit ihrem 11. Jahre gelebt habe und viel miß-
handelt worden sei. Sie wechselte die Wäsche
alle Jahre und den Grund ihrer Einsperrung
kannte sie nicht, auch erinnerte ste sich nicht,
je besserc Tage verlebt zu haben.

Paris, 30. Jan. Hcrr Haußmann, der
Seine-Präfekt, hat endlich seine Bauprojekte
dcm Gemeinderath bekannt gegeben: er verlangt
eincn weiteren Credit von bloß vierhundert
Millionen, damit die bcreits begonnenen Ar-
beiten der Stadt PariS zu Ende geführt wer-
den; die Stadt habe aber nur dreihundcrt
Millionen von dieser Summe zu beschaffen,
das vierte Hundert möge der Staat beitragen.
Da man weiß, daß der Seine-Präfekt das ver-
traute Organ des Kaisers ist, so wird der Ge-
meinderath gute Miene machen, und die Vor-
schläge können bercits als angenommen ange-
sehen werden. Mit Hülfe dieser Summe, die
in jährlichen Naten von sechzig Millionen ver-
wendet werden wird, sollen kolossale Arbeiten
vorgenommen werden. Zunächst würden außer
den augenblicklich in Bau begriffenen vierzehn
katholischen Kirchen mehrere neue gebaut wer-
den. Ferner sollen mehrere protestantischc Tem-
pel und zwei Synagogen errichtet wcrden. Der
Bau der letzteren soll sogleich beginnen, indem
die jüdische Gemeinde sich bereit erklärt hat,
die Hälfte der Kosten tragen zu wollen. Eine
Anzahl von Schulen soll errichtet und das
küeee 4.0UI8 ls 6rgi,(! nach der Nue Sevres
verlegt werden, dort, wo jetzt das Hospiz der
unheilbaren Frauen ist. Dieser Neubau soll
vier Millionen kosten. Das gegenwärtige Schul-
gebäude von Ludwig dem Großcn würde das
College von St. Bache zu seiner Vergrößerung
'an sich bringen.

Paris, 1. Febr. Der Unterrichtszwang
soll bis auf Weiteres in Frankreich nicht ein-
geführt werdcu. Also der Einfluß des Prinzen
Napoleon und des Unterrichtsministers zu-
sammengenommen, ist nicht stark genug, um
einer Maßregel zur Verwirklichung zu verhel-
fen, welche allein im Stande wäre, dcn Verdnm-
mungs-Bestrcbungen entgegen zu wirken, welche
in Frankreich im größten Maßstabe betrieben
werden. Herr Emil Augier scheint den geheim-
sten Gedanken der Regierung errathen zu haben,
indem er seinen lUaitre Ouerin ausrufen läßt:
„Es wäre unmöglich zu regieren, wenn Zeder-
mann lesen könnte." Ueberhaupt sind wir in
einer Pcriode, in welcher die Regierung ihr
Heil einmal wieder in der Fortdauer deS Unter-
drückungs-Systems suchen zu wollen scheint. —

Der alte Dupin bereitet eine Rede für. den
Senat vor, welche die religiöse Frage zum Ge-
genstande hat. Der General-Staatsprocurator>
wird das System des Ministers Baroche ber-
theidigen, nnd die Bischöfe werden einer mit
kaustischen Seitenhieben versehenen kirchenrecht-
lichen Darstellung im gallikanischen Sinne
nicht entgehen. — Heute hielt Renan's Nach-
folger, der blinde Professor Munk, seinen ersten
Vortrag über theologische Exegese (Kln. Ztg.)

G rr g ! a n d

London, 28. Jan. (A. A. Z.) Die Er-
morduug der zwei etiglischen Officiere, des Ma-
jors Baldwin und des Lieutenants Bird, in
der Umgegend von Jakohama, ist cines jener
unvorhergesehenen Ereignisse, wclche die feinste
politische Berechuung zu Schanden machen, und
einen entscheidcnderen Einfluß auf den Gang
der Weltgeschichte auszuüben pflegen, alS die
Beschlüsse staatsweiser Ministerkonseils und die
erhabensten Jdeen und Grundsätze eines ausge-
arbeiteten Programms. Das MiNisterium Pal-
merston war auf dem besten Weg, seine bis-
her in Japan befolgte Politik zu ändern, und
die von Sir R. Alcock vertretenen Grundsätze
der Drohung und Gewalt durch eine gerechtere
und - mildere Würdigung der Verlegenheiten der
Taikun-Negierung zu ersetzen. Die Jugend des
Lieutenants Bird, die tapfere und ehrenvolle
Laufbahn des Majors Baldwin, der schon vor
Sebastopol ruhmreich kämpfte, später in die
Gefangenschaft der Cochinchinesen gerieth, und
nach einer Reihe der haarsträubendsten Aben-
teuer und Mißhandlungen glücklich entkam, um
sofort wieder an dem Feldzug von Nord-China
theilzunehmen, die raffinirte Grausamkeit, wo-
mit die Mörder, wahrscheinlich Kriegsvasallen
fremdenfeindlicher Daimijos, bei ihrer blutigen
That zu Weeke gingen — sind wohl geeignet,
jenen Schauer zu erregen, der Entfesselung
der Volksleidenschaften ankündigt. — Es wird
versichert, die englische Regierung habe an ih-
ren Gesandten in Japan den Befehl ergehen
lassen, eine sosortige Genugthuung für den
Mord der beiden bei Kamakum erniordeten
englischen Offiziere zu fordern. Die Genugthu-
ung bestände in einer Summe von wenigstens
1 Million Gulden zu Gunsten der Familien
der Ermordeten und in einer exemplarischen
Bestrafung der Schuldigen. Falls man diese
Genugthuung nicht erlangt, und zwar so bald
als möglich, soll der cnglische Admiral die Hä-
fen von Aeddo, Osaka und Nangasaki streng
blokiren und alle japanischen Schiffe festhalten,
deren er habhaft werden kann.

London, 1. Febr. Unter der Ueberschrift:
„Ein Wahlflecken zu verkaufen", lesen wir in
der Times folgendes Kuriosum: „Ein beträcht-
licher Theil des Wahlfleckens Bridgnorth soll
am Tage nach Eröffnung des Parlamcnts ver-
steigert werden. Die znm Verkaufe kommenden
Grundstücke bestehen aus ungefähr 90 Häusern,
die freicr Grundbesitz sind. Darunter befinden
sich einige sehr angenehme städtische Wohnun-
gen, neun Gasthöfe und Schenkwirthschaften,
verschiedcne Läden, Werfte rc., nebst schönen
in der besten Gegend gelegenen Bauplätzen.
„Für einen unternehmenden Kapitalisten", heißt
es in der betreffcnden Anzeige, „müssen be-
sagte Grundstücke sehr verlvckend sein, nicht
bloß, weil er sein Geld gut anlegt, sondern
auch als ein Mittel zur Erlangung eines Par-
lamentssitzes." Die Einwohnerzahl von Brid-
gnorth beträgt ungefähr 7900 Seelen und die
Zahl der Wähler beläuft sich auf etwa 700.
Der Ort schickt stets zwei konservative Abge-
ordnete ins Haus der Gemeinen. Einer der
gegenwärtigen Vertreter ist Hr. Whitmore, der
Einpeitscher (vliipjrer-in) der Tories."

Z t a ! i e ri

Eine Mittheilung aus Turin im Oktober-
heft der Revue Britannique vom v. I- enthält
einige Angaben, welche im jetzigen Augenblick,
wo über die Aufhebung dcr religiösen Or-
den und die Einziehung der Kirchengüter im

italienischen Parlament verhandelt werden soll,
für unsere Leser von erhöhtem Jnteresse sein
dürften. Jenen Angaben zufolge zählt Jtalien
derzeit 82 religiöse Orden, 2352 Klöster, an
männlichen Bewohnern derselben, die das Ge-
lübde abgelegt haben, 15,500, an weiblichen
18,198 Persvnen. Dazu kommen noch 4474
Laienbrüder u. s. w. Jm Ganzen 54843
Mönche und Nonnen. Die zwei Klasskn der
Welt- und der Klostergeistlichen belausen sich
apf .185,900 Mitglieder, wovon auf Neapcl
und Sicilien allein 82,000 kommen. Die reli-
giösen Körperschaften, die. Bisthümer, die kirch-
lichen Gebäude, die Pfründen haben ein Ein-
kommen von 75,266,216 Fr.; ihr Gesammt
eigenthum hat eineu Werth von 2 Milliarden.

A m e r i k a.

Newyork. Zahlreiche Dcpdschen des Ad»
mirals Porter und der Truppenbefehlshaber,
so wie andere nichtamtliche Berichte lassen in
die Vorbereitungen zum Sturme auf das Fort
Fisher und die schließliche Eroberung der Veste
einen interessanten Einblick thun. Am Abend
des 12. Jan. kam die Expcdition zum zweiten
Male in Sicht des Forts und ankerte in drei
Linien nahe am Gestade. Sobald der Morgen
dämmerte, ließ dcr Admiral die erste Division
der hölzerncn Schiffe (mit 116 Kanonen) vor
dem Punkte, der zur Landung der Truppen
auserlesen war, etwa 3^/z Meile von Fort
Fisher und unweit der verlassenen Halbmond-
Batterie, Stellung nehmen und die Küste be-
schießcn, um das über den Rücken der Land-
zunge sich hinziehende Gehölz zu säubern. Das
gepanzerte Geschwader (mit 30 Kanonen) legte
sich in der Zwischenzeit direct in der Fronte
des Forts vor Anker, ohne stch um die Kngeln
des Feindes zu kümmern, bevor es stch voll-
ständig in Kampfordnung formirt hattc. Um
t/z9 Ühr warf der New-Jronsides daS erste
Geschoß in das Fort nnd bald folgten die
Thurmschiffe mit ihren furchtbaren Bomben.
Jeder Schuß saß in den Wällen oder in den
Schießscharten. Das Fört antwortete nur in
langen Zwischenräumen von durchschnittlich
mehr als zehn Minuten, denn das Feuer der
Flotte war so ununterbrochen hartnäckig, daß
der Feind seinc Geschütze fast nicht zu bedienen
vermochte. Um 9 Uhr kam die Ordre, die Boote
der FloNe nach dcm Landungsplatze zu schicken,
um die Truppen von den Transportschiffen an
die Küste zu bringen. Die ganze Landmacht
bestand aus 8000 Mann und war auf 12 Tage -
mit Mundvorrath versehen worden. Die Hälfte
1)erselben war um 10 Uhr bereits ans Land
gebracht, und eine Tirailleurlinie' wurde vor-
geschickt. vor welcher die Kanonenboote, welche
sich zwischen die Fregatten und die Küste ge-
legt hatten, den Weg säuberten. Die übrigen
der gelandoten Truppen überließen sich indessen
einem fröhlichen Treiben, da sie stch freuten,
wieder festen Boden unter den Füßen zn fühlen.
Cedern wurden gefällt und großc Feuer ange-
zündet, um welche die Leute, die theilweise bis
ans Knie und höher das Wasser durchwatet
hatten, ihre Kleider trockneten, wahrend andere
sich wie freigelassene Schuljungen in dem war-
men Sand herumrollten. Um 4 Uhr Nachmit-
'tags ward das Bombardement verschärft. Die
erste Division der hölzernen Schiffe wurde
heransignalisirt und nahm an dem Bombarde-
mcnt Theil, die zweite Division folgte gleich
darauf, so daß nun noch 312 Schlünde mehr
ihr Feuer gegen die feindlichen Wälle spieen:
eine fürchterliche Kanonade. Jn anderthalb
Stunden wurden über 20,000 Geschosse ge-
schleudert, während das Fort nach dem Beginne
dieses allgemeinen Bombardements nur einen
Gegenschuß that. Die hölzerne Flotte erlitt so-
mit nicht den geringstcn Schaden, doch auch
die Panzerschiffe waren im Laufe das TageS
fast unverseh'rt geblieben, da die feindlkchen Ku-
geln vor oder hinter dem Ziele einschlugen.
Die ganze Nacht hindurch blieben die Panzer-
schiffe in Thätigkeit, freilich in sehr verminder-
tem Maße, aber hinreichend, um dem Feinde
 
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