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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0154

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reits geschehene, doch nahe bevorstehende Ab-
bruch der Unterhandlungcn. (Den neuesten
Nachrichtcn znfolgc stehen dic VersöhnungSaus-
sichten nicht so ungünstig.)

— Aus Baden, 8. Fcbruar. Jm Lande
Preußcn schickt sich Alles zur Verherrlichung
des absoluten Königthums an. König Wilhelm
ist nickt allein von Gottcs Gnaden, sondern cr
theilt sogar das Loos dcs Gesalbten Gottes, des
Messias, ver, alS ihm die Kinder im Tcmpel
ein „Hosianna dvm Sohne Davids" zuriefen,
daö Wort deS Psalmisten auf sich bezog: „Aus
dem Munde der Unmündigen und Säuglinge
hast du Lob zngerichtet." Wir haben auch von
„eingeimpften Adressen" schon Manchcs gehört
und crfahren; aber daß man anch Kindern
Adressen, gleichwie die Schutzpocken, einimpft,
ist unS bis jetzt etwas Unerhörtes gewescn.
Hente lasen wir aber gedruckt, daß der Schul-
meister zu Düssern bci Duisburg seine
Schulkinder. 139 an der Zahl, Knaben und
Madchen, zur Unterzeichnung cincr Adreffe
an den König anhielt, worin die loyalen
Kleinen scierttch versprechen: „Wir wollen
immer des SprucheS gedenken: Fürchtet Gott
und ehrct den König", nnd sodann „ihr
schmerzliches Mitgefühl auSsprechen, daß das
Haus der Abgeordneten, dem die Hand zur
Versöhnung dargereicht worden, dieselbe so
lieblos zurückstoße." Es ist doch rührend, daß
die gottlosen VolkSvertreter selbst von unschul-
digen Kindern ihre verdiente Abfertigung er-
halten; und es wird fortan Niemand mehr
daran zweiseln können, daß der preußische
Staat untcr allen der am meistcn fortgeschrit-
tene sei, weil hier die Mündigkeit, die ander-
warts erst im 20. oder 25. Jahre eintritt,
schon der Lchuljugend eingetrichtert ist. Kein
Wunoer, daß jener Lehrer an einem sächsischen
Rettungöhause, namlich an dem „Pestalozzistift"
in Leipzig, wo die Hauptmaxime der Besserung
noch im Prügeln besteht, auf die gcgen ihn
erhobene Beschwerde seine Entlassung nahm, in
der Hoffnung, eine beffere Stelle in dem Cul-
turstaadr Preußen zu erhalten. Bis zu Schüler-
Adressen haben es doch unsere Ultramontanen
und Pietisten noch nicht gebracht; aber es kann
noch dahin kommen, daß den letzteren wenig-
stens in ihrem heldenmüthigen Kampfe gegen
den theologischen Unglauben nicht bloß aus dem
Munde des preußischen Oberkirchenraths und
der Pastoren, sondern auch aus demjenigen der
bibelfcsten Schuljugend ein „Lob zugerichtet
wird."

KarlSruhe, 8 Febr. So viel der „Schw.
Merk." hört, ist die Bcscheidung dcr in clen-
calcm Sinn übergebenen Adressen dem cin-
schlagigcn Ministerium (bezw. Ministerien) über-
lassen wordcn. Der Ausfall kann nicht zweifel-
haft sein, dcnn es licgt ebenso sehr außerhalb
dcr Absicht, wie außerhalb der Befugniffe des
Landesherrn, cin unter Zusiimmung der Stände
gegebenes Gesetz auf Andringen einer bestimm-
tcn kirchlichen Partei zu annulliren (§ 66 der
Vcrfassung).

Sturrgart, 9. Febr. Jn der heutigen
Sitzung der Abgeordnetenkammer erklärte der
Minister des Auswärtigen, Frhr. v. Varn-

Beglücktrr Unterthan, nicht wahr,

Detn Herz ist voller Freuden?

Du bringst eS einem Prinzcn dar,

Wie inntg bist du nicht gerührt,

Wrnn hier drin Aug' die Hoffnung spürt,
Daß dieseS Prinzcn Geistesgaben,

WaS Fürstensöhne würbig schmückt,

Was Land und Lrute hoch beglückt,

In reichster Fülle an sich haben!
Erwünschter Trost für Stadt und Land,
Earl Friedrick, unsere Wonne!

Srtn frommer Sinn ist uns bekannt,

Er strahlct wie die Sonne!

Wir wiffen, daß er Tugend übt,

Als wahrcr Christ das Gute liebt,

Drum preisrn wir sein Lcben!

Er wird nach seineS Geistcs Zug
Mit einrs Adlers hehrem Flug
Zur Weisheit fich erheben. *)

*) Das Gedicht enthalt 10 solcher Strophen, wovon
diese beiden die besten sind.

büler, die Unterhan'olungen seien so weit vor-
angeschritten, daß dic Anschlüsse der Schwarz.
waldbahnen bei Tuttlingen, Villingen und bei
Pforzheim (für die Enz-Nagoldthäler) gcsichert
erscheinen.

Berlin, 7. Febr. Ganz nach französischem
Muster soll die Regierung mit der Absicht
umgehen, eine neue wohlfeile Zeitung zu grün-
den, die wie dcr Pariser Abend'Monileur auf
den Straßen verkauft werden soll. Bis jetzt
ist der Straßenverkauf durch die Gewerbegesetze
zur Unipöglichkeit gemacht. Will die Regierung
aber ihre Preßorgane auf den Straßen verkau-
fen, so kann sie diesen Verkauf doch auch nicht
den übrigen Zeitungen verbieten. Dem ganzen
Zeituugswesen würde dadurch ein neuer Auf-
schwung gegebcn. Ob derselbe aber grade der
Regierung zum Vortheile gereicht, möchten wir
denn doch bezweifeln.

Berlin, 8. Febr. Die Rede, mit welcher
der Kricgsministcr v. Roon dem Abgeordneten-
hause die Militärnovelle, deren wesentlichen
Jnhalt wir im telegraphischen Auszug mit-
theilen, vorlegte. lautet nach der „N. A.Z." in
ihren Hauptpnnkten: „Jndem die königl. Re-
gierung dem Hausc der Abgeordneten von
Neuem einen Gcsetzesentwurf vorlegt, um die
Militärfrage endlich zu einer definitiven Ncge-
lung zu bringen, ist sie sich wohl bewußt, daß
sie dies Ziel zu erreichen nur dann sichere
Aussicht haben würde, wenn es ihr gelungcn
wäre, sich diejenige Auffasiung anzueignen,
welche in diesem Hause bei der parlamentari-
schen Behandlung dieser Frage bisher maßgebend
gcwescu ist. Wcnnglcich dies nur in beschränk-
tem Maße der Fall ist, wenngleich vielmehr die
Regierung nach den Erfahrungen deS verflosse-
nen JahreS, lebhafter als je von der Zweck-
mäßigkeit der thatsächlich erfolgten Neuforma-
tion des Heeres und daher auch nothwendiger-
weise von ihrer Erhaltung überzeugt ist, wenn-
gleich endlich die Ncgierung ihre früher geltend
geistachten und aus Veranlaffung des Rcchen-
schaftsberichtes über die Verwendung des au-
ßerordentlichen Crcdits von 1860 sogar vom
Landtag getheilten Auffassungen über die biS-
herige Gesetzlichkeit der faktisch cingetretenen
Rcform auch heute festzuhaltcn gedrungen ist,
so verzichtet sie dennoch auch heute noch wie in den
Vorjahren, auf die ausschließliche Geltendmach-
ung diescs Standpunktes. Damit glaubt sie den
Streit über den hcrvorgetretenen principiellen
Gegensatz über bisher unbefriedigte von der
einen, wie von der andern Seite geltend ge-
machte Ansprüche und Forderungcn vertagen
zu können. Eö kommt hier zuvördcrst lcdiglich
auf eine friedfertige und ruhige Erwägung ge-
wisser Meinungsverschiedenheiten über Zweck-
mäßigkeitsfragen an ; die erstrebte AuSgleichung
controvcrser JnterpretationSfragen kann über-
haupt nur auf einem Wege geschehen, nur auf
dem Wege gesetzlichcr Vereinbarungen über die
correcte Bedeutung dcr streitigen Punkte. Dies
wird um so mehr geboten sein, alS man auf
der einen wie auf der anderen Seitc gleich tief
durchdrungen sein mag von der Richtigkeit der
eigenen Auffassung. Zn dieser Ansicht ist kgl.
Regierung zu dem Schluffe gelangt, der Lan-

j §* Heidelberg, 10. Febr. Das gestern statt-
gefunbene vierte und letzte Concert des Heidel-
berger Instrumentalvereins brachte an Orchester-
werken Symphonie in k-vur und Ouverture zu
Coriolan von Beethoven. Beide Compositionen
wurden mit jener liebevollen Hingebung, Präcifion
und Feuer gespielt, wie man es nur unter Herrn
Bochs geschickter Leitung zu hören gewohnt ist.

Herr Singer, Violinvirtuose auS Stuttgart,
dem ein bedeutender Ruf vorausging, wurde bei
setnem Auftreten mit lebhaftem Beifall begrüßt.
Er spielte daS Violinconcert von Mendelssohn und
Reverie sowie Lombardi von Vieurtemps.

Seine Fertigkeit, verbunden mit Correctheit,
Intonirungsreinheit und schönem Ton machten
seine Leistnng zu einer sehr dankenswerthen. Sein
Spiel rief einen wahren Beifallssturm hervor,
wofür der Künstler dadurch davkte, daß er noch
' ein Stück zu dem ohnehin reichen Programm hin-
j zufügte. Der musterhaften Pianoforte-Begleitung
> durch Herrn Boch wollen wir dabei zu erwahnen
nicht vergeffen.

Das Auditorium nahm die beiden Chöre: Hir-
' ten- und Jägerchor von Schubert, sehr wohlwol-

desvertretung eine solche Vereinbarung über
gcwiffe Punkte wiedcrholt vorzutragen und da-
mit dem laut artikulirten Verlangen des Abge-
ordnetcnhauses zu einer gesetzlicken Regelung
der stattgefundenen Reform zu entsprechen,
wiewohl eS derselben nach diesseitiger Ueber-
zeugung bishcr nicht daran, sondern lediglich
an der verfassungsmäßigen finanziellen Rege-
lung gefehlt hat. Jn diesem Wunsche, dem
Abgeordnetenhause noch einmal Anlaß zu geben,
sich über die von rhm vermißten Fundamente
der Armee-Reform mit dcrNegierung zu verstän-
digen, und dadurch den Bodcn für die Erledi«
gung weiterer principieller Gegensätze zu ge-
winnen, somit dem.Vaterlande das beeinträch-
tigtc Gefühl der Einheit dcs Strebens und
Wünschens ueu zu bcleben. Jn diesem Wunsche
liegt das Hauptmotiv für die Vorlage des ge-
genwartigen Gesetzentwurfs. Sein materieller
Jnhalt wird nach den darüber bereits gepfloge-
nen erschöpfenden Erörterungen einer weitläu-
sigen Motivirung nicht bedürfen. Er enthält
keine neuen Principien, sondern nnr Modifi-
cationcn und Ergänzungen der alten gesctzlichen
Bcstimmungen, hervorgerufen durch Rücksichten
der technischen Zweckmäßigkeit und deS staat-
lichen Bedürfnisses. Nur so weit diese Rück-
sichten bei verschiedenartiger AuSlegung deS
GesetzeS vom 3. September 1814 oder bei dem
Mangel entsprechender gesetzlicher Bestimmun-
gcn über den KriegSdienft zur See hervorge-
treten sind, sollen durch den vorgclegten Ent-
wurf Modificationen und Ergänzungen der
bisherigen Gesetzgebung herbeigeführt werden.
Daneben bietel er dem Lande wiederholt erheb-
liche Erleichterungen in der Ableistung der
jedem wehrpflichtigen Manne obliegenden Pflicht
der Vaterlandsvertheidigung, Erleichterungen,
welche jedoch allein durch die eingetretene Ver-
mehrung der Friedensstärke des stehenden Hee-
res zulässig erschcinen. Jm Uebrigen hat die
Regierung auf jede weitere Veränderung des
allegirten Gesetzes für jetzt verzichtet, weil sie
erachtet, daß die Spannung des AugenbliSs
einer sachlichen Erwagung und der dabci in
Betracht kommenden legislativen Momente nicht
günstig sind. Aus diesem Grunde muß auch
die Vorlegung der in diesem Gesetz - Entwurf
verheißenen neuen Landwehr-Ordnung ausge-
sctzt bleiben, um so mehr, alS eine solche über-
haupt erst nach gesetzlicher Feststellung der vor-
geschlagenen Veränderungen über die Kriegs-
dienst-Vcrpflichtung ausführbar erschien. Mcine
Herren. Wie tief begründet auch seit Jahren
die Ueberzeugung der Regierung von der
Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der factisch
eingetretenen Armee Reform sein mag, so haben
doch ihre Entschließungen nach den Erfahrun»
gen deS letzten Friedens an Klarheit, Sicher-
heit und Festigkeit in dem Maße gewonnen,
daß es ihr mit Pflicht und Gewissen ganz
unvereinbar, daß es ihr unmöglich erscheint,
jetzt in wesentlichen Punkten auf erprobte
und wohlbewährte Einrichtungen zu verzichten.
Jeder Unbefangene wird und muß ihr darin
beistimmen und die etwaige Befangenheit miß-
billigen, welche etwa um eincS Parteiinteresses
willen, um eines möglichcn Machtwechsels wil-

lend auf, und dieselben fanden auch mit Recht
den wohlverdientrn Beifall.

ES verdirnt hervorgehoben zu werden, daß die
Concerte des Instrumental - VereinS bis zum
Schlusse sich einer immer wachsendrn Theilnahme
erfreuten, woran sicherlich die Gediegenheit der
Programme, wohl aber die Ausführung am mristen
dazu bettrugen, und auf diese Weise den Ruf deS
vortrefflichen VereinS auch diesen Winter sicherte.

Wie immer, so erfreute sich auch daS letzte Lon-
cert der allgemeinsten Theilnahme des PublikumS.

An E. A. Damm.

Unreine Haare soll man kämmcn,

Du wardst gekämmt mit rauhem Kamm.
Verweg'ne Waffer muß man dämmen,

Du bist gedämmt nun, Dichter Damm!

Es wird Dich schwerlich mehr gelüsten,

Mit fremden Federn Dich zu brüsten.

Ph. Weckesfer.
 
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