Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

DOI chapter:
Nr. 51-77 März
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0264

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
schlutz Schule und Lchulvermögen der kath. Kirche über-
läßt, so sind damit den Katholiken Rechte gegeben. die
eine Regierung ihnen nichl entziehen kann. Der Nach-
iveis, daß die Enlrüstung jener Artikel gerechtfertigt sei,
wird versucht ans neueren Elaboraten der Presse. Die
Katholiken sprechen aber im Ganzen nur das Gefühl
des gekränkten Rechts aus, und der, dem man den Fuß
auf ven Nacken setzt, darf wohl eiu „Weh" ausrufen.
Der Gedanke des Hrn. Lindau ist der: eine katholische
Schule soll vom katholischen Geiste geleitet sein, fie hört
auf, es zu sein, wenn das neue Schulgesetz in Krast
tritt; nicht blos der Religionsunterricht, sondern die ganze
Iugenderziehung muß derKirche gehören; hie zarte Pfianze
der Jugend darf in ihren Ansichten und Ueberzeugungen
nichl gestört werden. der Kirchenlehre entgegengesetzte
Grundsätze dürfen hier nicht gelehrt werden. Wenn der
Geistliche gewisse Dogmen erläutert hat, so darf nicht
der Schullehrer kommen und sagen, das ifi Alles Nichts,
das braucht ihr nicht zu glauben. Und der Geistliche hat
keine Sicherheit, das zu wehren. Das muß kommen,
rumal in der protestantischen Luft, in der wir
leben (Nnruhe). Jst man doch so weil gegangen. die
Göttlichkeit dcs Heilandes zu läugnen, berühmte Männer
haben es gethan, man hat es zugelassen, ja sanctionirt.
Das erftillt jeden Katholiken mit elnem Schrecken, und
in einem solchen Lande wird man wohl auf der Hut sein
dürfen für ernste, katholische Grundsätze. Untxr katholisch
können hier nur die römisch-katholischen Grundsätze
gemeint sein. Das steht in der Verfassung. Wer seinen
Verband mit Rom nicht anerkennt, hört auf, als Ka-
cholik zu gelten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die
Katholiken, wenn fie sich gekränkl fühlen, auch ein Recht
haben, es auszusprechen, sich an ihren Fürsten zu wen-
den, damit er abhelfe, und eben das haben Verfasser
und Unte^^^ ^tha^ ^11^)^^ a^s eiil ^Ver^

sehen kann, sie zu prüfen.^und einen Mlßstand abzu-
stellen, den die Gesetzgebung geschafsen hat. Dies Recht
kann nicht bestritten werden, das steht in der Verfassung;
der Fürst darf provisorisch die Gesetzgebung inhibiren,
und es heißt sein fiirstliches Recht bestreiten, wenn man
sagen will, der Großherzog hätte hier nicht angegangen
werden^ dürfcn. ^Da^ Wort „ ll^achivollkonimeilh hatte

angenommen, gelesen und einen Tag später den Ueber^
reichern Audienz ertkeilt. Es kommt Jhnen nicht zu,

fir^ dä^ fremde Staatsmanner mit Staunen zusehen, wie
das Alles im Kreis umgeht. Jch sage nicht, daß wir
nicht sehr gute Gesetze erbalten haben, aber wir glaubten
uns zu etwas Anßerordentlichem berufen, und etwas
Außerordentliches ist auch mit dem Schulgesetz geschehen.
Die Schule wird überall von der kathol. Kirche geleitet.

Staate getrennt wird. dann muß^sie auch mit ihren
Rechten von ihm gelrennt und in eine Lage gesetzt sein,
worin ihre Rechte Geltung haben. Wir haben bei uns
zu wenig das Gefühl, daß wir klein und schwach sind,
und nicht den Beruf haben, über große Staatstheoreme
praktische Erfahrungen zu machen. Jn der so begeister-

II >11111I111 lllll lll ll^ III! i!l>ll II^ ^Il^III

sie aber auch nicht berecktigt gewesen, so^war sie ein
ösientlicher Schritt und als solcher dem ösientlichen Ur-
theil anheim gegeb^n^^D^^^ ^ darüber

klagt, die 3 Monate in allen Händen waren — wenn
man es nicht that, so hat man eben gefühlt, daß man
Unrecht hätte.

Jch erkenne die Schwierigkeit der Lage der Herrm
Schöffen, fie sind Bür.ier, fie treten aus diesem Saal
wieder unter ihre Milbürger zurück und haben, wenn
sie geaen die herrschende Parteileidenschaft Necht spre-
chen , Vorwürfe zu erwarten, Sber sie haben den Eid
geleistet, ,nach ihrer gewissenhafren Ueberzeugung zu

urthetten." Die Ansdrücke euthalten daö höchste Maß
der SchmLhuug. Wenn ich Ihnen sage, daß solche
Schmähungen unbedingt verurtheilt werden müssen,
und^Sie verurtheilen nicht, so verfehlen Sie Jhre

Der Redner verweist nvchmals auf die beiden Artikel,
und fährt fort:

Die Einrede der Wahrheit will gegründet werden auf
Grund eintt^ridrcsse, über welche sich Se. Kgl. Hoheit,

Großherzog ist Unrecht geschehen. ist Hohn widttfahre».
Wir dürfen annehmen: unser Fürst weiß seine Würdc
zu wahren, wenn er nun sagt, eS geht mancheö im
Lande nicht, wie es.sollte, ich habe viel zu kämpsen, ick
wünsche, daß Friede werde. ich danke sür Jhren Frei-
muth, wie kann da der crste beste hergelaufene Scribler
in ein Blalt schreiben, die Adresse ist unverschämt, in-
iam.^ M aiich^icht erlauben, daß^Jhre Briefe

einmal zusammcn. ^ ^ sch P ch

Amlsrichtcr Süpfle: Der Hr. Bcrtheidiger hat das
letzte Wort.

^c^ u^ll ^iu^

kann. Der BeweiS, daß er der Verfasfir ist, ist nickt
erbracht. Jn seiner Nede hat sich Hr. Lindau als ein
eifriger, ja als ein fanatischer Katholik gezeigt. Aber
über den Jnhalt des Schulgesetzcs hat er die Aufklä-

11.^^111^ I III^.I^I I^ii^ii^^

dem Glaubensdruck entgehen wollken. Es war damals
Grundsatz, daß in dem letzten Dorf der Pfalz ein Nicht-
katholik nicht Bürgeimeister werden könne So kam

Niemaud katholisch war! der Schwcinhirt Bürgermeisier

Nach Aufhebung des Jesuitenordens (1772) sollen die
Ies^iten in^tehr ^gew^

Katholiken in einem Athem darüber triniiiphiren und
gleichzeitig diesem Gesetz den Krieg erklären, welches
unmittelbar auS jenem folgt. Wenn gewisse Nachbar-
staaten daS Schulgesetz als Fehlgriff betrachten, so ist
daran nichts Auffallendes, da man doch daS gleiche Ur-
kheil eben über unsere ganze volkSthümliche Gesetz-
gebung fällt.

Meine beiden Gegner haben nöthig gefunde». die
Herren Schöffen zu apostrophiren. Der Hr. Vorredner
hat erklärt. sie würden pflichtwidrig bandeln, wcnn sie

nicht verurtheilten. Jch halte es für ufianständig, sie
ähnlich anzusprechen.

Jch schließe mit dem AuSdruck meineS VertrauenS zu
ihrem Urtheil, das ich ehren werde, wie es auch auS-

Der Vorsitzende schließt die Verhandlung und begib?
sich mit den Schöffe» in'S Berathuugszimmer.

Nach etwa 15 Minuten wnrde das bereitS nütgetheilte
Urlheil verkündigt. Die Entscheidungsgründe waren

Das erste Erforderniß jeder Ehrenkränkung ist eine
bestimmte Perfönlichkeit, gegen welche dieselb'e gerichtet
ist; Jnjnrie kann nnr von einer bestimmten Person
an einer nicht minder bestimmten und bekannten Person
vrrübt werden. Der Ankläger ist in keinem der incri-
minirtcn Artikel genannt. Freilich braucht der Belei-
di^gtc^nicht mtt ^niefi genanul ^ er nu^r

tanen, und ivenn «uch der zweite Artikel^von cincm un-
würdigen Mitbewohner, dem AlleS Vertranen zu ent-
ziehen sei, spricht, so ist doch in diesen Artikeln nicht
der geringste Anhalt dafür Sorhanden, daß dieselben
gegen den jetzt als Ankläger aufgetretenen Kaufmann
I Lindau gerichtet seie». Jn diesem Falle genügt eS
daher selbstverständlich nichi, daß derjenige, der sich bei
einer ganz allgemein gehaltenen Sckmähung getroffen
fühlt, bewcist, er sei derjenige, welcher den die ungön-
stige Kritik hervorgerufen habenden Artikel schrieb, waS
übrigens hicr nicht einmal bcwiesen ist, sondern es bätte
miiidestens bewiesen werden müssen, daß der Ankläger
znr Zeit, wo die angeblichen injnriellen Artikel erschie-
nen, als Verfasser und Unterzeichner der fraglichen

dem Angcklagten bekännt war. Dieser Beweis ^wurde
nicht einmal versucht, viel weniger geführt. Aber auch
abgesehen von dieser Frage der Activlegitimation liegt
eine strafbare Ehrenkränkung odcr Verläumdung nicht

^

in dem Hier sraglichen Preßvergehen zugelassen werden,
weil in der Adresse nach § 607, 631 s — c Str.-G.-B.

in einer etwaigen deutlichen Form, gefallen lassen, denn
cin eben so.kostbares Gut als die Ehre ist die Wahr-
heit und das Recht der frcien Aeußerung. AuS diesen
Gründen und nach Ansicht der 88 291, 294, 305, 307
Str.-G.-B. u. § 326 Slr.-P.-O. wurdr, wie geschehen,

Nachdem der Vorsitzcnde dieseS kundgegeben, erklärte
er die Förmlichkeiten deS Rechtsmittels deS RecurseS, daß
derselbe ^binnen 10 Tagen bei dem großh. KreiSgericht

die Vcrlesung deS Prowcolls, worauf der Vorsitzende er-
klärte. daß demselben die Einsicht des Protocolls nach
der Sitzung freistehe.

DaS zahlreich anwesende Publikum nahm daS Urtheil
niit Beifall auf, nachdenl eS der nahezu 4stündigen Ber-
handlung mit gespannter Aufmerksamkeit und ohne die
geringste Störüng gefolgt war.

Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei in Heidelberg.
 
Annotationen