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Heidelberger Zeitung — 1865 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2822#0442

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hcrvor. Der Mordplan soll sich miiidestens
vom 4. März. dem Tage, wo Lincoln zum
zweiten Malc sein Präsidcntenamt antrat, her-
schrciben. Daß dcr Thäter nicht allein stand,
sondern dag eö sich um ein förmliches Complot
handelt, nntcrliegt keinem Zwdifel, da unge-
fahr um dieselbc Zcit, wo den Präsidenten die
TodeSkugel tras, sein krankcr «taatssccretär
Seward von mehreren Dolchstichen durchbohrt
und desien Sohn von dem Uebethäter so hestig
niedergeschlagen wurdc, daß er am folgenden
Tagc starb. Wenn eS wahr ist, drß auch Grant
als Opfcr prkorcn wrr, sv findcn wir darin
noch einen stärkercn Beweis snr die Thatjache,
daß cin wohlübcrlcgter Plan vorhanden war.
Jedenfalls «ar das Verbrechcn ein politisches;
bloße Privatrachc HLtt- ihren Stoß nicht gegen
die Brust dieser drei Männer gerichtct.

»Der jähe Tod Lincoln's ist, abgesehcn von
jcincr politischen Bedeutung, wohl geeignet, in
hohem Grade eine rein menjchliche Theilnahme
cinzufiößen. Die Perjönlichkeit deS ManneS
war wohl dazu angethan. Viel vcrhöhnt, ver-
schrieen, verachtet und angefeindet, wird Lin-
coln doch cinen geachteten Namen auf die
Nachwelt bringen, und dic Nachwelt wird, wie
wir zuversichtlich bchaupten möchten, abgesehen
von den chrcnwerthen Eigenschasten seineS Cha-
ractcrs, auch seine geistigen FLHigkeiten höhcr
anschlagen, als die Zeitgeuosscn das gemeinhin
gethan haben. Lincoln ist ichwerlich ein Genic
gewescn, viclleicht aber doch gerade ein Mann,
dcn die Vereinigten Staaten als Präsidcuten
brauchen konnten. Wenn man sagte, ber objcure
Advokat aus Jllionis hätte den Posten als
Bürzermeister eines Landstädtchcns allenjalls
ganz rejpectabel aussüllen kvnnen, habc aber
nicht das Zeug zum Präsidenten einer gewal-
tigen Republik i» sich, und wcnn die „Times"
die armen Ainerikaner bedauert, daß sie durch
ihre schlechte Vcrfasjung gezwungen seicn, ihren
Nackcn vier Jahre lang dem Joche eineS solchcn
cigensinnigcn Schwachkopscs zu beugen, svjern
dicjen nicht mittlerwcile der Tod in Gnaden
abberuse oder er jelbst geruhe, seine Stelle
niederzulegcn, so sind das arge Uebcrtreibun-
gen. Ein klciu wcnig Urtheil über die Leute,
von welchen sie stch rcgicren lassen wollen,
muß man den Amcrikanern jelbst doch wohl
auch zutrauen. Wenn sie sich auch viclleicht
nicht dcn geistrrichstcn oder gehildetstcn Mann,
den sie in ihrer Mittc haben, zum Präsidenten
wählcn. sv wählen sie doch keinessalls, wenig-
stenS mit offencn Angen nicht, eineu bloßen
Holzkloh. Lincoln hat sie vier Jahre lang, gut
oder schlrcht, regicrt, und sie haben sich im
vorigen Herbste dafür entschiedcn, sich nochmals
vicr Jahre regieren zn lassen. Dergleichen ist
in dcr Geschichte der Vereinigten Staatcn
nicht ost dagcwefen. Lincvln war kein Mann
von glänzenden, wohl absr »on soliden Eigen-
schaften. Sein g-istiges Wcsen war ebcn so
prunklos, wie seine äußcrliche Erscheinung.
Ehrlichkcit, Wohlwollen, gesnnder Menjchcn-
»crstand, Schlichtheit, ein gewisscr derber hintcr-
wäldlerischer Humor, Milde, Frömmigkcit,
Mäßigunz und zahe Nachhaltigkeit, das waren
die Grnudzüge jeineS Charactcrs.

Die neuesten über London eingegangencn
Bcrichte übcr die Ermordung Lincoln's be-
stätigcn, daß der Elende, welcher der Uuthat
dringend verdächtig ist, ein Schauspieler Na-
mcus Jvhn WilkeS Booth ist. Sein Vater ist
ein geborner Engländer, der fich aus den Bret-
tern in England und später in Amerika cinen
g-wifsen Ruf erworben hatte. Der Mördcr
Booth selbst, der den Namen des berühmten
englischen Demagogen Z°hn.Wilkes sührt, hattc
sich, gleich seinen beidcn Brüdern, ebensalls der
theatralischen Laufbahn gewidmct, und wmbc
in den Vereinigten Staaten, auf deren ver-
schicdenen Bühncn er als „Star" glänzte, als
-inrr d-r bestcn tragischen Schanspielcr ange-
sehen. Ramentlich war er durch sein Gastjpiel
im Jahr 18S9 zu Richmond sehr bekanut ge-
wvrden, allcin außerhalb der Bühne als cin
unmoralijcher und keincSwegs ehrbarer Mann
wenig geachtet. Booth ist ein Mann von mitt-
lerer Gestalt und characteristisch ausgcprägten
Zügen, auS denen ein hvchst erregbares Tem-
perament und eine ungemcine Encrgic fpricht.
Die Familie des Mörders wohnt in Staate

Marhland. — Jn dem officicllen Bericht, den
Kriegssecretär Staunton über dieseS unglück-
selige Ereigniß Herrn Adams, dem nordameri-
kanischen Gesandten in London, zugchen iieß,
und den die englischen Blätter bereits verif-
fentlichen, wird die Ueberzeugung auSgespro-
che», daß die ganze Reihe von Vcrbrechcn daS
Werk einer von den Rebcllen aygezettclten
Verschwörung ist, um den Süden zu rächen
und sciner Sachc aufzuhelfen. UebrigenS ver-
flchcrt Staunton, daß, so surchtbar auch die
von den Feinden des Landes begangenen Gräuel
scin mögen, der öffentliche Geist dadurch keines-
wegs eingeschüchtert und der Untergaug der
Empörung nicht anfgehalten werden wird.

Nach amerikanischen Blättcrn hat der Jua-
rez'jche Obercommandant von Central - Mexico
dpn Kainpf aufgcgeben und seine Armee ent-
lasien.

Deutschland

Heidolbcrg, 29. April. Es stnd vcr-
schiedene Gerüchte im Umlauf über Widersetz-
lichkeiten eiiizelner Gemeindcn gcgen Hrn. Kreis-
schulrath Lentz, indem die Eltern ihre Kinder
nicht in die Prüfung geschickt, ihn sogar in
unfreundlicher Wcise empfangen hätten rc. Wir
stnd in der Lage vcrsichern zu können, daß
dieS sich nicht so verhält. Das Wahrc daran
ist, daß allerdings einige Gemeinden, unter
andern auch dic katholische Gemeinde in Hand-
schuhshcim, freilich zu ihrer Schande und zur
Lchande der ganzen Pfalz, ihrc Kinder von der
Schule zurückhielten, als die dortigcn OrtS-
jchulräths dic Prüfung vornehmcn wollten.
Was aber dic Prüfungcn betrifft, die Herr
Kreisichulrath Leutz bis'jetzt in dcn katholischen
Schulen zu Neckargeinünd und Umgegend vor-
gcnommcn hat, so sind dabci nicht nur keinerlei
Widcrsetzlichkeitcn vorgefallen, sondern es hat
stch viklmehr ein recht freuudlichcS Entgegen-
komineu gczcigt, waS den bitreffendcn Gemcin-
den zu hoher Ehre gercicht. Die Ortsjchul-
räthe der andern Cvnfession wohnten sogar dcn
Prifungcn bci und cS beurkundctc stch gegen
sonst cinc viel größere Theilnahme. Man kann
überhaupt sagen, daß die Schulresorm auf dem
Landc bei Wcilem besser anfgenommen wird,
als man es von gewisser Seite her haben
mvchte. Jm Allgemcinen sind die Leutc doch
nicht so einfältig, und sehen recht gut ein,
welche Vorthcile ihren Kindcrn aus einer bes-
sern Schulbildung erwachsen. Wenn auch eine
oder dic andcre Gemeinde die Zähne zeigt, so
weiß man ja, wer hinten dran stehl und hetzt.
Aber auch diese werdrn endlich zahm werden,
wenn die Straszettel von 1 — 10 fl. kommen
und die Herren Hetzsr von der Stadt oder vom
Pfarrhof nicht gewillt stnd, dieselben zu bezahlen
und der bctrogenc Bauer iu seinen eigenen
Bentcl greifen mnß.

Stutgart, 25. April. Heutc begann die
zweite Kammer ihre Sitzungen wieder. DaS
Eomplexlastengesctz und eben sv daS Gesetz über
Einsührung des dentschen Handelsgesetzbuchs
köiincn nnn promulgirt werden. Eine Nach-
-rigenz sür Jndustrieschulen mit 4000 fi. jähr-
lich ist eingekommcn; cbeiijo eine Note dcs
Finanzministcriums über eine Ftnanzausglei-
chung init dcm fürstlichen Hause Thurn und
Taxis.

Wiesbaden, 25. April. Jn einer hcutigen
fünfstündigen öffentlichen Sitzung der zweilen
Kammer, welchc Präsident Raht Nachmittags 4
Uhr eröffnete nnd der die Herren Regicrnngs-
director Schepp und Rcgiernngsrath Bernhard
beiwohnten, wurde mit 13 gegen 9 Stiminen
(die Mitglieder der Rcchten warcn erschienen)
beschloffen, die Thätigkeit des Hauses zu sistiren,
weil die Mitgiieder der Rechten bei ihrer Er-
klärung beharren, in den Sitzungen, in wel-
chen Wahlprüfungcn vorgenommen werden
sollen, nicht zu crscheincn. Die dicsein Be-
schlusse vorhergcgangenen Debatten crhieltcn
die Zuhörer bis zum Schtusse derselben in der
größten Aufmerksamkeit.

München, 24. April. Jn d-r h-utigen
Sitznng der Abgeordnetenkainmer beantwvrlete
znerst Minister v. Nenmayr die Znterpel-
lation in Betreg der Aushebung dcr Landwehr.
Die Regicrung würde gcgen die Verfaffung

handeln, wollte sie, wie beantragt, die Landwehr
in „ruhendc Activität" vcrsetzen; die Landwehr
ersüllte vollkoinmen ihreu Zweck, nämlich Mit-
wirkung zur Aufrechthaltung der öffentlichen
Sichcrheit; ste habe dieß in den bewegtesten
Zeitcn bewiesen. Dic Regierung habe übrigens
die Angelegenheit stcts mit möglichster Ein-
fachheit behandelt und betreffenden Gesuchen
die geeignete Berücksichiigung angedeihen lassen;
eine völlige Reorganisation werde erst einlrelen
kvnnen, wenn eine entsprechende Reviston des
Gcmeinde-Edicts stattgefnnden habe.

Berlin, 27. April. Die „Krcnzzcitung"
bemerkt, die Zdee der Einberufung einer schleS-
wig-holsteinischcn Landesvertretung sei nicht
von Oesterreich angexcgt worden; im Gcgen-
theil habe dieses jedc darauf beznglichc Andeu-
tung znrückgewiesen. Ferner meldet daS ge-
nannte Blatt, daß der frühcre Jnstizminister
SimonS Behufs der Theilnahmc an den bcvor-
stehenden Sitzungen des Kronsyndikats in Ber-
lin eingetroffen iei. Endlich Lußert sie bezüg-
lich der Nachricht, nach welcher Herr v. Halb-
huber zur Fcier der Grundsteiillegung nicht
eingeladen worden sei, daß auch Hr. v. Zedlitz
eine Einladung nicht erhalten habe, da rS
sclbstvcrständlich sei, daß die oberste Civilbe-
hörde an solchen Festlichkeitcn stch bethcilige.
Auch habc Hr. v. Zcdlitz Hrn. v. Halbhuber
mitgetheilt, daß ein Schiff bereit sei, uni ihn
nach Düppel und Alsen zu führen.

F r „ n k r e i ch

Paris, 25. April. Da die Anwescnheit des
Kaiscrs in Algericn die sosortige Herstellnng
einer telegraphischen Verbindung wünschens-
werth macht, so hat die Regiernng einen Ver-
trag mit einem Jndustriellcn abgeschloffen, der
cin nenes Tau zwischen Oran und Kartha-
gcna lcgl und dasür 1,250,000 Fr. erhält,
jedoch untcr der Bedingung, daß diejer unter-
jeeijchc Telegraph während der ganzen Dauer
der Anwejenheit des Kaises^ in Algerien sich
wirklich brauchbar erweist. Die Verzögernng
der Abreije des KaijerS crklärt sich dadnrch
jehr einfach.

Paris, 27. April. Der Kaiser reist am
Samstag Vormittag ab. — Berichte ans Peking
vom 3. April melden, daß dcr Prinz Kong all
jeiner Würdcn cutsetzt ist. DaS Deparlemcnt
des AuSwärtigen ift Uen-Swing und dcffen
Collegcn übertragen.

E ü g la n d. ,

London, 27. April, Abends. Wic im Untcr-
hanS durch Lord Palmcrston, wurde anch im
OberhanS durch Gras Russel eine Condolcnz-
nnd Sympathieadresse in Betreff der Ermor-
dung Lincoln's an die Königin beantragt, welche
diese befördern möge. Das vom Schatzkanzler
Gladstone vorgelcgte Budget weist gegenüber

70.313.000 Pf. St. Einnahmen 68,482,000
Ps. St. Ausgaben und einen Ueberschuß von

3.851.000 Pf. St. in dicscm Zahr, im Bor-
anschlag sürs nächste Zahr 70,170,000 Pf St.
Einnahmen, 66,139,0(X) Pf. St. Ausgaben
und einen Ueberschuß von 4,031,000 Pf. St.
nach. Der Schatzkanzler beantragt, den Thee-
zoll aus 6 Pence, die Eiiikommcnsteuer um
2 Pence und außerdem die Steuerversicherungs-
und mehrere andere Stempeltaxen herabzusetzen.
Der Totalbetrag dieser Herabsetzungen wnrde

3.778.000 Pf. St. betragcn und somit nur
noch ein Ueberschnß von 253,000 Ps. St.
blciben.

Z t a l i e n.

Rom, 25. April. Eine zweite Audienz
Vegezzi's bei Sr. Heiligkeit hatte solgendes
Resultat: Die bereits benannten-Bischöfe dür-
fen ohne Huldigungseid, auch andere verbannte
und eingekerkerte Bischöfe dürfen auf ihre Sitze
zurückkehren. Der Papst erkennt das Ernen-
nungsrecht des Königs, bezüglich der lombar-
dischen und piemontesischen Bischöfe, nach alten
Rechten an.

Turin. 27. April. Auf einen vom Depu-
tirten Crispi gemachten Vorschlag faßte die
Kammer den Bcschluß, daß die Fahne aus dem
Palast der Deputirtenkammer währenb drer
Tagen wegen des Mordes des Prästdenten
Lincoln in Trauerflor gehüllt werde. Auf Vor-
 
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