es, wenn diese betrübliche Sachlage von Künstlern
und Kunstpflegern ausgenützt werden sollte, um den
künstlerischen Gegnern das Wasser abzugraben.
Ich kenne das Bauhaus nur aus seinenVeröffentlichun-
gen, und obwohl ich eine ganze Last von Bedenken
im einzelnen gegen die dort bisher geübten Metho-
den habe, obwohl ich mutmaße, daß ich selbst dort
niemals besondere Sympathien genossen habe, er-
kenne und bekenne ich, daß diesem Unternehmen
eine wichtige Aufgabe in der Entwicklung zugefal-
len ist und noch zustehen kann. Ich weiß, daß un-
sere Zeit nicht einheitlich marschieren kann und
daß, da ich selbst mich zu Versuchen berechtigt und
genötigt glaubte, anderen dasselbe Recht zu Ver-
suchen zugestanden wrerden muß. Ich gehe weiter:
auch denen, die von Versuchen nichts wissen wol-
len (die aber in der Regel die Ergebnisse sehr gern
für sich benützenj oder die in geschmäcklerischem
Behagen verw eilen wollen, auch denen spreche ich
das Becht, zu sein, wie sie sind, nicht ab. Ich wun-
dere mich nicht einmal über ihre Unduldsamkeit.
Aber die Unduldsamkeit darf nicht zu dogmatischem
Haß, zum Willen, lebendige Keime zu vernichten,
ausarten. Sie darf nicht Lügen kolportieren, wie die
von der bolschewistischen Natur des neuen Bauens.
Denn die Wahrheit ist, daß Deutschland und seine
deutschstämmigen Nachbarländer, Holland und die
Schweiz, Ursprungsörter der Entwicklung genannt
werden müssen. Die Russen sind durchaus Nach-
ahmer in diesem Punkt. Und daß von den deutschen
Neuerern einige sich zum Sozialismus bekannt haben,
ist kein vernünftiger Grund, die Neuerung als solche
für undeutsch zu halten. Der reine Kern der Bewe-
gung, losgelöst aus dem trüben Dunstkreis literarisch-
eitler Verdrehung und snobbistischer Nachäffung, ist
deutsch: seinY\ esen ist Redlichkeit, harte Selbstent-
äußerung bis zur vorläufigen Aufgabe des überliefer-
ten Kunstbegriffs. Nur aus diesem Punkt kann die
Kunst erneut werden, wenn es überhaupt möglich
ist — oder sie dämmert hin in immer ungeistigeren
Formalismen.
Keiner, der die Welt kennt, wird von einer solchen
Bewegung fordern, daß ihre Ergebnisse sofort den
ästhetischen Vergleich mit geschichtlichen Hoch-
werten aufnehmen können. Am Anfang steht die
Gesinnung, am Ende erst der Wert. Ohne Verzichte
geht's nicht ab: das ist hart, besonders in einer Zeit
überhellen Bewußtseins von allem, was ist und wer-
den will. Vonnöten ist ein sicherer Glaube an das
Werdende und an die gebende Hand, die es uns an-
bietet. Wieder einmal steht das deutsche Volk vor
der Möglichkeit, Gestalt zu gewinnen. Und wieder
ist es das deutsche Volk selbst, das diese Möglichkeit
zu zerschlagen sich anschickt. Man sucht da und
dort krampfhaft zu erforschen, was ist eigentlich
„deutsch". Ich weiß nur das eine: Fanatismus ist
nicht deutsch."
Th. Fischer
Fritz Gabionski und Wolfgang Vogl, München
Friedhofskapelle bei Grünwald-München
32
und Kunstpflegern ausgenützt werden sollte, um den
künstlerischen Gegnern das Wasser abzugraben.
Ich kenne das Bauhaus nur aus seinenVeröffentlichun-
gen, und obwohl ich eine ganze Last von Bedenken
im einzelnen gegen die dort bisher geübten Metho-
den habe, obwohl ich mutmaße, daß ich selbst dort
niemals besondere Sympathien genossen habe, er-
kenne und bekenne ich, daß diesem Unternehmen
eine wichtige Aufgabe in der Entwicklung zugefal-
len ist und noch zustehen kann. Ich weiß, daß un-
sere Zeit nicht einheitlich marschieren kann und
daß, da ich selbst mich zu Versuchen berechtigt und
genötigt glaubte, anderen dasselbe Recht zu Ver-
suchen zugestanden wrerden muß. Ich gehe weiter:
auch denen, die von Versuchen nichts wissen wol-
len (die aber in der Regel die Ergebnisse sehr gern
für sich benützenj oder die in geschmäcklerischem
Behagen verw eilen wollen, auch denen spreche ich
das Becht, zu sein, wie sie sind, nicht ab. Ich wun-
dere mich nicht einmal über ihre Unduldsamkeit.
Aber die Unduldsamkeit darf nicht zu dogmatischem
Haß, zum Willen, lebendige Keime zu vernichten,
ausarten. Sie darf nicht Lügen kolportieren, wie die
von der bolschewistischen Natur des neuen Bauens.
Denn die Wahrheit ist, daß Deutschland und seine
deutschstämmigen Nachbarländer, Holland und die
Schweiz, Ursprungsörter der Entwicklung genannt
werden müssen. Die Russen sind durchaus Nach-
ahmer in diesem Punkt. Und daß von den deutschen
Neuerern einige sich zum Sozialismus bekannt haben,
ist kein vernünftiger Grund, die Neuerung als solche
für undeutsch zu halten. Der reine Kern der Bewe-
gung, losgelöst aus dem trüben Dunstkreis literarisch-
eitler Verdrehung und snobbistischer Nachäffung, ist
deutsch: seinY\ esen ist Redlichkeit, harte Selbstent-
äußerung bis zur vorläufigen Aufgabe des überliefer-
ten Kunstbegriffs. Nur aus diesem Punkt kann die
Kunst erneut werden, wenn es überhaupt möglich
ist — oder sie dämmert hin in immer ungeistigeren
Formalismen.
Keiner, der die Welt kennt, wird von einer solchen
Bewegung fordern, daß ihre Ergebnisse sofort den
ästhetischen Vergleich mit geschichtlichen Hoch-
werten aufnehmen können. Am Anfang steht die
Gesinnung, am Ende erst der Wert. Ohne Verzichte
geht's nicht ab: das ist hart, besonders in einer Zeit
überhellen Bewußtseins von allem, was ist und wer-
den will. Vonnöten ist ein sicherer Glaube an das
Werdende und an die gebende Hand, die es uns an-
bietet. Wieder einmal steht das deutsche Volk vor
der Möglichkeit, Gestalt zu gewinnen. Und wieder
ist es das deutsche Volk selbst, das diese Möglichkeit
zu zerschlagen sich anschickt. Man sucht da und
dort krampfhaft zu erforschen, was ist eigentlich
„deutsch". Ich weiß nur das eine: Fanatismus ist
nicht deutsch."
Th. Fischer
Fritz Gabionski und Wolfgang Vogl, München
Friedhofskapelle bei Grünwald-München
32