Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0072
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Breuer, Peter: Zu den Bildern von Joseph Pilartz
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München und schafft in Wasserburg a. Inn autodi-
daktisch weiter. Seine ersten Erfolge reifen; auch
die deutsch-skandinavische Ausstellung zeigte eine
seiner Wachsmalereien.
Der gebürtige Kölner ist auch geistig in der Welt
des Stephan Lochner beheimatet. Doch durchwan-
derte er die von der Industrie durchschüttelte rhei-
nische Heimat vergebens und suchte auch im ruhi-
geren deutschen Süden lange, bis er in jener heute
noch mittelalterlichen Stadt und in der reichgestaf-
felten Voralpenlandschaft des Inntals die Landschaft
fand, die er brauchte. Der Landschaft war er im
Krieg nahegekommen, nämlich als Artilleriebeob-
achter an der Westfront, und auch seine heutigen
Arbeiten behalten etwas Kartographisches: nicht
nur äußerlich, sondern auch in der geistigen Haltung
eines unentwegten Beobachters, der auch das Aller-
geringste anvisiert. Seine Malerei ist unpathetisch,
ungenialisch, aber unbestechlich und ohne jede
schöngeistige oder technische Schummelei. Er schil-
dert ab. er schildert; grade daher kann in seine Bilder
unmerklich etwas einfließen, was man stadtferne
Innigkeit, natürliche Bomantik, herbdeutschen Cha-
rakter der Landschaft nennt. Werte allerdings, die
im internationalen Geisteshandel vorerst wenig
Marktwert besitzen. Es ist eine einfache Bekenntnis-
kunst in schlichter Kleinmalerei. Die Wachsmalerei
fordert für eine der großen Arbeiten des Zyklus
..Jahreszeiten" fast ein halbes Jahr an Arbeitszeit,
ist also auch hierin das Gegenteil von Flottheit und
Virtuosität. Übrigens zwingt die Enkaustik nicht un-
bedingt zum Langsammalen, hier setzt sich vielmehr
Pilartz" altmeisterlicherCharakterdurch. DieLeucht-
kraft seiner Wachsfarben ist von einer ausgeglichenen
Sanftheit und doch herb und spröde, wo's angebracht
ist. Er malt die Dinge in der Natur in der Ordnung
derVielheit, desNebeneinander- undHintereinander-
stehens. Subordiniert aber alles dem Himmel, zu
dem ein Baum, ein Hausdach, eine Kirchturmspitze
oder eine Gebirgskette überleitet. So spricht er ein-
fach und tendenzlos seine soziale, seine Brüderlich-
keits-Gesinnung aus. Bis heute ist er schon ein
inniger und fleißiger Kartograph der süddeutschen
Natur geworden und wird, nachdem das Landschaft-
liche nun zu einem gewissen Abschluß gekommen
ist, auch das Figürliche, wie es in religiösen Motiven,
Interieurs und Bildnissen bereits vorgekeimt ist, zu
realisieren beginnen. Di . Peter Breuer
Joseph Pilartz. Frühling
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daktisch weiter. Seine ersten Erfolge reifen; auch
die deutsch-skandinavische Ausstellung zeigte eine
seiner Wachsmalereien.
Der gebürtige Kölner ist auch geistig in der Welt
des Stephan Lochner beheimatet. Doch durchwan-
derte er die von der Industrie durchschüttelte rhei-
nische Heimat vergebens und suchte auch im ruhi-
geren deutschen Süden lange, bis er in jener heute
noch mittelalterlichen Stadt und in der reichgestaf-
felten Voralpenlandschaft des Inntals die Landschaft
fand, die er brauchte. Der Landschaft war er im
Krieg nahegekommen, nämlich als Artilleriebeob-
achter an der Westfront, und auch seine heutigen
Arbeiten behalten etwas Kartographisches: nicht
nur äußerlich, sondern auch in der geistigen Haltung
eines unentwegten Beobachters, der auch das Aller-
geringste anvisiert. Seine Malerei ist unpathetisch,
ungenialisch, aber unbestechlich und ohne jede
schöngeistige oder technische Schummelei. Er schil-
dert ab. er schildert; grade daher kann in seine Bilder
unmerklich etwas einfließen, was man stadtferne
Innigkeit, natürliche Bomantik, herbdeutschen Cha-
rakter der Landschaft nennt. Werte allerdings, die
im internationalen Geisteshandel vorerst wenig
Marktwert besitzen. Es ist eine einfache Bekenntnis-
kunst in schlichter Kleinmalerei. Die Wachsmalerei
fordert für eine der großen Arbeiten des Zyklus
..Jahreszeiten" fast ein halbes Jahr an Arbeitszeit,
ist also auch hierin das Gegenteil von Flottheit und
Virtuosität. Übrigens zwingt die Enkaustik nicht un-
bedingt zum Langsammalen, hier setzt sich vielmehr
Pilartz" altmeisterlicherCharakterdurch. DieLeucht-
kraft seiner Wachsfarben ist von einer ausgeglichenen
Sanftheit und doch herb und spröde, wo's angebracht
ist. Er malt die Dinge in der Natur in der Ordnung
derVielheit, desNebeneinander- undHintereinander-
stehens. Subordiniert aber alles dem Himmel, zu
dem ein Baum, ein Hausdach, eine Kirchturmspitze
oder eine Gebirgskette überleitet. So spricht er ein-
fach und tendenzlos seine soziale, seine Brüderlich-
keits-Gesinnung aus. Bis heute ist er schon ein
inniger und fleißiger Kartograph der süddeutschen
Natur geworden und wird, nachdem das Landschaft-
liche nun zu einem gewissen Abschluß gekommen
ist, auch das Figürliche, wie es in religiösen Motiven,
Interieurs und Bildnissen bereits vorgekeimt ist, zu
realisieren beginnen. Di . Peter Breuer
Joseph Pilartz. Frühling
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