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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [1]
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Die akademische Ausstellung in Berlin.

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daß sie alle doch dem großen allgemeinen Ganzen dienen.
Was nutzt ein Profit in diesem Ressort, wenn in jenem
dafür eine um so größere Ausgabe nöthig wird? Manch
werthvoller Bauplatz ist auf diese Weise noch in den
letzten Jahren unrettbar verloren gegangen, spätere
Neuankäufe können bei dem beständigen Steigcn des
Bodenwerthes nur in den seltensten Ausnahmen und
mit enormen Kosten wieder so günstige Lagen berück-
sichtigen. So lange dieser Geist herrschtz ist es viel-
leicht ganz gut, daß wir mit unseren großen Staats-
bauten nur wenig von der Stelle kvmmen (vergl. Reichs-
tagsgebände, Knnstakademie 'mit Ausstellnngsräumen,
Gewerbcmuseum, große Bibliothet rc.)!

Aber noch aus einem zweiten Grunde darf man
dies vor der Hand nicht so schr beklagen. Noch herrscht
nämlich bei uns im großen Ganzen die Praxis, daß.die
Ausarbeitung selbst wichtiger Monnmentalaufgaben ein-
fach den Baubeamten der betreffenden Ministerialabthei-
lung zufällt. Bekanntlich aber ist in den meisten Fällen
ein großer Unterschied zwischen einem tüchtigen Bau-
beamten und einem ebensolchen Künstler.; ja wenn man
nur die Erfahrung reden lassen wollte, so könntc man
fast sagen, das eine schließe das andere aus. Wird doch
nur zn oft all die Begeisterung und der künstlerische
Schwung der jungen Jahre, wo solcher überhaupt vor-
handen gewesen, durch eine langjährige Beamtenlauf-
bahn mit ihrem ertödtenden Einerlei der Geschäfte un-
barmherzig erdrückt; und wohin bisweilen unsere heutige
Methode führt, daß hat in neuester Zeit wieder in be-
dauernswerther Weise der Umbäu des Kommandantur-
gebäudes gegenüber dem Zeughause, älso an der archi-
tektonisch bedeutendsten Stelle Berlins, imnitten der
ruhmvollen Schöpfungen Schlüter's, Schinkel's, Kno-
belsdorf's und Langhans' gezeigt.

Erst nach diesen Vorbemerkungen und den. in den-
selben enthaltenen Reservaten möchte ich einstimmen in
den allgemein und lange gehegten Wunsch nach Umbau
der Akademie und, damit verbunden, nach Beschaffung
größerer, vor allen Dingen besser beleuchteter Aus-
stellungsräume, wobei es mir scheint, daß nichts
Glücklicheres geschehen kvnnte, als ein Zurückgreifen auf
den Schinkel'schen Grundgedanken. Berlin ist mit all
seinen hochbedeutenden Architekturen doch im Hinblick
auf andere Städte äußerst arm an originellen, das
Verkehrsleben der Fremden und Einheimischen fesselnden
reizvollen Bauanlagcn. Jedenfalls muß die Frage des
Umbaues in nächster Zeit zum Austrag kommen, dafür
bürgt der den disponiblen Raum weit übersteigende An-
drang von Gcmälden. War schon bei früheren Aus-
stellungen in Rücksicht auf den beschränkten Raum eine
Auswahl nöthig, so haben dies Mal nicht weniger als
529 Kunstwerke zurückgewiesen werden müssen, d. h. ge-
rade die Hälfte der überhaupt ausgestellten; und hätte

man gar nur so viele annehmen wollen, als leidlich
sichtbar unterzubringen waren, so hätten noch einige
hundert Bilder mehr fern bleiben müssen. Das sind
Zustände, die selbstverständlich nicht länger haltbar sind!

Jm Hinblick auf die letzten Ausstellungen zeigt die
diesjährige einen Rückschritt; diese Beobachtung drängt
sich schon dem stüchtigen Besucher auf. Zunächst fehlen
jene großen Werke von durchschlagendem Effekte, die uin
ein Bedeutendes aus der Menge des Mittelgutes hervor-
ragen; oder was etwa davon vorhanden, ist doch schon
von Wien und von den hiesigen Ausstellungen her be-
kannt. Weiter vermißt man mehrere der besten Namen,
so beispielshalber Menzel, Knaus, Vautier, während
eine ganze Anzahl anderer nur durch eine oder die an-
dere Arbeit von geringerer Bedeutung vertreten ist.

llnter den mannigfachen Ursachen dieses momenta-
nen Zurückweichens gegen früher, deren Beleuchtung im
Einzelnen hier zu weit führen würde, nehmen die ehe-
maligen und jetzigen Berhältnisse des Geldmarktes die
erste Stclle ein. Es ist uns Allen noch in frischester
Erinnerung, wie die an der Börse rapid auftauchenden
Geldfürsten in Verbindung mit der eleganten Einrich-
tuug ihrer Wohnungen diese auch, es koste was es wolle,
mit Geniälden zu dekoriren, ja ganze Bildergalerien zu-
sammenzubringen bestrebt waren. Die Redensart voin
„armen Künstler" wurde dadurch wenigstens zeitweilig
ein überwundener Standpunkt. Oft wurden von der
Staffelei fort noch unvollendet die Arbeiten verkauft-
Daß bei einem so selten blühenden Geschäft die Künst-
ler die Kunst nicht selten aus den Augen verloren, war
nur menschlich. Kam es doch nur zu häufig nicht auf
die Qualität des betreffenden Werkes sondern allein auf
den renommirten Namen an. Jn flüchtiger Hast ent-
stand so manches mit enormen Summen bezahltes Werk.
Wer entsinnt sich nicht auf dieser odcr jener kleineren
Ausstellung kopfschüttelnd vor solchen Arbeiten gestanden
zu haben, bis ihm der angeheftete Zettel „im Besitz
des Herrn BanquierM." Aufklärung gab und ein Lächeln
wccktc. Auch der lieben Mittelmäßigkeit fehlte es nicht
an Absatz; es war eben Mode, Gemälde zu kaufen und
sich malen zu lassen.

Ein solcher Zustand hätte aber ohne nachtheiligc
Folgen nicht langö' andauern dürfen; deshalb ist es in
vieler Hinsicht als ein Vorzug zu begrüßen, daß den
fetten Jahren jetzt die mageren folgen. Noch aber haben
es die Künstler, wie die diesmalige Ausstellung zeigt,
nicht dahin gebracht, den Stillstand der Geschäfte zur
Vertiefung des Strebens auszunutzen. Das wird hoffent-
lich das nächste Mal hervortreten!

L. v.
 
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