Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Verschiedenes und Inserat
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0011

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
11

Kuustliteratur. — Nekrolog.

12

dunklen Gewändern der beiden Männer und dein
düstern Zimmer hebt sich lieblich die Braut in
Gretchentracht ab: zu den langen blonden Zöpfen
stimmt sehr schön das blaue Gewand mit schwarzem
Brustlatz. Zu der Thnre drängen sich die wenigen
Zeugen dieser Scene herein und geben dem Bilde
nach dieser Seite hin deu Abschluß. Da das Bild
im Auftrage des genannten Bereins gemalt worden
ist, sv soll es ein historisches Bild sein, nnd das
will uns gar nicht so bedünken. Historisch ist frei-
lich der Vorgang — verfehlt doch sogar die Unter-
schrift nicht zu bemerken, daß er am 13. Juni 1525
stattfand, — historisch ist besonders das Luthergesicht,
vielleicht auch das der Katharina und des Geistlichen,
historisch ist das Kostüm — aber genügt das schon
zu einem historischen Bilde? Soll ein solches uns
nicht einen bedeutungsvollen Moment gerade in seiner
Bedeutsamkeit vor Augen führen, so daß diese un-
mittelbar herausgefühlt wird? Denken wir uns,
cs kennte Jemand Luther's Züge nicht und es
sehlte die Beischrift mit ihrer Erklärung, hätte ein
Solcher die Empfindung, daß hier ein Ereigniß von
einschneidender Bedeutung im Gange der Geschichte dar-
gestcllt ist? Man hielte es sicherlich für ein recht
schönes Genrebild und wunderte sich nur, daß der Maler
einen solchen Aufwand von Leinwand und Farben für
einen so alltäglichen Gegenstand gemacht hat, sür welchen
ein kleines Format durchaus hinreichend gewesen wäre.
Nun aber erkennen wir Luther in dem knieenden Manne —
genügt das, um das Genrebild zum historischen zu machen?
Wo ist in dem Bilde auch »ur die geringste Andeutung von
der weittragenden Bedeutung jenes Schrittes Luther's, den
er erst zögernd und nach vorangegangenem Beispiele
that, und der doch gerade bei ihm so folgenreich wirkte,
daß Gustav Freytag mit Recht sagen kann: „Und diese
Ehe, gegen die Meinung der Zeitgenossen unter dem
Hohngeschrei der Gegner geschlossen, wurde ein Bund,
dem wir Deutsche ebensoviel verdanken, als den Jahren,
in denen er, ein Geistlicher der alten Kirche, für seine
Theologie die Waffen getragen hatte. Denn von jetzt wurde
der Gatte, der Vater, der Bürger auch Reformator des
häuslichen Lebens seiner Nation, und gerade^pr Segen
seiner Erdentage, an welchem Protestanten und Katho-
liken heut noch gleichen Antheil haben, stammt aus der
Ehe zwischen einem ausgestoßenen Mönche und einer
entlaufenen Nonne" (Bilder deutscher Vergangenheit I,
S. 154), — wo ist in dem Bilde auch nur eine Spur
von alledem enthalten? Wo ist die geringste Andeutung
davon, daß wir auf der scharfen Scheidewand zweier
kampfgerüsteter und in hellem Feuer des Streites auf-
lodernder Weltanschauungen stehen, und daß gerade
dieses Ereigniß ein kräftiges Gewicht in der Wagschale
der Anschauung ist? Aber, wird man vielleicht ent-

gegnen, wie läßt sich dies bildlich darstellen?
wohl, wenn es nicht möglich ist, so stelle man es eben
nicht dar, so wiegemansich aber auch nicht indem Traume,
ein historisches Bild erlangt und geschaffen zu haben,
wenn man ein historisch Geschehenes als Vorwurf fui
ein Bild nimmt. Nicht nnr in dem Ereigniß selbsst
sondern auch in der Darstellung muß gerade das Ele-
ment der Handlung hervortreten, das über den engen
Kreis des Einzelnen hinaus in die Breite eines ganzen
Volkslebens seinen Wellenschlag fühlbar macht, das
aber auch über die Gegenwart hinaus in die ungemessene
Weite der zeitlichen Entwickelung wirkt und gerade da-
durch dem einzelnen Ereigniß seine allgemeingültige,
seine historische Bedeutung sichert- Das Element wivd
sich aber in der Regel in einem Verlassen der betretenen,
herkömmlichen Wege, in einem Aneinanderprallen gegne-
rischer Kräfte zeigen. Wo aber diese einander entgegen-
laufenden Richlungen in die Darstellung nicht hereingezogen
oder doch nicht deutlich genug markirt werden können,
wo schon der Ort und die Art des Vorgangs solches
Hereinziehen, ja selbst nur eine Andeutung ausschlicßt,
da strebe man nicht nach Unmöglichen und lasse das
historische Bild bei Seite, es sei denn, daß man noch
eine künstlerische Empfindung zu haben vermeint, wenn
durch eine nicht von dem Bilde, sondern von derUnterschnft
angeregte, selbständig sich ausbreitende Jdeenassociation
einer genrehaften Darstellung eine historische Bedeutung
untergeschoben wird, eine Jdeenassociation, die nicht n»r
vom guten Willen und der Gefälligkeit des Beschauers
abhängt, welche nicht immer dem Künstler entgegen-
kommen, sondern auch von seinen Kenntnissen und seiner
Denkfähigkeit, welche bekanntlich noch viel seltener vor-
handen sind.

Anicklitkratnr.

Königliches Museum im Haag. Unter dem Titcl
„blotios Qistorigus el äesorixtivs <1ss tadlsaux st äes
soutxturss sxposes ckaus 1s musss roz'Ll äs Ua Uaz's"
ist kürzlich ein neuer, trefflich ausgestaiteter Katalog der öfsent-
lichen Kunstsammlung des Haag bei Mart. Nijhoff erschienen.
Der Herausgeber, Victor van Sruers, giebt eine knrze
Geschichte der Galerie als Cinleitung, biographische Notizen
weisen den Künstlern ihre kunstgeschichtliche Stellung an,
knappe Beschreibungeip der Knnstwerke dienen zur Erläuternng
und zur Aufsrischung des Gedächtnisses; eine Menge von Mono-
grammen und Beischriften, sowie Angabeu über die Pw-
venienz der Gegenstände leihen der Pnblikation besonderen
Werth sür kunstgeschichtliche Studien. Zum Nachschlagen ist
ein Künstlerregister und ein Register der Porträts beigefügt.

Nekrolog

Der Kupferstecher Fritz Oldermann, im Jahre I8lt2 sn
dem Städtchen Werther unweit Bielefeld geboren, starb >>s
Berlin am 18. September. Sohn eines Kaufmanns, war er
von den Eltern sür denselben Berus bestimnit und trat i>»
14. Jahre seine Lehrzeit an. Sein früh entwickeltes Zeichen-
talent trieb ihn, seine Mußestunden mit Studien auszufüllen,
bei denen er durch den Unterricht eines Zeichenlehrers Unter-
 
Annotationen