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Kunstliteratiir,
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deshalb bei einem Leiden gerade an solche Heilige, welche
'vährend dieses Lebens ein ebensolches Leiden durchge-
"'"cht habcn und darum zur Erhebung ciner Fürbitte
Gott nm so gcneigter sein müsscn. Die bildende
^»nst nun, welche ben Gläubigen den Heiligen leibhaftig
"vr Augen führen will, kann diesen entweder drama-
''sch darstellen, d. h. in einer Handlung begriffen und
)biar wohl nieist in derjcnigen, welcher er seinc Ver-
^vung verdankt („historische Darstcllung"), oder aber
"lpisch, d. h., so daß der ihm bleibend innewohnende
^harakter zum Gegenstande der Darstellung wird („An-
^chisbild", welchen Ausdruck wir als unterscheidenden
sucht für ansreichend haltcn, da auch eine „historischeDar-
Üellung" als Andachtsbilv benutzt werden kann). Jn
^ksein letzteren Falle wird der Künstter selten ini Stande
Ir>n, die bleibende Bedeutung durch die körperliche Dar-
^llung des Heiligen allein zu erreichen; er wird Hülfs-
'Uittel brauchcn unb dazu entweder solche nehmcn, welchc
chm das Lebcn und die Gcschichtc des Heiligen bictet
(veale, historische Zcichen, „Attribute"), oder aber nur
undeutende Zeichen, welche auf die Geschichte und den
^haraktcr des Heiligen einen mehr geistigen Bezug
haben (idealc Zeichen, „Symbole") unb dahcr cine „re-
'igiöse Jdee ausdrücken." Das Verständniß solcher
^arstellungen verlangt also nicht nur eine Kenntuiß der
^egende, sondern auch der religiösen Beziehung der
Äeichen, und diese ist eine so mannichfaltige und oft
Iv willkürliche, baß cin Wegwciser nur erwünscht
>ein kann.
Dasjcnige uuu, was Wessely's Jkonographic vor
srüheren Werken dieser Art, wie dem von Radowitz und
^efsen Nachfolgern, auszeichnet, ist der reiche Nachweis
tvirklicher Darstellungen, der nur in einzelnen Fällen,
'vie bei der Maria als Negerin nicht zu erniöglichen
>var. So wird das Buch ein wirkliches Handbuch der
Äkonographie und regt zu selbständigem Aufsuchen und
ebendadurch zu geuauem Kennenlernen des sonst nur
iheoretisch Gegebenen an, erleichtert aber gerade da-
durch anch das Finden, wcnn eS sich daruni handelt,
ivgend einc Heiligendarstellung richtig zu erkennen und
M benennen. Zu dieseni Zweck giebt der Berfasser nach
eirier Einleitung, einer Hinweisung auf die benutzte
^iteratur und einer sehr nützlichen, bei Radowitz z. B. als
iiberflüssig weggelasscncn kurzen Bcschreibung der Tracht
der einschlägigen Orden zunächst dic Darstellungen der Tri-
vität und der drei göttlichen Personen, sodänn in einem
selbständigcn Abschnitte „Maria die h. Iungsrau und
2Hutter Christi", und weitcr in alphabetischer Folge
die Heiligen, dercn Anzahl Legion ist. Hier ist nach
dem Namcn der Stand, die Zcit, der Fcsttag (und
zwar nach den Bollandistcn), die Art der Darstellung
vebst kurzer Andeutung der Legende und endlich der
Nachweis der bildlichen Darstellung gegeben, so daß in
jedem einzelnen Falle das gesammte Material zur Hand
ist. Bei dem Nachweis bildlicher Darstellungcn nimmt
der Verfasser seine Beispiele in anzuerkennender Weise
aus allen Zweigen der bildenden Kunst, namentlich auch
aus bem reichen Gebiet der Holzschnitte und Kupfer-
stiche, die in den größeren Sammluugeri Jedem leicht
zu Gebote stehen. Selbstverständlich aber gicbt und
beabsichtigt der Berfasser nicht eine Vollständigkeit in
der Aufzählung der Bildwerke, welche über den Bereich
des Buches hinausginge. Ebensowenig kommt es bei
ihrcr Aufzählung anf ihren Kunstwerth an, in welcher
Beziehung der Verfasser vielleicht die hie und da ein-
gestreuten, hierauf bezüglichen Bemerkungen besser weg-
gelasscn hätte, da sie nicht im Plane des Buches liegen,
z. B. S. 36 bei Caravaggio: „Sehr uaturalistisch,
aller Poesie baar" oder bei „Maria mit dem göttlicheu
Kindc" S. 40: „A. Dürer re. Oft, nnd ist eine Kom-
position reizender als die andre" — eine Bemerkung,
die obendrein zu dem sonst streng wissenschaftlichen
Tone des Buches wenig passen will. An diesen Haupt-
theil schließen sich „die Attribute mit ihren Heiligen"
sodann „das Patronat der Heiligen", ein Abschnitt, auf
welchen der Verfasser mit Recht Gewicht legt, da er
auch für andere Wissenschaften nutzbringend ist. So
ist kulturhistorisch und philosophisch gewiß die Jdeen-
association vou Bedeutung und Jnteresse, durch welche
manche Heilige zur Ehre des Patronates gekommen
sind, wie die beiben, auf welche der Verfasser (S. 438)
selbst hinweist: Färber wählten den h. Mauritius, wcil
er gefärbt, ein Mohr war, die Salpetersieder die h.
Barbara, weil ein Blitz ihren Vater erschlug! Hieran
schließen sich die Patrone für das Wohlergehen beson-
derer Theile des menschlichen Körpers, z. B. Erasmus,
Bischof vou Antiochicu, dem mit eiuer Winde die Ein-
geweide herausgezogen wurden, für den Unterleib u. s. w.,
sobanu bas Patronat der Heiligen in besonderen Lebens-
verhältnissen, z. B. für Berbrecher, die zur Hinrichtung
gcführt werden, Dismas, der mit Christus gekreuzigte
rcuige Schächer; dann das Patronat der Heiligen zur
Erlangung verschiedener Güter (z. B. eineu guten Ehe-
mann zu bekommen helfen zwei: Anton von Padua
und Nicolaus) oder Befriedigung diverser Wünsche
(z. B. schönes Wetter, fruchtbarer Regen, gute Herberge),
gegen Krankheiten, Unglücksfällc (z. B. saures Bier,
alte Weiber) und andcre Uebel, Patrone der Elemente
und Thiere (z. B. für Schafe: Lupus (!) von Sens),
endlich Patroue der Läuder und Städte, mit welchem eine
schöne Uebersicht gewährenden Abschnitt der reiche Jnhalt
dieses fleißigcn Buches abschlicßt, aus dessen Gebrauch
ein Nutzen nach verschiedenen Seiten hin für die Kunst
wie für Geschichte und deren Hülfswissenschaften zu
ziehcn ist, das wir aber vor allen Dingen in der Hand
derjenigen Künstler und Kunstfreunde sehen möchten,
Kunstliteratiir,
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deshalb bei einem Leiden gerade an solche Heilige, welche
'vährend dieses Lebens ein ebensolches Leiden durchge-
"'"cht habcn und darum zur Erhebung ciner Fürbitte
Gott nm so gcneigter sein müsscn. Die bildende
^»nst nun, welche ben Gläubigen den Heiligen leibhaftig
"vr Augen führen will, kann diesen entweder drama-
''sch darstellen, d. h. in einer Handlung begriffen und
)biar wohl nieist in derjcnigen, welcher er seinc Ver-
^vung verdankt („historische Darstcllung"), oder aber
"lpisch, d. h., so daß der ihm bleibend innewohnende
^harakter zum Gegenstande der Darstellung wird („An-
^chisbild", welchen Ausdruck wir als unterscheidenden
sucht für ansreichend haltcn, da auch eine „historischeDar-
Üellung" als Andachtsbilv benutzt werden kann). Jn
^ksein letzteren Falle wird der Künstter selten ini Stande
Ir>n, die bleibende Bedeutung durch die körperliche Dar-
^llung des Heiligen allein zu erreichen; er wird Hülfs-
'Uittel brauchcn unb dazu entweder solche nehmcn, welchc
chm das Lebcn und die Gcschichtc des Heiligen bictet
(veale, historische Zcichen, „Attribute"), oder aber nur
undeutende Zeichen, welche auf die Geschichte und den
^haraktcr des Heiligen einen mehr geistigen Bezug
haben (idealc Zeichen, „Symbole") unb dahcr cine „re-
'igiöse Jdee ausdrücken." Das Verständniß solcher
^arstellungen verlangt also nicht nur eine Kenntuiß der
^egende, sondern auch der religiösen Beziehung der
Äeichen, und diese ist eine so mannichfaltige und oft
Iv willkürliche, baß cin Wegwciser nur erwünscht
>ein kann.
Dasjcnige uuu, was Wessely's Jkonographic vor
srüheren Werken dieser Art, wie dem von Radowitz und
^efsen Nachfolgern, auszeichnet, ist der reiche Nachweis
tvirklicher Darstellungen, der nur in einzelnen Fällen,
'vie bei der Maria als Negerin nicht zu erniöglichen
>var. So wird das Buch ein wirkliches Handbuch der
Äkonographie und regt zu selbständigem Aufsuchen und
ebendadurch zu geuauem Kennenlernen des sonst nur
iheoretisch Gegebenen an, erleichtert aber gerade da-
durch anch das Finden, wcnn eS sich daruni handelt,
ivgend einc Heiligendarstellung richtig zu erkennen und
M benennen. Zu dieseni Zweck giebt der Berfasser nach
eirier Einleitung, einer Hinweisung auf die benutzte
^iteratur und einer sehr nützlichen, bei Radowitz z. B. als
iiberflüssig weggelasscncn kurzen Bcschreibung der Tracht
der einschlägigen Orden zunächst dic Darstellungen der Tri-
vität und der drei göttlichen Personen, sodänn in einem
selbständigcn Abschnitte „Maria die h. Iungsrau und
2Hutter Christi", und weitcr in alphabetischer Folge
die Heiligen, dercn Anzahl Legion ist. Hier ist nach
dem Namcn der Stand, die Zcit, der Fcsttag (und
zwar nach den Bollandistcn), die Art der Darstellung
vebst kurzer Andeutung der Legende und endlich der
Nachweis der bildlichen Darstellung gegeben, so daß in
jedem einzelnen Falle das gesammte Material zur Hand
ist. Bei dem Nachweis bildlicher Darstellungcn nimmt
der Verfasser seine Beispiele in anzuerkennender Weise
aus allen Zweigen der bildenden Kunst, namentlich auch
aus bem reichen Gebiet der Holzschnitte und Kupfer-
stiche, die in den größeren Sammluugeri Jedem leicht
zu Gebote stehen. Selbstverständlich aber gicbt und
beabsichtigt der Berfasser nicht eine Vollständigkeit in
der Aufzählung der Bildwerke, welche über den Bereich
des Buches hinausginge. Ebensowenig kommt es bei
ihrcr Aufzählung anf ihren Kunstwerth an, in welcher
Beziehung der Verfasser vielleicht die hie und da ein-
gestreuten, hierauf bezüglichen Bemerkungen besser weg-
gelasscn hätte, da sie nicht im Plane des Buches liegen,
z. B. S. 36 bei Caravaggio: „Sehr uaturalistisch,
aller Poesie baar" oder bei „Maria mit dem göttlicheu
Kindc" S. 40: „A. Dürer re. Oft, nnd ist eine Kom-
position reizender als die andre" — eine Bemerkung,
die obendrein zu dem sonst streng wissenschaftlichen
Tone des Buches wenig passen will. An diesen Haupt-
theil schließen sich „die Attribute mit ihren Heiligen"
sodann „das Patronat der Heiligen", ein Abschnitt, auf
welchen der Verfasser mit Recht Gewicht legt, da er
auch für andere Wissenschaften nutzbringend ist. So
ist kulturhistorisch und philosophisch gewiß die Jdeen-
association vou Bedeutung und Jnteresse, durch welche
manche Heilige zur Ehre des Patronates gekommen
sind, wie die beiben, auf welche der Verfasser (S. 438)
selbst hinweist: Färber wählten den h. Mauritius, wcil
er gefärbt, ein Mohr war, die Salpetersieder die h.
Barbara, weil ein Blitz ihren Vater erschlug! Hieran
schließen sich die Patrone für das Wohlergehen beson-
derer Theile des menschlichen Körpers, z. B. Erasmus,
Bischof vou Antiochicu, dem mit eiuer Winde die Ein-
geweide herausgezogen wurden, für den Unterleib u. s. w.,
sobanu bas Patronat der Heiligen in besonderen Lebens-
verhältnissen, z. B. für Berbrecher, die zur Hinrichtung
gcführt werden, Dismas, der mit Christus gekreuzigte
rcuige Schächer; dann das Patronat der Heiligen zur
Erlangung verschiedener Güter (z. B. eineu guten Ehe-
mann zu bekommen helfen zwei: Anton von Padua
und Nicolaus) oder Befriedigung diverser Wünsche
(z. B. schönes Wetter, fruchtbarer Regen, gute Herberge),
gegen Krankheiten, Unglücksfällc (z. B. saures Bier,
alte Weiber) und andcre Uebel, Patrone der Elemente
und Thiere (z. B. für Schafe: Lupus (!) von Sens),
endlich Patroue der Läuder und Städte, mit welchem eine
schöne Uebersicht gewährenden Abschnitt der reiche Jnhalt
dieses fleißigcn Buches abschlicßt, aus dessen Gebrauch
ein Nutzen nach verschiedenen Seiten hin für die Kunst
wie für Geschichte und deren Hülfswissenschaften zu
ziehcn ist, das wir aber vor allen Dingen in der Hand
derjenigen Künstler und Kunstfreunde sehen möchten,