Die Kuustausstellung in Amsterdam.
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^Unischx Künstlerschaft mit energischem Ehrgeiz den
^llstreit gegen die Fremde aufnehme und ihr Bestes
oige. Solche Hoffnungen und Erwartungen wurden hier
^ bedingnngsweise crfüllt. Die Betheiligung Seitens
^ Änslandes war gering. Von dessen bcrühmten
^stern war nicht viel, von den cigentlichen Heißspor-
^ ' ber neuen Schnlcn schr wenig zu sehen. Das war
Nachtheil für die Holländer, welche die gerechte
^stniing hegten, sich bci dieser Gelegenheit übcr das
^nsland zu informiren. Aber nicht besscr traf cs Ler
ernde, der hierher gekommen war, um die holländische
. ^>^i — beschränken wir uns einmal auf diese —
wnnv Blüthe zu überschauen. Er mußte die
^lnhrung machen, daß bie ancrkannlesten hvlländischen
^lsstler, wie es scheint, je nach ihrem internationalcn
Use diirch Abwesenheit oder geringere Betheiligung zu
Slanzen
vorgezogen hatten. Alma Tadema, der nach
^°udon gewanderte Friese, hat seine Triumphe in Ber-
^ Zcfeiert, er hatte kcin Bild hiehcrgcschickt. Jsracls
^ie uicht ausgestcllt. Von Springer uno Ten
stl e war je ein Bild da; von Rochussen eins seiner
Aeistreicheu Skizzenbildcr. Von Bosbooni ein Bildchen.
^er kounte Bilders nach Werth schäyen lernen? Jst
iacedonien zu klein für die Alexander? Aus welchen
, aiiiiden diese auffällige Vernachlässigung, die natürlich
^ bic ganzc Unlernehuiung von höchstem Nachthcil ist,
^ ste von vornherein die holländische Ausstellung aus
"0 niedrigeres Nivcau drückt, falls nicht unerwartet
Talente und Genies hervorbrcchend die älteren
^stihnithcilen vergessen lassen? Wir kennen bie Gründe
'Ocht. lsus dünkt nur, daß diesc Männer, falls sie
^st'klich grollende Peliden sind, laut und energisch ihre
^waigeu Klagen aussprechen könnten. Sie würden sich
stcherlich Gchör verschaffen können, um Abhilfe ihrer
^waigen Beschwerden zu veranlassen. Aus Patriotis-
^us aber, der Repräsentation der vaterländischen Male-
Zn lieb, hätten sie doch dafür sorgen müssen, daß sic
.st' solcher Gelegenheit durch einige ihrer besten Werke,
^tere oder neuere, vertrelen gewesen wären. Denn hier
stnli es dlxh, Hollands Stärke zu zeigen. Es gilt, Amster-
^ni als einen Centralpunkt ber vaterländischen Kunst
^ vrhalren oder zu hcben, statt es sinken zu lassen.
^nn wenn man doch nach London, Paris, Wien und
D
j^rlin gehen muß, nm die erstcn hvlländischen Malcr
Oberhaupt oder recht kennen zu lernen, wer soll sich
dann in der Fremde — von den wenigen Berufsmännern
"^Erlich abgesehen — so besonders sür die Amsterdamer
^usstellung inleressiren? Und wcr nun doch gekommen
stst was soll der denken, wenn er das, was er in der
^usstellung vcrmißt, im Salon einer Amsterdamer Kunst-
haiidluug findet?*)
Jn dem ncucn Salon von Buffa nnd Caramelli sind
Uuhrere Bilder und Aquarelle Tadema's, eiu großer Jsr aels
Wenn wir nun hinzufügen, daß unter den ein-
heimischen Künstlern, welche ausstellten, keiner den schon
bekannten Standpunkt in auffallender Weise verrückt hat,
so ist damit der allgemeine Charakter der Ausstellung
schon gekennzeichnet. Da war viel Treffliches, Tüchtiges,
das einen sehr respektablen Kern bildete, aber der rechte
Zug und die echte Anregung fehlte, und die eigentliche
Bereicherung für den Beschauer war nicht groß. Be-
sonders war in letzterer Hinsicht wichtig, daß die neuen
Bestrebungen mit wenigen Ausnahmen so zurückhaltend
und dann auch noch so einzeln auftraten. Wer nicht in
andern Brennpunkten der Kunst das Sieden und Gähren
derselben kennen gelernt hat, der konnte hier schwerlich
den rechten Begriff davon bekommen. Jm Allgemeinen
war deshalb auch nirgends etwas von Agitation zu ver-
spüren. Der Vers „Geh den Weibern zart entgegen"
u. s. w. auf Künstler und Publikum angewandt: wie
sah es dürftig aus mit den Zarten, mit den Raschen
und Verwegenen, die noch schneller die Gunst des Pub-
liküms erobern und mit den Rücksichtslosen, die beleidi-
gen und dann verführen, aus Feinben die stürmischsten
Proselyten machend. Ein einziger Künstler hatte sich
den Scherz gemacht, zu sehen, was man Ungewöhnliches,
Tolles bieten könne, aber es steckte nicht genug hinter
diesem Einfall. Und das Andere war doch nicht der
Art, nicht so charakteristisch gewaltig, nicht so frappirend,
durch- und umwühlend, nicht so genial Lurchgreifend,
um den Eris-Apfel unter Künstler und Laien zu werfen-
Wer die Gemüthsruhe zuhöchst schätzt, mag sich darüber
freuen. Wir aber hätten gerne gesehen, wenn sich auch
hier Gruppen in Liebe und Haß, so wie anderswo, vor
Meisterwerken ihrer Art gebildet hätten. Man konnte
gar so gemüthlich durch die Räume wandeln und sich
bie neuen Richtungen heraussuchen. Für bie Ge-
müthsruhe sorgte auch schon der Jnhalt des Ausgestell-
ten, so weit ber in Betracht kommt. Da war keine
himmlische Verzückung, kein überirdisches, kein unenb-
liches Gefühl — es war kein einzig religiöses Bilv
vorhanden, —- es gab keine übermächtige, zersprengende
oder gewaltige Jdee, die eine bedeutsame Handlung durch-
waltete —- es gab kein derarliges Jdeen- vder Historien-
bild. Es war auch kein tödlicher Schmerz, keine Ver-
zweiflung und wie nichts Höllisches auch nichts Para-
diesisches geschildert- Man sah auch keinen Kampf weder
unter Menschen noch unter Thieren — denn ein vorhan-
denes Kriegsbild war eigentlich nur die Darstellung eipes
Aufmarsches von französischen Geschützen im Galopp.
Das Höchste von Aufregung gipfelte in einem Bilde von
Lasch, wo ein Franctireur durch preußische Gensdarmen
in einer Schmiede ergriffen wird. Glücklicherweise gab
es freilich auch keine Gräuel, bei denen die interessante
und noch einige Bilder ausgestellt, die man im Jnteresse der
aroßen Ausstellung in dieser mit Bedauern vermißte.
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^Unischx Künstlerschaft mit energischem Ehrgeiz den
^llstreit gegen die Fremde aufnehme und ihr Bestes
oige. Solche Hoffnungen und Erwartungen wurden hier
^ bedingnngsweise crfüllt. Die Betheiligung Seitens
^ Änslandes war gering. Von dessen bcrühmten
^stern war nicht viel, von den cigentlichen Heißspor-
^ ' ber neuen Schnlcn schr wenig zu sehen. Das war
Nachtheil für die Holländer, welche die gerechte
^stniing hegten, sich bci dieser Gelegenheit übcr das
^nsland zu informiren. Aber nicht besscr traf cs Ler
ernde, der hierher gekommen war, um die holländische
. ^>^i — beschränken wir uns einmal auf diese —
wnnv Blüthe zu überschauen. Er mußte die
^lnhrung machen, daß bie ancrkannlesten hvlländischen
^lsstler, wie es scheint, je nach ihrem internationalcn
Use diirch Abwesenheit oder geringere Betheiligung zu
Slanzen
vorgezogen hatten. Alma Tadema, der nach
^°udon gewanderte Friese, hat seine Triumphe in Ber-
^ Zcfeiert, er hatte kcin Bild hiehcrgcschickt. Jsracls
^ie uicht ausgestcllt. Von Springer uno Ten
stl e war je ein Bild da; von Rochussen eins seiner
Aeistreicheu Skizzenbildcr. Von Bosbooni ein Bildchen.
^er kounte Bilders nach Werth schäyen lernen? Jst
iacedonien zu klein für die Alexander? Aus welchen
, aiiiiden diese auffällige Vernachlässigung, die natürlich
^ bic ganzc Unlernehuiung von höchstem Nachthcil ist,
^ ste von vornherein die holländische Ausstellung aus
"0 niedrigeres Nivcau drückt, falls nicht unerwartet
Talente und Genies hervorbrcchend die älteren
^stihnithcilen vergessen lassen? Wir kennen bie Gründe
'Ocht. lsus dünkt nur, daß diesc Männer, falls sie
^st'klich grollende Peliden sind, laut und energisch ihre
^waigeu Klagen aussprechen könnten. Sie würden sich
stcherlich Gchör verschaffen können, um Abhilfe ihrer
^waigen Beschwerden zu veranlassen. Aus Patriotis-
^us aber, der Repräsentation der vaterländischen Male-
Zn lieb, hätten sie doch dafür sorgen müssen, daß sic
.st' solcher Gelegenheit durch einige ihrer besten Werke,
^tere oder neuere, vertrelen gewesen wären. Denn hier
stnli es dlxh, Hollands Stärke zu zeigen. Es gilt, Amster-
^ni als einen Centralpunkt ber vaterländischen Kunst
^ vrhalren oder zu hcben, statt es sinken zu lassen.
^nn wenn man doch nach London, Paris, Wien und
D
j^rlin gehen muß, nm die erstcn hvlländischen Malcr
Oberhaupt oder recht kennen zu lernen, wer soll sich
dann in der Fremde — von den wenigen Berufsmännern
"^Erlich abgesehen — so besonders sür die Amsterdamer
^usstellung inleressiren? Und wcr nun doch gekommen
stst was soll der denken, wenn er das, was er in der
^usstellung vcrmißt, im Salon einer Amsterdamer Kunst-
haiidluug findet?*)
Jn dem ncucn Salon von Buffa nnd Caramelli sind
Uuhrere Bilder und Aquarelle Tadema's, eiu großer Jsr aels
Wenn wir nun hinzufügen, daß unter den ein-
heimischen Künstlern, welche ausstellten, keiner den schon
bekannten Standpunkt in auffallender Weise verrückt hat,
so ist damit der allgemeine Charakter der Ausstellung
schon gekennzeichnet. Da war viel Treffliches, Tüchtiges,
das einen sehr respektablen Kern bildete, aber der rechte
Zug und die echte Anregung fehlte, und die eigentliche
Bereicherung für den Beschauer war nicht groß. Be-
sonders war in letzterer Hinsicht wichtig, daß die neuen
Bestrebungen mit wenigen Ausnahmen so zurückhaltend
und dann auch noch so einzeln auftraten. Wer nicht in
andern Brennpunkten der Kunst das Sieden und Gähren
derselben kennen gelernt hat, der konnte hier schwerlich
den rechten Begriff davon bekommen. Jm Allgemeinen
war deshalb auch nirgends etwas von Agitation zu ver-
spüren. Der Vers „Geh den Weibern zart entgegen"
u. s. w. auf Künstler und Publikum angewandt: wie
sah es dürftig aus mit den Zarten, mit den Raschen
und Verwegenen, die noch schneller die Gunst des Pub-
liküms erobern und mit den Rücksichtslosen, die beleidi-
gen und dann verführen, aus Feinben die stürmischsten
Proselyten machend. Ein einziger Künstler hatte sich
den Scherz gemacht, zu sehen, was man Ungewöhnliches,
Tolles bieten könne, aber es steckte nicht genug hinter
diesem Einfall. Und das Andere war doch nicht der
Art, nicht so charakteristisch gewaltig, nicht so frappirend,
durch- und umwühlend, nicht so genial Lurchgreifend,
um den Eris-Apfel unter Künstler und Laien zu werfen-
Wer die Gemüthsruhe zuhöchst schätzt, mag sich darüber
freuen. Wir aber hätten gerne gesehen, wenn sich auch
hier Gruppen in Liebe und Haß, so wie anderswo, vor
Meisterwerken ihrer Art gebildet hätten. Man konnte
gar so gemüthlich durch die Räume wandeln und sich
bie neuen Richtungen heraussuchen. Für bie Ge-
müthsruhe sorgte auch schon der Jnhalt des Ausgestell-
ten, so weit ber in Betracht kommt. Da war keine
himmlische Verzückung, kein überirdisches, kein unenb-
liches Gefühl — es war kein einzig religiöses Bilv
vorhanden, —- es gab keine übermächtige, zersprengende
oder gewaltige Jdee, die eine bedeutsame Handlung durch-
waltete —- es gab kein derarliges Jdeen- vder Historien-
bild. Es war auch kein tödlicher Schmerz, keine Ver-
zweiflung und wie nichts Höllisches auch nichts Para-
diesisches geschildert- Man sah auch keinen Kampf weder
unter Menschen noch unter Thieren — denn ein vorhan-
denes Kriegsbild war eigentlich nur die Darstellung eipes
Aufmarsches von französischen Geschützen im Galopp.
Das Höchste von Aufregung gipfelte in einem Bilde von
Lasch, wo ein Franctireur durch preußische Gensdarmen
in einer Schmiede ergriffen wird. Glücklicherweise gab
es freilich auch keine Gräuel, bei denen die interessante
und noch einige Bilder ausgestellt, die man im Jnteresse der
aroßen Ausstellung in dieser mit Bedauern vermißte.