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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Die Kunstausstellung in Amsterdam, [3]
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Die Kunstausstellung in Amsterdam.

lässigt, traten hervor C. Becker (Berlin) und Emile
Levy (Paris). Becker's Bild zeigte die Höhe der neuen
deutschcn koloristischcn Schule. Das Bild „Bianca
Capello" ist mit cmincntcr Meisterschaft gemalt. Doch
das Psychologische tritt vor der Technik des eigentlichen
Kolorits zurnck, wie das Gewöhnlichere vor dem Außer-
ordentlichen. Und doch muß darin nach der Größe des
Bildes, Wahl und Behandlung des Stoffes, der eigent-
liche Schwerpunkt liegen. Jmmer glitt unser Blick
wieder auf Sammt und Atlas, auf das Kardinalsge-
wand und das Tigerfell und bewunderten wir die Kraft
und die mit den Schwierigkeiten spielende Kühnheit der
Technik, statt aus dem Seelischen heraus den ganzen
Vorwurf zu erfassen. Levy trat mit dem mythologischen
Genre auf, in welchem er seinen Ruf gewonnen hat:
Liebe und Thorheit nach der Fabel des Lafontaine, glatt,
sauber, in zarter, matter Farbe. Die feine Abwägung
der Mittel, die mit dem Raffinement nobler Blasirtheit
geübte Zurückhaltung verräth den kundigen französischen
Meister. Wir hätten dabei viel über eine gewisse Art
der französischen Malerei zu sagen: genug, daß wir die
Kraft der Schönheit oder der frischen Sinnlichkeit ver-
mißten und daß dieser Amor, eine zur ersten Blüthe
drängende nackte Gestalt, ein Knabe, wie die Nacktheit
zeigte, durch sein mädchenhaftes Gesicht und den mystisch
verschleierten Blick etwas Unnatürlich-Zwitterhaftes für
uns hat. Es ist Waldlandschaft dabei, aber es ist nicht
Waldes- und Nosenduft, was aus dem Bilde strömt,
sondern ein zwar anscheinend matter, aber sehr narko-
tischer und Hcherlich nicht ganz gesunder modischer Par-
füm. Ein zweites Bild Lcvy's zeigt eine nackte Poelen-
bnrg'sche Gestalt mit modernem Kopf. Man begreift,
daß darin Wirkung liegt. Claude Jacquaud (Paris)
hatte ein großes Bild ausgestellt: Freikauf Gefangener
von einem Marokkanischen Seeräuber 'durch Mönche.
Auffassung, Charakteristik, technische Ausführung haben
uns kein besonderes Jnteresse abgewonnen. Es war der
ältere Horace Vernet-Stil ohne dessen Kraft und Leben-
digkeit. Das Bild „Verbannte" von Mw. Fanny Gcefs
(Brüssel) erinnerte durch die Art, wie Schönheit und
Gefühl angestrebt und ausgedrückt war, an den Jdealis-
mus der älteren Düsseldorfer. Man konnte sich freuen,
auch solchenJdealismuseinmal wieder zu sehen. Doch ließen
auch hier die Darstellung des Seelischen und die Kom-
position zu wünschen Lbrig. Landelle (Paris) war
nicht glücklich vertreten, um danach seinen Ruf völlig
zu würdigen. Das kleine Bild (türkische Tänzerin)
zeigte am meisten seine Vorzüge. Ueber Jan van
Beers (Antwerpen) „Hoch die Geusen" genüge die
Bemerkung: keck und so absonderlich, daß der Geuse
wie ein Wahnsinniger dargestellt ist. Herr van Beers
scheint in seiner Art Wiertz ersetzcn zu wollen in Origi-
nalität. Wir kennen nur dieses Bild von ihm und

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können danach nicht urtkeilen, welche Kraft hinter seim'l
Absonderlichkeit und Kühnheit steckt, die hier in's BM'
leske sich outrirt hat. Luminais (Paris) war din'ck'
seine „Heimkehr von der Jagd im alten Gallien" sd>'
uns unerquicklich, französisch outrirt in Zeichnung ur>d
Kolorit in einer Manier, für die wir keinen Sinn habem
A. Struys (Antwerpen) konnte gegen A. von Craiuer'
(Düsseldorf) und Frl. Mary Cassat (Paris) zwei groß?
malerische Strömungen zur Anschauung bringen.
den Landschaften kehrte dies wieder: hier eine Reihe vou
Landschaften der neuen, möglichst farblosen Art und dm
gegen dort das Bild von Phlippeau: italienischd
Landschaft mit Staffage. Einerseits die Bestrebungeu
der Farben-Virtuosität, die auf möglichst wenigen u»d
mit Vorliebe stumpferen Farben, anf Grau oder BlaU
und Grün ihr Bild gründet. Dagegen neuerdings eine
besondere Reaktion, welche bunte, lichte Farben liebtz
auf Paul Veronese's Lieblingsfarben zurückgreift und
auch die Landschaft im Gegensatz zur Klexmethode fein,
zart und bunt liebt. Jm größeren Genre zogen Brunet-
Honard (Fontainebleau) und A. Lasch (Düsseldorf)
zumeist die Aufmerksamkeit auf sich. Der Bretagnel
Meister hatte cin ausgezeichnetes Bild ausgestellt: „Wm
lachische Bärenführer, in einer bretagnischen Hafenstadt
landend". Die Thiercharakteristik ist herrlich, iminer'
wicder zur Freude und Bewunderung hinreißend. Lasch
hatte die schon erwähnte „Gefangennehmung eines Franc-
Tireur" gewählt, sehr tüchtig, in Vielem bedeutend,
aber in Ergreifung des Momentanen, der Lebenswahr-
heit und der Charakteristik doch noch kein „Defregger"
Von Kricgsbildern lieferte Rochussen (Rottcrdam)
eins seiner geistvollen, durch und durch lebensbewegten
Skizzenbilder. Bombled (Paris) hatte ein gutes Bild:
abgesessene französische Kavallerie im Schneegestöber.
Charpentier's (Paris) Batterie im Aufmarsch war
schwach.

Das Genre zeigte viel Gutes und manches Treff-
liche. Ten Kate war durch einBild vertreten. Alt-
meister Jordan (Düsseldorf) fiel durch sein „Großvaters
Geburtstag" nicht auf, was kurz als Empfehlung für
die mancherlei ähnlichen Bilder Anderer dienen mag-
H. Valkenburg (Amsterdam), der früher durch Bil-
der von Denner'scher Genauigkeit die Aufmerksamkeit auf
sich gezogen hatte, hat sich diesmal mit einem Bilde echt
holländischen Genre's in Kolorit, Licht und Schatten
eine goldene Medaille errungen, eine verdiente Auszeich-
nung für den Künstler, der Decennien in der Ansübung
der Kunst durch seine Lehrthätigkeit behindert, in den
letzten Zeiten sich so schnell zur Anerkennung gebracht hat-
Stroebel (Haag) hatte in einem „Ehefest im 17.
Jahrhundert" Rembrandt'sches Verdämmern im Hinter-
grund erstrebt. Bles, Kever, Henkes, Moese-
lagen, Offermans, Wieschebrink u. A. brach-
 
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