Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Abrest, Paul d': Die Eröffnung der großen Oper in Paris
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
227

Die Eröfsnung der großen Oper in Paris.

228

wollte dem Efsekt der neuen Näunie nicht Eintrag thnn
und das Gebäude in seiner ganzen prunkvollen Nacktheit
dem Augc der Menge präscntiren. Meinetwegen.
Das war aber kein Grund, mit der Beleuchtung so
sparsam umzugehcn. Der Lustre war allcrdings mit
scinen fnnfhundert und etlichen Flammcn angesteckt, auch
cinc Hälfte der um den Plafond im Kreise angcbrachten
Halbkugeln schützt je eine matt lcuchtende Flamme.
Aber das reichte nicht hin, uni die richtige Harmonie
mit der Vergolduug des Saales herzustellen. Hr. Ha-
lanzier, der in seiner Cparsamkeit so gewaltig die Hände
über den Kopf znsammen schlug, weil seiner Berechnung
nach die Beleuchtungskostcn das Doppelte von dem be-
tragcn, was sie in der Rue Drouot kostetcn, wird nun,
und sollten ihm dabei die Haare zu Berge stehen, den
Posten um eine gute Hälfte vermehren niüssen, ausge-
nommen, er wollte es durchsetzen, daß alle Opern und
Ballets „bei Nacht" spielten, wo das Zwielicht in
Saal und Halle durch die Gebote der gewissenhaften
Jnscenesetzung als gerechtfertigt erscheinen könnte. Es
war scltsam! Draußen auf der Stiege glitzerten die
Diamanten so hell und so rein, die Stickereien der
Simarra des Lord Mayor's und seiner Sheriffs hatten
eiuen gewaltigen Effekt erzeugt — drinnen aber suchte
das Auge vergeblich nach Diamanten und Borduren.
Fast war man zn der Frage versucht, ob deun aller Zier-
rath in den Garderoben deponirt wurdc. Der Zierrath
fehlte nicht, wohl aber das Licht, um denselben hervor-
zuhebekl. Viele Klagen wurdcn über dicsen mißlichcn
Umstand laNt, denn in der alten Oper (die Vergleiche
brängten sich fast von selbst auf) gehörte der unver-
gleichliche Diamantenschiminer, der aus den Reihen des
Amphilheaters und der ersten Logcn hervorleuchtete, zu
den fast obligatorischen Rcizen jeder cleganteu Borstellung-
Und dieses Loch im Programm genügte, um die „alten
Abonnenten" gewaltig zu verstimmcn. Aber diese Ent-
täuschung war nicht die einzige, welche ihrer harrte.
Kaum hatteHr. Deldevez den Konimaudostab geschwungen,
als man sofort merkte, wie sehr die wegen der Akustik
geäußerten Bedenken gerechtferligt waren. Nur gedämpft
und abgeschwächt drangen die Töne hinauf zu den letzten
Logenreihen, und im Orchester säuselten die Melodien
beinahe wie zum Schlummer wiegend- Aber über die
Schwelle der Tapetenthüren, welche die Couloirs von
oem Ziischauerraumc trennen, drang kcin einziger Laut;
man hörte darauf schwören, daß Hrn. Garnier vor
allem Lie Besvrgniß vorschwebte, die Ruhe derOuvrcuses
uicht zu stören und für die etwaigen Zuschauer, welchcn
es in dcn Logen zu heiß wird, einen recht stillen Pro-
menadcort zu schafsen. Am allerungünstigsten trat dicser
Umstand beim Vortrage des großen Chorals aus deni
vierten Akle dcr Hugcnolten hervor. Wclch cin packendes
Prestige, was für eine Mark und Bcin durchdringende

Macht liegt in diesem Choral, wenn er dem dai'ib
wohnenden Geiste entsprechend ausgeführt wird! '
Ler kaltblütigste Zuschauer kann von der hinreißcnd^
Wuchtigkeit nicht nnberührt bleiben; diese gewaltih^
Töne der Waffen segnenden Mönche zaubern wirÜ^
mit unwiderstehlichcr Energie das Gebilde der Schrcckci^'
thatcn hervor, welche die gewcihten Waffen vollbriE"
werden. So dic Wirkung, wenn der Choral z. W
Wiener Hofoperntheater mit guter Besetzung gcsin'b^
wird. Dienstag Abends aber wurde der ganze ^fst'
vertrödelt, das Ganze war matt, und diese einzige Nuinvic'
crzeugte nicht mehr Wirkung als irgend eine bclieb'^
Koncertpiece. Und doch besitzt Gailhard, der dkebcv'
buhler Faure's, eine kräftige Stimme, und doch wan"
dic Chöre stark, ihre Einschulung ließ nichts zu wünsch^
übrig — aber der Raum eignete sich nicht für ^
Effekt. Die Habituo's waren schier verzweifelt, dv
Bi'angelhaftigkeit der Orchestration läßt sich am
korrigiren, es wird genügcn, den Säckel noch wciic'
aufzuthun und die Schaar der Exckutanten zu verinchi'^'
Aber um die nienschliche Stinime befser zu genießc^
um dic hohle Verschwendung der goldenen Triller ciw'
Krauß odcr einer Nilson, wovon die Hälfte an
Füßcn der Dekorationen hangcn bleibt, hintanzuhaltcib
wo ist dafür die Remcdur? Hr. Garnier, dcm im Falst'
die Abonnenten die liebe Notb klagten, schüttelte bc'
denklich das Haupt nnd schloß mit der kn äs non cU'
osvoir: „Ja, für die Herstellung der Akustik ist bi'
Kunst noch sehr unvermögend!", einc Ausrede, wclö!'
bei dcn anderswo vorliegenden Leistungen schwcrlich ^
vollgiltig angenommen werdcn dürfte. Dieser bittei'"
Enttäuschung in Betreff der musikalischen Eigenschastc"
des Hauses ist es vielleicht zu verdanken, daß die Sti"''
mung des Publikums eine für Paris äußerst kühlc wai'
Anfangs wagte Niemand zu applaudiren, weit ci
fürchtete, für einen Bestandthcil der Clague gehalten s'"
werdcn. Die offizielle Welt hält es außerdem hier
Lande für cine gröbliche Austandsverletzung, ihren Bcist^
burch Händeklatschen kund zu gebeu. Fast schien st^
ein jeder den Lord Mayor zum Vorbilde zu nehmcib
der mit unverbrüchlichem Phlegma in seiner Loge da sast'
wie eine steinerne Karyalide, ohne auch eine einziib
Miene zu verziehen. Fräulein Krauß gelang es,

Eis ein wenig zu schmelzen.

Wahrhafle, unbestrittene Begeisterung erregte da^
Ballet am Schluß. Hier werden sich stets b>c
grandiosen Raijinverhältnisse und die Entwickelung dci
Maschincrien glänzend bewähren. Ueberhaupt wii'b
die neuc Oper in Bezug auf niiss en seöns einz^
dastehen. Es war recht klug, von diesem Standpun^
aus den ersten Akt der „Jüdin" zu wählen, wo dcc
berühmte aus 4—500 Stalisten zusammengesetzte UniZ>^
stattfindet. Während in der Rue Drouot die Grupp^

dab
 
Annotationen