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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Lehner, D.: Ankäufe für das Museum in Sigmaringen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0137

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263

Ankäufe sür das Museum iu Sigmaringen,

264

Änkiiufe für das Museum in Zigmaringen.

(Schluß.)

3. Das dritte Bild ist die braun in braun mit Ocl-
farbe auf Papier gemalte Skizze des jüngsten Gerichts
von Rubens, nach welcher der Kupferstich von Cornel
Visscher angefertigt worden ist.

Dieser Stich hat bekanntlich mit dem „kleinen
jüngsten Gericht" in München, auf welches Wussin in
seinem Buch über Visscher, S. 145 hinweist, gar nichts
zu thuu, sondern stellt vielmehr das „große jüngste Ge-
richt" der Pinakothek dar. Jedoch zeigt er auch von
diesem, sowie von der Farbenskizze in Dresden so viele
Abweichungen im Einzelnen, daß schon nack flüchtiger
Vergleichung auf eine andere unmittelbare Vorlage ge-
schlossen werdcn nmß. Dieses Vorbild nun besaß langc
Zeit der Kaufmann Joseph Brindl in Mllnchen, von
dem dasselbe an das hiesige Museum überging.

Die Skizze ist genau von der Größe des Kupfer-
stichs. Das Papier, welches auf alte Leinwand und
sammt dieser wieder, vielleicht vor nicht sehr langer Zeit
auf neue Leinwand aufgezogen ist, besteht aus zwei, viel-
leicht aus drei Theilcn. Obcn nämlich ist eiu schmaler
Streifcn angefügt, der nur etwa einen Zoll brcit ist, so
daß auf ihn bloß die obere Hälfte des Kopfes von
Gott Bater zu stehen kommt, und zwar gehen die Rän-
der der beiden Papiertheile übereinander hinweg, die
Aneinanderfügung fand daher vor der Malerei statt,
ohne ZweHel, weil dem Künstler kein hinlänglich gro-
ßer Bogen Papier zu Gebote stand, Etwas unter der
Mitte der Komposition geht ein zweiter Schnitt oder
Bug quer durch das Papier und theilt das Bild genau
in die beiden Hälften, in welche Visscher es auf seine
zwei Kupferplatten vertheilt hat. Schnitt oder Bug —
denn ist' nicht ganz ersichtlich, ob das Papier durchweg
getrennt oder bloß an den beidcn Rändern eingerissen
ist. Jm erstern Falle hätte man sich etwa zu denken,
daß Cornel Visscher zu seiner Bequemlichkeit beim
Stechen das hohe Blatt durchschnitten, im zweiten Fall,
daß er es bloß umgebogen HLtte und daß dann die
Falte vielleicht in Folge langen Herumführens in Map-
pen an einzelnen Stellen gebrochen wäre. Letzteres scheint
mir das Wahrscheinlichere, da ich einen durchgehenden
Schnitt nicht verfolgen kann, sondern au mehreren Stel-
len noch den Zusammenhang des Papiers erkannt zu
haben glaube. Uebrigens scheint ein späterer Pinsel an
diesem Bug nachgebessert zu haben.

Die Skizze stellt, im Vergleich mit dem großen
jüngsten Gericht, die Komposition von der Gegenseite
dar. Sie ist sehr ausgeführt, die Lichter namentlich
bei den Haaren sorgfältig mit weiß gehöht, die Kon-
turen scharf, manchmal hart, häufig mit einem feinen
Stift oder der Feder nachgezogen, um dem Pinselstriche

mehr Schärfe zu geben, lauter Umstände, welche wahr-
scheinlich machen, daß die Skizze eigcns für den Kupfer-
stich angefertigt oder nachträglich hergerichtet worden ist-
Von wessen Hand stammt nnn die Skizze? U>»
hierauf antworten zu können, muß erst das Berhältmß
derselben zu den andern Darstellungen gleichen Znhalts
näher betrachtet werden. Nach dem großen Bilde kann
sie nicht wohl angefertigt worden sein. Denn sonst
hätte der Vcrfertiger nicht bloß im Allgemeinen, sondern
auch im Einzelnen sich an das Original gehalten, er
hätte ohne Zweifel nur eine genaue, vcrkleinerte KoP>r
des großen Bildes von der Gegenseite gemacht, ^
hätte sich gewiß, um nur Weniges anzuführen, niäst
erlaubt, das Sceptcr Christi, das auf dem großen Bilde
als Pendant zu deni Flammenschwerte frei in der Lust
schwebt, unmittelbar auf den Kopf der Madonna her-
abzudrückeu, er hätte nicht die ruhige Stellnng S. Pe-
tcr's, der auf dem großen Bilde die beiden Arme nach
unten gewendet, in der rechten Hanb die Schlüssel, die
linke gcöffnet hält, so verändcrt, daß er den rechten Arw
mit einem Schlüssel in der Hand cnergisch aufwärts
reckt, den liuken ebenfalls mit einem Schlüssel in ver
Hand abwärts kehrt u. s. w. u. s. w. Sslche Ver-
schiedenheiten, ja nvch größcre in Zahl unb Stcllung
der Figuren u- s. w. sinden sich von Oben angefangen
bis an den untern Rand nach Dutzenden, wie sich Jcder-
mann überzeugen kann, der den Visscher'schen Stich niit
einer Photographie des großen Bildes vergleicht. Ebenso
vcrhält es sich mit der Dresdener Farbcnskizze, nnr tref-
fen die Abweichungen mehr die untern Partieen, während
die obern sich mit dem Stiche übereinstimmeuder zeigen
als bei dem Münchener Bilde, Von weiteren ähnlichen
Darstellungen soll eine sich im Privatbesitz in England
besinden, eine andere in Kassel gewesen sein. Bon der
ersten konnte ich gar nichts erfahren, von der letztern
hörte ich durch die Güte des Herrn Prof, D. W. Lotz
in Düsseldorf Folgendes: Jn dcm Katalog der Düssel-
dorfer Galerie aus dem Jahre 1783 stehe: „Ur. 173,
B. B. Hndsns. Eine Skizze, das jüngste Gericht nut
dem in den Wolken wie auf eincm Throne sitzenden Er-
löser als künftigcm Weltenrichter. Auf Holz, 2^ 7"
hoch, B 4" breit. Diese Skizze bcfinde sich nicht mehr
in der Kasseler Gallerie, ohne Zweifel sei sie unter der
französtschen Fremdherrschaft geraubt worden und viel-
leicht Lber Paris nach Petersburg gelangt." Jch schlug
dann Waagen's Katalog der Petersburger Galerie nack,
fand sie aber nicht darin. Auf die beiden oben genann-
ten Darstellungen also beschränkt, scheint mir angenom-
men werden zu müssen, daß unsere Skizze nur vor
ihnen oder unabhängig von ihnen entstanden sein könne.
Und hier ergeben sich bloß die zwei Möglichkeiten: ent-
weder ist sie eine spätere Kopie eines verloren gegange-
nen Originals aus Rubens' Atelier oder sie ist selbst
 
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