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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Valentin, Veit: Die Venus von Milo, [2]: Folgerungen für die Rekonstruktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0155

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299

Die Vcnus von Milo,

30»

oder des kämpfenden Fechtcrs irgendwie niaßgebend oder
gar beweisend fnr die Plinthe der inelischen Statue sein
könnte" mit dem Satz: „Es scheint allerdings, daß die
vollständig regelmäßige Form der Basen in der guten
Zeit der Kunst nichts weniger als Regel war." Preuner
übersieht dabei den springenden Punkt: ich bestreite gar
nicht, daß es in der guten Zeit der Kunst auch Plin-
then mit unregelmäßiger Form der Basis gegeben hat;
ich bestreite vielmehr, daß nns dies Faktum zu irgend
einem Schlnß auf die Plinthe der melischen Statue be-
rechtigt, daß eine Vergleichuug hier irgend wclche Be-
weiskraft hätte. Nicht minder geht Preuner das klare
Urtheil verlorcn, sobald cr über die Beschaffcnheit der
Basis der melischcn Statue spricht. Clarac sagt p. 48
ganz deutlich: „Lstto plintüo nvnit äts brisss pnr un
svsnsmsut c^uoloon^uo, st un äs8 inorosnux nvnit
sts psräu nu8si prodnblsmsnt ^u'uno pnrtio 'äo In
stntus. livrsc^u'on äo 1n rostnuror, on rä-

tg-blit In plintüo", und an anderer Stelle: „on nurn
»uivi In mnrolio oräinniro, on nurn rotnbli In plinttio"

-—- Ausdrücke, die an Klarheit nichts zn wünschen übrig
lassen,und die beweisen, daß Clarac nicht die ursprüng-
lichen Bruchstächen mehr sah. Preuner übersieht aber
ferner bei seiner Auslegung der rhetorischen Frage Cla-
rac's (bei Preuner, S. 45, in ihrer Vollständigkeit bei
mir, S. 42), daß die „lrneturos" gar nicht von der
Basis der melischen Statue, sondern von der von Quatre-
iBsre de Quincy vorausgesetzten „insoription" gelten,
und daß Clarac gerade damit diese Hypothese znrück-
weist, daß er darauf hindeutet, wie unwahrscheinlich es
ist, daß ein fremdes Stück Basis mit seiner Bruch-
fläche zufällig so genau an die melische Statue hätte!
angefügt werden können. Vielmehr hat man nach Clarac
keinen solchen Zufall benutzt, man ist viclmehr dem ge-
wöhnlichen Wege gefolgt, man wird die Plinthe her- ^
gestellt haben — welche Behauptung er gegen den Augcn- !
schein nicht hätte machen können. Die „fraglos" rich-
tige Antwort aber auf Clarac's Frage: ikourrnit-ou
oroiro ^uo... ist: ou uo pourrnit pns oroiro czuo . . .
Preuner jedoch weist nach seiner Auffassnng erst nach,
daß Clarac keine Schnittfläche gesehen hat und stürzt
dann dessen Autorität wieder, indem erbehauptet: „Offenbar
war sich Clarac, als er die Nvtiz schrieb, nicht völlig
klar über den Unterschied von Schnitt- und Bruch-
flächen", da er die Notiz „in den allcrersten Jahrcn
seiner Amtsführung" schrieb —- wozu dann erst die lange
„positivc Erörterung", die obendrein anf Mißverständniß
beruht? An meine Ansführnng über diese Frage schließe
ich S. 44 die Sätze: „Vergleicht man nun mit diesem
Ergebniß den Abguß, der unsrer Zeichnung zu Grunde
liegt, so zeigt es sich, daß er die linke Seite an der
Basis unrestaurirt giebt, und der linke Fuß somit fehlt.
Sollten daher die dort gegebenen Ansatzflächen nicht auch

die wirklich vorhandenen sein, die in der bisherigen
stellung der Statue im Louvre' nicht sichtbar wara'U'
Jch sehe keinen Grund, der diese Annahme verböte, u^
so weniger als sie mit dem Ergebniß aus Clarac dur' i
aus übereinstimmt." Prcuner erwiedert hierauf:

von Valentin a. a. O.versuchte Bcweis verdic»

keine Wiederlegung." Also eine einfache Bcrmuthud!!'
für welche Gründe angegeben werden, nennt Pre»»^
einen „Beweis?" Und Preuner scheut sich nicht, ^
Wort wie: „cin Beweis verdient keine WiderleguG
in die Welt zu schleudcrn, welches selbst dann nnpasst^
wäre, wenn überhaupt ein Beweis versucht worden wärr >
Wozu diese Gereiztheit in der Wissenschaft? Sog^
die unschuldigc „Venus Torlonia" entgeht derselb^
nicht. Da bleibt man doch viel besser bei dem geschuuw'
vollcn Namcn „die Replik im Kaffeehaus dcr
Albani" und schleudert das große Wort: „ungehörig^
Name" gegen eine Benennnng, die neben so vicst^
anveren Bezeichnungen gleicher Art nach dem Besttz^
des Ortes der Aufstellung den Borzug der Konscqucäi
hat, da das Kaffeehaus der Villa Albani heutzutage di'U'
Fürsten Torlonia gehört. Daß ich aber jcne Bezei^
nung nm so lieber gewählt habe, als dieser Wrst
höchst freundlicher Weise meinen Wünschen nach eiu^
authentischen Nachbildung entgegengekommen ist —- dU
herauszufühlen darf ich von Jcmandem nicht verlaugcd'
dcm „vie Replik im Kaffeehaus der Villa Albani" g^
hörig, die „Vcnus Torlonia" aber „ungehörig" erschei"»
So geringfügig diese Sache an sich ist, so dic>»
sie doch neben Len vorhcr erwähnten Punkten zur Ch^
rakteristik der Behandlung, die einem Vertreter de
Aesthetik, der ausdrücklich als solcher unv mit scharst'
Bestinmiung seincr Methode an die Aufgabe geht, uuU
jener Seite zu Theil wird. Es wäre traurig, weisU
es nicht auch Vertreter dieser Disciplin gäbc, vie u»
einem solchcn Borgehen nichl einverstanven sind,
vielmehr gerne zugestehen, daß die schematisircndc
gleichungsmethode in ihrer jetzigen Anwendung
Wissenschaftlichkeit entbehrt, dic ferner zugestehen, duk
die Archäologie so gut wie jede andere Wissenschaft ih^
Grenzen hat, und um zu weiterer Erkenntniß zu koiniuc^
ver Beihilfe einer anderen Wissenschaft bevarf. D>c^
kann natürlich nur eine solche sein, welche zu den
tisch gegebenen oder erforschten historischen Thatsach^
die philosophische Reflexion hinzubringt, also derjeU^
Theil der Philosophie, der seine Reflexion vorzugsweist
auf die Wesenheit der der Anschauung vorliegenden Obst^
wendet, und der dann seinerseits wieder die VermitteluUt!
mit dem Kern der Philosophie herstellt, der nach ^
Wesenheit aller Dinge fragt. Oder glaubt sich viellei»^
die Archäologie herabgewürdigt, wenn sie sich in riest
Sinne als Hilfswissenschaft betrachtet? Dann freü',
i möge sie bei ihrer Jsolirung beharren, um etwas Sel
 
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