Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Atkinson, Joseph Beavington: Ausstellung alter Meister in der Londoner Akademie, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0169

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
327

Ausstellung alter Älleister iu der Lvudouer Akademie.

328

modernen Kunst bildet, hat auch der alten Kunst einen
gntcn Dienst geleistet, indcm sie ihre schönen Säle der
Ausstellung alter Meister und verstorbener britischer
Künstler zur Berfügung stellte.

Mit großem Beifall, namentlich seitens der ge-
bildeten Welt, wurde auch heuer die Ausstellung begrüßt,
dic so viele Meisterwerke, welche dem Publikum sonst nicht
zugänglich sind, da sie sich iu den vornehmen Häusern
London's und der Provinzen befinden, an die Oeffentlich-
keit zicht. Jn früheren Iahrcn waren die Sammlnngen
des Grafen von Dudley und des Herzogs von West-
minster ausgestellt; zu dieser scchsten Ausstellung haben
vornehmlich die Königin, der Graf von Aarborough,
der Herzog von Abercorn, der Marquis von Bristol,
Graf Fitzwilliam, der Herzog von Sutherland und Sir
William Miles beigcsteuert, dazn noch manche hier nicht
genannte Kunstfrcunde, dcren Namen von dem Auf-
schwunge des Kunstinteresses Kunde geben, der mit deni
Wachsthume des Nationalwohlstandes Hand in Hand
gcgangen ist.

Jm Ganzen sind 269 Werke ansgestellt, von denen
die Hälfte etwa auf die englische Schule kommt. Sie
sind meist von kleinem Formate, wie es die cnglischen
Sammler lieben, doch füllen sie fünf Säle und einen
Vorsaal. Die Bestimmung von vielen Gemälden unter-
liegt wie gewöhnlich dem Zweifel, nnd die Akademie hat
wohlweislich, um sich keiner Beschämung anszusetzen,
angelMdigt, daß sie für die Authenticität keine Verant-
wortung übernehmen könne. t)r. Waagen, der viele
unserer Privatsammlungen besucht und über ihre Bestände
in seinen „Irsusnres ob ^.rt in (tront Lrituin" be-
richtet hat, war bisweilen zu leichtgläubig und zu nach-
sichtig, als daß man ihm einc unfehlbare Autorität bei-
mcssen könnte. Seine Bücher besitzen indcß iminer noch
dcn Werth von Katalogen für diejenigen Sammlungen,
über welche Verzeichnisse nicht vorhanden sind. Die Art
und Weise, wie viele englische Sammlungen zusammen-
gebracht sind, flößt kein großes Vcrtraucn ein. Vor
einem Jahrhundert oder noch tängerer Zeit schickte man
Agenten oder Händler nach Jtalien, die für unseren
Adel ankaufen niußten, was eben zu haben war; und
so wurde dcnn eine große Mcnge von Schulbilvern
eingeführt, denen man auf Muthmaßung hin große
Namen anheftete. Jetzt ist aber die Zeit gekommen, wo
in Folge der strengeren Prüfung, welcher Männer wie
Crowe und Cavalcasclle die Knnstgeschichte unterworfen
haben, die Privatsammlungen England's manch glän-
zenden Künstlernamen von ihren Bildern fahren lassen
müssen. Jndeß erithalten sie im Durchschnitt kaum mehr
gefälschte Bilder als die Privatgalerien Ztalieus. ^Eng-
land hat immer das vorausgehabt, mehr Geld für den
Ankauf von Bildern zur Verwendung zu haben, und
so waren Graf Dudlcy'und der verstorbene Marguis

von Hertford in ver Lage, sich in den Besitz von histO'
risch berühmten Meisterwerken der Kunst setzen zu könnell,
wie die „Kreuzigung" von Raffael unb die „Regen-
bogen-Landschaft" von Rubens.

Der größte Thcil der ausgestellten Gemälde ist
nur für England von Jnteresse; jedoch mögen einige
hervorgehoben werden, welche überall gekannt zu werven
verdienen. Die Sammlung des Herrn Fuller MaitlanV
zeigt abermals, wie reich sie an Frühitalienern ist'
Dieser einsichtsvolle Kunstkenner sicherte sich ebenso lv>e
der verstorbene Alexander Barker zu mäßigen Preistn
seltene Denkmäler der toskanischen und anderer Schulen,
welche mit dem Fortschritte des öffentlichen Geschuiackcs
zugleich an Werth gewonnen Haben. Eine bemerkens-
werthe Komposition dieser Gattung ist: „Die Aufer-
stehung Mariä, St. Bonaventura und St. Franciscus
in Anbetung." Nun regt sich die Frage nach dem Ur-
heber. Das Bild ist früher cinmal als ein Werk des
Giotto gestochen, ist aber sicherlich keines; jetzt wir's
es in dem Ausstellungskataloge dem Fra Angetico
zugeschrieben, Lem es auch Crowe und Cavalcasesto
zusprechen. Jndeß machen sich bei seiner gegenwärtigeN
Ausstellung auch dagegen Bedenken geltenb. Man h^
darauf hingewiesen, vaß der Golvgrund unv dic goldcncn
Verzierungen der Draperien, die mit durchsichtigen Farbcn
übergangen und geglättet sind, der eigcnthümlicheii Wcist
der frühsienesischen Schule angehörcn. Die Arbest,
mag nun der Maler gewesen sein, wer er wolle, ist
unzweifelhaft ein tresfliches Beispiel der spiritualistst
schen toskanischen Schule. Ein anderes bedeurcnvcs
Gemälde, cbenfalls aus der Sammlung Fuller Mait-
land, ist von Cosimo N o sselli gemalt, einemKünstlcr,
der am meisten durch sein Fresko in der Sixtinischea
Kapelle: „Die Bergpredigt" bekannt ist. Dic hier aus-
gestellte sonderbare Komposition ist „Christus am Krcuze'
der Erlöser, dick cingehüllt in cin schwarzes, mit Ju-
welen verziertes Gewand, den einen Fuß auf dcn Abenv-
nmhlskelch setzend, ist umgeben von Engeln und SeE
phim; im Vordergrundc befinden sich in lebensgroßcu
Figuren Johannes der Täufer, die Heiligen Dominicus
und Hieronymus und der Erzbischof Antonius von Flo-
renz. Das Bild, in Tempera auf Holz gemalt, >st
theilweise restaurirt. Es stammt aus der Saminlung
Solly, war auch in der großen Ausstellung zu Ma«-
chester vorgeführt und ist von Waagen sowohl als auch
von Crowe und Cavalcaselle beschrieben. Es gehört
dem fünfzehnten Jahrhundert an und ist merkwürdig
wegcn des bekleideten Kruzifixes zu einer Zeit, als iu
der römischen Kirche die bekleidete Figur des Gekrcu-
zigten der nackten Platz gemacht hatte. Außerdem ist
das cinzige, hier ansgestellte erwähnungswerthe Werl
der frühitalienischen Schule, „Die Anbetung der heiligcu
drei Könige" ans der Samuiluug Barker, genugsaiu
 
Annotationen