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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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439

Nekrolog,

44«

würfe, einige von Freundeshand unterzeichnete Andenken. '
Auf einem hölzernen Drehschemel, den Pinsel in
der Hand, die kurze Pfeife im Muude, die Augen auf
seiner Leinwand, sitzt der Meister ganz prosaisch da, mit
einer Blouse bekleidet, eine Kappe auf dem Kopfe, aus
welcher sein silbernes Haar hervorquillt. Das Gesicht
ist wohlwollend und wird wie von einem Sonnenstrahl
erwärmt, den man bei Greisen bemerkt, die auf ihrem
langen Wege durch's Leben ihren Schatz an Güte und
Nachsicht für menschliche Schwächen — dieses letzte
Wort praktischer Philosophie — gefunden haben.
Den ganzen Winter Lber arbeitete Corot in diescm
Atelier, immer trällernd; die Stimme begleitete sn sour-
äins die Arbeit des Pinsels, die Stimme eines reinen
Gewissens und eines lebensfrohen Mannes. Die „Spc-
cialität" Corot's als Menschen war die Wohlthätigkeit.
Während seines Lebens priesen alle Kollegen seine Frei-
gebigkeit und mancher Anfänger, der gegen das harte
böse Schicksal kämpfen mußte, bewahrte ihm einen an-
dächtigen Dank im Herzen, da er ihn gegen Noth schützle
und in der Stunde der Entmuthigung aufrichtete. Er
selbst redete nie von seinen guten Werken, jetzt aber
schießen die Wohlthätigkeitsanekdoten wie Pilze empor.

Wenn auch nur ein Theil dieser Erzählungen wahr
ist, so genügt dieser schon, den Meister auf unserer
egoistischen Welt mit einem wahren Nimbus von Barm-
herzigkeit und Seelengüte zu umgeben. Vor der Noth
war Corot immer ausgiebig geschützt. Aber erst seit
etwa 20 Jahrcn zählte er zu den Auserwählten, welchen
der Kunstsinn und die Berehrung einer ganzen Nation
eine fürstliche Civilliste bewilligten. Dank der Be-
scheidenheit seiner Ansprüche an das Leben war es Corot
möglich, eine bedeutende Suniine alljährlich guten Werken
und Dienstleistungen zuzuwenden. Wenn auf eineni
Subskriptionsbogen der Name eines Millionärs vvn
Fach mit dem Corot's zusammenzustehen kam, war es
nicht die Gabe des Ersteren, welche den Obolus des
Künstlers zu beschämen pflegte. Seine Eigenschaften
hatten den Neid und die Lästerzungen zum Schwcigcn
gebracht; alle Welt drückte ihm ihre Zuneigung aus,
indem sie ihn den „Vater Corot" nannte.

Die Krankheit, welche ihn hinwegrafste, trat plötzlich
ein; seine Freunde zeigten sich Anfangs gar nicht be-
sorgt; sie vergaßen, daß in solchem Alter jede kleine Stö-
rung des Wohlseins gefährlich ist. Corot starb bei
vollem Bewußtsein, und auch im Todeskampfe noch
umschwebte seine Lippen das Lächeln eines Menschen,
der mit dem Bewußtsein hcimgeht, keincn der Tage,
die ihm die Vorsehung schenkte, verloren zu haben.

Paul d'Abrest.

^ Richard Zimmermann P. Nach kurzer Krankheit starb
am 4. Febr. d. I. in München der Landschasts- und Genre-
maler August Richard Zimmermann, der Bruder von
Albert', Max und Robert Zimmcrmann. Er war ats der
jüngste Sohn des Stadtmusik-Direktors Zimmermann in Zittau
am 2.^März 1820 geboren und von seinem Lltesten Bruder
Albert, der des Knaben entschiedene Begabung fllr die Kunst
früh erkannte, in diese eingeführt. Als Albert nach München
übersiedclte, nahm sich der treffliche Ludwig Richter des jungen
Menschen an und förderte ihn in liebenswürdigster Weise.
Jnzwischen war auch Max Zimmermann nach Mllnchen ge-
gangen, und nun solgte 1838 Richard seinen Brüdern nach-
Albert, der als der älteste von den Brüdern als das natürliche
Haupt der Familie um so mchr erschien, als er sich bereils
eine geachtete Stellung g eschaffen, wollte nicht, daß auch Richard
sich zum Landschaftsmaler ausbilde, sondern daß er sich der

historischen Kunst widme, und wirklich hinterließ derselbe eine
große Auzahl von darauf bezüglichen Studien und SkizzeW
welche von einem ungewöhnlichen Talente Zeugniß ablegeni
darunter befindet sich namentlich der Eniwurf einer Koinpe'
sition: Lhristns mit dem KriiPPcl, der dem bekannten Tauscns'
gnldenblatt Rembrandt's an die Seite gestellt worden
Um sich die Gewandlheit, mit wenigen Strichen einen kiinsü
lerijchen Gedanken charakteristisch zur Anschauung zu bringcN-
anzueignen, kopirte Richard Zimmermann Hunderte von Blab
tern nach Gavarni. Aber so eminent seine Fortschritte nach
der Seite der historischen Kunst auch waren, so befriedigte ihN
diese doch nicht ganz. Trotz dem Eiuspruche Albert's wendctc
sich Richard imriier entschiedener der landschastlichen Kunst jst,
wenn er auch der Staffage seincr Landschaftsbilder eine weN;
aus größere Bedcutung beizulegcn Pflegte als die meisten seines
Kunstgenossen. Zu Anfang der vierziger Jahre treffen wN
ihn mit einer Anzahl Freunde den größcren Theil des SoM
mers über im Dorfe Eberfing unweit vom Städtchen West'
heim und dem oberen Ende des Ammersees mit Naturstudien
beschäftigt, bei denen Angesichls der in den schönsten Linien
ansteigenden Gebirgskette und ihrer Vorberge die eininelite
Begabung Richard's, die landschaftlichen Einzelheiten zu einein
künstlerischeu Ganzen zusämmenzufasscn oder in der landschasb
lichen Natur eine Reihe abgeschlossener Bilder zu sehen, M
überraschender Weise zu Tage trat. llngünstige Bermögen^
verhältnisse trieben Zimmermann nach Prag, wo er von eineni
Bergolder ausgebcutet wurde, sür den er Jahre lang malte.
Auch später gelang es ihm nicht, den Kunsthändlern gegenüber
seine Selbständigkeit zu wahren: ganz abgesehen davon, daß
er sich mit unglaublich niedrjgen Preisen begnügte, war cr
schwach genug, dem Andrängen der Händler gegenüber seine
bessere Ueberzeugung häufig züm Opser zu bringen, ohne dara»
zu denken, wie sehr er auf diese Weise die Kunst schädigte. —'
Zimmermann war ungewöhnlich produktiv und in der Wahl
seiner Stoffe in der Regel glücklich. Genial angelegt, reich
an poetischer Erfindung, voll feinen Sinncs sür die Schön-
heit der Linie und die Harmonie der Farbe, schus er eine Rcihe
von Werken, welche dcn Arbeiten der Besten scines Fachcs
würdig zur Seite stehen. Die Neue Pinakothek in Münche»
besitzt vier treffliche Bilder von ihm, darnuter eine bedeutende
Winterlandschaft und eine nicht minder schöne Kartoffelcrnle;
eine andere große, poetisch empfundene Winterlandschaft be-
findet sich imBesitze des deutschen Kaisers, und zahlreiche Bitder
gingen durch den Äünsthaudel über den Ozean. Die Jury
einer der letzten Berliner Ausstellungen ehrte den Kiinstler
durch die Verleihung der goldenen Medaille.

dä Max Gierymski, der am 16. September vorigen
Jahres in Neich enhall starb, war einer der begabtesten Mit-
glieder der poluischen Malerkolonie in MUnchen. Am 15. Ok-
tober 1846 in Warschau geboren, wo sein Vater Militär-Ver-
waltungsbeamter war, absolvirte er das Gymnasium seiner
Vaterstadt, trat an die polhtechnische Schule zu Pulawy über,
um sich dort zum Mechaniker anszubilden, ergriff aber 1863
die Waffen für sein Vaterland und erhielt eine Offiziersstelle
bei den Aufständischen. Die Eindrücke des Feldlagers führten
ihn der Kunst zu; die Austrengungen des Kampfe« schädigten
aber seine Gesundheit schwer. Von jener Zeit an trug er deN
Keim des Todes in stch. Nach .Beendigung des Ausstandes
besuchte Gierymski die Warschauer Universität und nahm da-
neben Zeichen-Unterricht, doch sühlte er sich auch von der
Musik so angezogen, daß er eine Zeit lang sie als Lebensberus
zu ergreifen gedachte, bis er durch den Statthalter von Polen,
Grafen Berg, einen warmen Kunstfreund, veranlaßt wurde, sich
definitiv der Malerei zuzuwenden. Mit einem StipendiuiN
Berg's ging er nun nach München an die Akademie, wo cr
unter A. Wagner's Leitung sein erstcs Bild: „Attague kuba-
nischer Kvsaken" malte. Jm nächsten Jahr fand er Aufnahme
im Atelier Franz Adam's, der sein Talent der schönsten Ent-
wickelung zusührte. Bei ihm malte er seine „Polnische Spinn-
stube". Ed. Schleich sllhrte ihn zur Landschast, und nun malte
Gierymski Winterlandschasten, Äegensiimmungen, Mondnächte
und andere meist melancholische Stimmuugslandschasten uiN
ansprechender Staffage aus der Zopfzeit, dem polnischen Dors-
leben oder der Jnsurreklion von 1863. Rasch entstanden,
streng realistisch aufgefaßt und dargestellt: Ein Pistolenduell zü
Pferd; Zusammenkunft vor der Jagd im Walde; Betestde
Juden an der Weichsel; Unangenehmer Besuch bei Mondscheini
Kosaken aus der Landstraße; Allarm u. A. Pon einer 187ik
 
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