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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Woltmann, Alfred: Der neue Katalog der Suermondt'schen Sammlung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0289

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Der neue Katalog der Suermondt'schen Sammlnng.

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es dem dermaligen Stande der kunstwissen-
schaftlichen Forschung entspricht." Beide Sätze
ergänzen einander. Auch bei der Katalogisirung kann
schließlich nur das subjektive Urtheil dessen, der sie vor-
uimmt, cntscheiden, aber es hat sich selbst in Schranken
zu halten durch die Rücksicht auf den objektiven That-
bestand der bisherigeu wissenschaftlichen Forschung; und
diese Zurückhaltung ist bei der Abfassung eines offiziellen
Katalogs in viel höherem Grade geboten, als bei wissen-
schaftlichem Urtheil in irgend einer andern Form. Über
die Suermondt'sche Sammlung existirt eine ausgedehnte
Literatur, welche volle Beachtung verdient; Gelehrte und
Schriflsteller wie Waagen, Bürger, Vosmaer, Paul
Mantz haben über sie geschrieben. Das hätte zu einem
etwas vorsichtigeren Verfahren veranlassen sollen; nicht
jeder subjektive Einfall darf zum Anzweifeln, nicht der
Zweifel so leicht zum Verwerfen führen. Durch zu
weit getriebene Kritik ist das Berliner Museum um
eines der schönsten und bewundernswerthesten Gemälde
der Suermondt'schen Sammlung, den Sturz der Ver-
dammten von Rubens, gebracht worden, den jeder, der
die Sammlung vvn früher her kannte, schmerzlich in
Derlin vermißt. Durch zu weit getriebene Kritik wird
aber auch die Geltung dessen, was man hat, herabge-
drückt. Bis zu welchem Grade, zeigt die Eingangs an-
geführte Stelle im äouriml äss Ltzuux-^rts. Wer die
Sammlung in ihrer jetzigen Aufstellung in Berlin ge-
sehen, weiß freilich, wie abgeschmackt eine solchc Be-
merkung ist. Die Gemälde nehmen sich im Ganzen
vortrefflich aus; man könnte Einzelnes in der Aufstellung
vielleicht anders wünschen, namentlich das Beschränken
der Handzeichnungen auf ein bestimmtes Zimmer, das
dann ganz von Gemälden frei zu bleiben hätte. Manches
hängt auch zu hoch, wie die Bilder von Ribera,
Coöllo, Murillo, Emanuel de Witte, vielleicht
sclbst die Hille Bobbe von Frans Hals. Einiges
vermißt man ungern, wie Cranach's liebenswürdiges
Frauenporträt. Aber auf der andern Seite ist es nicht
möglich, die feinen Kabinetstücke der Sammlung mehr
zu genießen und besser zu sehen, als in den neu ein-
gerichteten kleinen Gemächern mit den schräg gestellten
Wänden und dem vortrefflichen Seitenlicht.

Jm Uebrigen ist der neue Katalog der erste größere
Versuch, den Bedingungen gerecht zu werden, welche der
kunstwissenschaftliche Kongreß für Katalogisiruug von
Galerien aufgestellt hatte. Jn allen Hauptpunkten haben
sich die Verfasser nach diesen Normen gerichtet, nur ein
paar nebensächliche Forderungen haben sie übersehen,
zum Beispiel diejenige, daß bei Bildern auf Holz auch
die Art des Holzes anzugeben sei. Die Daten über
die einzelnen Meister werden in jenen Normen nur in
gedrängter Kürze verlangt, Ausführlicheres wurde nur
in solchen Fällen gewünscht, „in denen eine Galerie zu

einer bestimmten Künstlergruppe ein näheres Verhältniß
hat." Die Verfasser hatten Recht, anzunehmen, daß
ein solcher Fall hier vorliege, bei der reichen und cha-
rakteristischen Bertretung der holländischen und der flä-
mischen Schule in der Suermondt'schen Galerie. Sie
haben bei ihren biographischen Notizen nach den besten
Quellen gearbeitet, und die Stärke des Katalogs liegt
in den kürzeren oder ausführlicheren Charakteristiken der
Schulen, Epochen und einzelnen Meister. I. Meyer
und W. Bode gehören zu den wenigen Schriftstellern,
die es verstehen, Eigenthümlichkeiten der malerischen
Technik klar, präcis und entsprechend in Worten zu
schildern; sie bewähren diese Eigenschaft hier wieder in
glänzender Weise, uud diese Schilderungen sind meist
bei höchst gedrängter Form vortrefflich. Ein paar
Flüchtigkeiten im Einzelnen sind wohl durch die Kürze
der Zeit, welche für Abfassung des Verzeichnisses gesetzt
war, zu erklären. Einige hat die neue Auflage bereits
beseitigt. An manchen Stellen wäre auch eine stilistische
Durchsicht angebracht; gerade bei Katalogen muß man
sich in dieser Hinsicht strenger kontrolliren, weil die un-
umgängliche Kürze des Ausdrucks leicht zu Mißgriffen
führt. Hier heißt es z. B. von Aldegrever: „Als
Stecher außerordentlich fruchtbar und bedeutend, sind
Gemälde von seiner Hand nur selten zu finden." Voll-
ständiger und korrekter hätten namentlich die Angabcn
über Literatur, zum Theil auch über Herkunft und über
die Vervielfältigungen der Bilder sein dürfen. Der
Mann mit den Nelken (so, nicht aber „mit der Nelke"
muß man sagen) ist von Gaillard nicht radirt, sondern
gestochen; bei einem der größten Meisterwerke der ver-
vielfältigenden Kunst in der Gegenwart ist die Technik
richtig anzugeben. Auch die Zeitfolge der Publikationen
sollte genauer beobachtet sein. In den Literaturangaben
ist meist nur die auf die einzelnen Meister, nicht aber
die auf die einzelnen Bilder bezügliche Literatur berück-
sichtigt worden. In dieser Beziehung hätte aber der
Katalog der letzten Suermondt'schen Ausstellung in
Brüssel zum Vorbilde dienen können, in welchem sogar
mehrfach Citate aus den Aussprüchen bekannter Kunst-
schriststeller passend eingereihl waren. Zurückzuweisen
ist eine Stelle in den Literaturangaben über Rubens:
„Waagen's Aufsatz im Historischen Taschenbuch von
1833 ist jetzt ganz veraltet unv unkritisch." Veraltct
ist er jetzt freilich; ein Schicksal, das vielleicht auch dem
neuen Berliner Kataloge nach Verlauf von zweiundvierzig
Jahren begegnet sein wird; aber seitdem hat Waagen
wiederholt seinen Studien über Rubens eine neue Re-
daktion verliehen, zunächst in seinem Handbuch (1862),
dann in einer ausführlichen Biographie als Text des
Schauer'schen photographischen Albums (1864). Jede
dieser Arbeiten ist, dem jedesmaligen Stande der Wissen-
schaft entsprechend, eine kritische und wissenschaftlich wcrth-
 
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