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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Redtenbacher, Rudolf: Die ursprünglichen Entwürfe für St. Peter in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0303

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Die ursprünglichen Entwürfe für St. Peter in Rom.

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abweichender Ansichten anregen, und H. v. Geymüller
hat in seiner „Erwiederung" auf meine „Beiträge" vor-
zubeugen gesucht, „daß sein Werk beim Erscheinen nicht
sogleich mit Mißtrauen anfgenommen werdc." Ein
solches Mißtrauen schcint mir selbst fnr den Fall nicht
zu erwarten zu sein, daß v. Geymüller's Deutung der
ursprünglichen Entwürfe zu St. Peter einige wesentliche
Jrrthümer enthalten sollte, denn diese würden kaum den
bleibenden Werth seiner Publikation schmälern, die für
jede Bibliothek eine Zierde ist. Die jetzige allgemeine
Begeisterung für die italienische Renaissance wird sich
auch in der raschen Verbreitung dieses Werkes äußern.

Was nun H. v. Geymüller's„Erwiederung" im Mai-
heft des laufenden Jahrgangs der Zeitschrift betrifft, so
möchte ich vor allem einer irrigen Auffassung seinerseits
über die Entstehung meiner „Beiträge zur Baugeschichte
von St. Peter" begegnen. Nicht die Absicht, die alten
Traditionen über den Bau an der Hand der Dokumente in
den Uffizien gegen Hrn. v. Geymüller zu vertheidigen,
leitete mich bei Abfassung der Beiträge, sondern v. Gey-
müller's „Notizen über die Entwürfe zu St. Peter in
Rom" regten mich, als ich diese Original-Entwürfe vor mir
hatte, dazu an, eine andere Lösung der Frage zu ver-
suchen, in welchem Zusammenhange der Bau und die
Pläne zu einander stünden; die Uebereinstimmung meiner
Ansichten mit den älteren baugeschichtlichen Traditionen
war ja gerade das Resultat meines Studiums der Pläne
sowvhl als auch des Baues selbst, und der Autoren
Vasari, Serlio und Anderer, nicht aber der Ausgangs-
Puukt für meine Beiträge. Dieser Ausgangspunkt lag
vielmehr in den für die Autorschaft Bramantc's an
der fraglichen Rothstiftzeichnung angeführten Beweisen
v. Geymüller's, deren erster wenig stichhaltig war, deren
zweiter wesentlich auf dem ersten fußte, deren dritter
überhaupt kein Beweis, sondern eine Berufung auf das
Urtheil renommirter Autoren war, außerdem noch einen
Glaubenssatz enthielt. Die Unzulänglichkeit des ersten
Beweises trieb mich zu weiterem Forschen, die beiden
anderen „Beweise" brauchten überhaupt nicht widerlegt
zu werden. Die Differenz unserer Ansichten über St.
Peter ist auf einer Differenz unserer ästhetischen Grund-
anschauungen basirt; v. Geymüller huldigt einerseits
der in der Berliner Schute viel verbreiteten Ansicht,
daß durch ein geschicktes Arrangement hübscher Archi-
tekturmotive ein Kunstwerk entstehen könne, und der an-
deren Auffassung, nach welcher „die ewig gültigen"
Fvrmen der Hellenen, denen Bramante's Architektur
noch am nächsten käme, im Vergleiche mit allen Werken
der italicnischen Nenaissanee alö der absvlute Maßstab
für die ästhetische Beurtheilung der Bauwerke aller
Völker zu gelten haben.

Dadurch, und durch die ebenfalls in der Berliner
Schule vielfach ausgesprochene Deutung des Genie's

als eines Künstlers, welcher als Ausgangspunkt einer
neuen Richtung in der Kunstgeschichte zu betrachten ist,
erklärt sich, wie mir scheint, v. Geymüller's Schwär-
merei für Bramante, die ich ebenso wenig theile wie
diese von mir längst überwundenen Lehren der Berliner
Schule. Als Schöpfer einer neuen Richtung in der
Baukünsk, der Hochrenaissance, gehvrt ja Bramante
gewiß der Reihe von Männern an, in welcher wir die
Namen eines Suger und Brunelleschi verzeichnet finden;
aber es ist doch ein wesentlicher Unterschied zwischen
dem bahnbrechenden Künstler und dem Genie, welches
einen Gipfelpunkt in der Kunst bezeichnet, sonst müßte
man ja auch einen Hübsch in dieselbe Reihe stellen, da
er eine ganz bestimmte Richtung, Lie in den letzten
Zügen liegende „Karlsruher Schule" gegründet hat,
und dafür auch als „Genie" verehrt wurde. Daß ich
Baldassare Peruzzi für den genialeren von den beiden
Hauptträgern der Hochrenaissance halte, dafür kann
mich vielleicht eine demnächst erscheinende Pnblikation
seiner wichtigeren Baupläne aus den Uffizien zu Florenz
rechtfertigen, und das Studium der architektonischen
Handzeichnungen daselbst führte mich überhaupt zu eiuer
größeren Respektirung der Zeitgenossen Bramante's,
welche an St. Peter thätig waren.

H. v. Geymüller's Befürchtung, was zu Gunsten
Giuliano da San Gallo's gesagt wird, könnte Bra-
mante schaden, kann ich von meinem Standpunkt aus
nicht theilen; wenn Einzelmotive des Bramante'schen
Planes schon vorher bei Giuliano da San Gallo vor-
kämen, wäre denn damit gesagt, daß Bramante ein
„unselbständiger, inkonsequenter Kopist", und daß Giu-
tiano der „eigentliche Schöpfer von St. Pcter" war?
Muß denn Giuliano seine Gedanken Bramante entlehnt
haben oder umgekehrt? Die Uebereinstimmung der Pi-
lonen und der Centralkuppel in den Plänen beiver Meister'
ist mir nicht entgangen; aber ich bin sehr geneigt, darin
noch keinen direkten Beweis dafür zu sinden, daß die
Pläne von einander abhängen, sondern möchte eher'
glauben, die Aehnlichkeit beider Pläne in manchen DingeN
sei auf eine und dieselbe Ursache zurückzuführen, auf deN
Willen Julius' II. Wie wäre es denn z. B-, wenN
dieser, und nicht Bramante, die kühne Jdee gefaßt hätte,
„das Pantheon auf das Templum Pacis" zu stellen,
wenn der heroische Mann mit dem bestimmten, ener-
gischen Wesen, wie es schon aus seinem Bilde auf Cara-
dopa's Münze spricht, den Plan zu seinem St. Petet
im großen Ganzen selbst bestimmt und die Centralkupp^
mit den Pilonen sowohl Giuliano da San Gallo aks
Bramante vorgeschrieben hätte, ebenso wie manches An-
dere, was in den Plänen übereinstimmt? Julius Ik^
hatte doch wohl das Zeug dazu, einen solchen GedankeH
zu fassen und als Bauherr die ganze Sache zu be-
herrschen; gerade die „inüniti ckissbni" und die „§üiru
 
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