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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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601

Korrespondenz.

602

verkündete. Von den Bildhauern hat Marqueste
°>nen sehr verdienstvollen Perseus geliefert. Die Kupfer-
stecher brachten nur Blittelgut.

Um vollständig zu sein, muß ich bei Besprechung
^er diesjährigen Ausstellungen in Rom auch noch der
^uf der Piazza del Popolo gedenken, doch kann ich über
^ieselbe nicht urtheilen und eingehender berichten, da ich
!Ubst als Aussteller dabei beiheiligt bin. Der Vcrein,
^velcher diese Ausstellungen veranstaltet, soll sich übrigens
°uflösen, sobald die großen Jahresausstellungen zu Stande
k°NM,en. vr. Zsidor.

Frankfurt am Main, Ansang Zuni.

V. Es ist eigenthümlich, wie in der Kunst immer
Uud immer die Jrrthümer wiederkehren, deren Vermei-
dung durch ein höchst einfaches Nachdenken ermöglicht
^>are, und wie aus Mangel an solchcm Nachdenken über
^ie Natur der zur Ausführung gebrachten einzelnen
^unst gerade wider deren eigentlichste Natur gesündigt
v>ird! So sollte man meinen, in der Malerei stüiwe
^u jedes Künstlers Seele als zur zweiten Natur gewor-
^nes Prinzip der sehr einfache Satz fest, daß das Neben-
°Mander der Figuren innerhalb eines uud desselben
^ahmens die Gleichzeitigkeit der durch sie dargestellten
Handlung bedinge, und das Nacheinander ausschließe.
^ie falsch aber dennoch diese Meinung wäre, zeigt das
veueste Werk Ferdinand Becker's, eines Künstlers,
^uf dessen schönes Talent und tüchtige Leistung wir
Ichon früher hingewiesen haben, der aber, trotz aller
Ueuen Bewahrheitung seines Talentes, diesmal nach der
°Vkvähnten Seite hin einen so entschiedenen Fehlgriff
Lethan hat, daß wir dagegen Protest erheben müssen.

Wie früher, haben wir es auch hier wiedcr mit
°u,em Aquarellbild zu thun, und ebenso ist es wieder
°in deutsches Märchen, welches dcn Künstler zu seiner
^chöpfung angeregt hat. „Der Jud im Dorn" heißt
bei Grimm, „Der arme Knecht" bei Bccker. Der
^uecht aber hatte drei Jahre hindurch seinem Herrn
^blich gedient und von ihm als Lohn drei Heller er-
halten und als etwas Großes fröhlich hingenommen,
^iesen Lohn dann einem armen alten Männlein geschenkt,
Uud als ihm dafür gestattet wurde, drei Wünsche zu
chun, sich ein Vogelrohr gewünscht, welches nie fehle,
°'Ue Geige, bei dercn Klang die Hörer tanzen müßten,
Uud schließlich klugcrweisc, daß jedc Bitte Gehör findcn
chlle. So ausgerüstet zieht er in die Welt. Die nächsten
^rlebnisse nun sind dcr Gegenstaud der Darstellung.
ilnserem Blick öffuet sich ein Marktplatz, links von
^tadtmauer und Thurm, im Hintergrund von hübschen
^enaissancehäusern begrcnzt, von welchen nur das größte
u»d offenbar voriichmste cine ctwas schwerfällige Archi-
i^klur zeigt, rcchts cin schönes Erkerhaus. Durch das

offenstehende Stadtthor links fällt der Blick in einen
Wald und dort spielt die erste Scene sich ab. Der
Bursch war einem Juden begegnet, der einem Vogel
zuhörte und den schönen Sänger gern besessen hätte.
Flugs schießt ihn der Knecht mit dem nie fehlenden
Rohre herunter und der Jude geht in den Dornbusch,
um sich den Vogel zu holen. Da will der Knecht sehen,
ob auch die Geige ihre Dienste thue, spielt lieblich auf,
und der Jude muß ini Dornbusch tanzen. Flehend
bietet er dem Knechte alles Geld, welches er bei sich
trägt, und der Knccht nimnit es an. — Die zweite Scene
führt uns in's Jnnere der Stadt. Mit zerrissenem Gewand
steht der Jude vor dem Richter und klagt ihm sein
Lcid. Daß er erhört wird, zeigt die dritte Scene: ge-
fesselt wird der als Straßenräuber verklagte Knecht in
dcn Thurm geführt. Trotz sciner wahrheitsgetreucn
Erzählung wird er verurtheilt, und — vierte Scene
— schon steht er auf dem Galgen, der rothe Henker
mit dem Stricke neben ihm. Da bittet er noch cinmal
auf der Geige spielen zn dürfen; die Bitte kann nicht
abgeschlagen werden, und den Erfolg zeigt uns der
Maler: Richtcr, Jude, MLnner, Weiber, Alles tanzt.
Da wird die Wahrheit seiner Erzählung erkannt, daß
er nämlich den Juden nicht bestohlen, sondern das Gcld
redlich von ihm erhalten habe. Natürlich wird nun
der Jude inquirirt, wo er denn eigentlich das Geld
herbekommen. Unv richtig zeigt sich, daß er selbst ein
Dieb ist und alsbald — Scene sechs — steigt nun er
den Galgen hinauf, um an Stelle des armen Knechtes
zu baumeln. Dieser aber, mit Bogelrchr und Geige
angethan, zieht — Scene sieben — die „Jungfern"
grüßend, fröhlich und wohlgemuth zur Stadt hinans,
vom Jubel des Volks geleitet.

Sieben Scenen und, mit Ausnahme der ersten,
alle anf dem Marktplatze sich abspiclend! Da sehen wir
den Juden dreimal, dazu das eine Mal vor der Stadt,
macht viermal, den Richter zwcimal, den frommen Knecht
dreimal und gleichfalls noch einmal vor dem Thore,
den Richter und Knecht aber jedesmal in anderer Klei-
dung, wie sic der Situation angemcsscn ist. Soll es
Einen da nicht gemuthen, als ob wir auf dem Fasching
wären, und mehrere machten sich den Scherz, dieselben
Personen zu spielen? Aber dann wird doch wenigstens
die Glcichheit des Kostüms gcwahrt. Hier jedoch wird
uns zugemuthet, alle Scenen mit einem Blick zu über-
schauen und sie doch als nacheinaudcr und auseinander
entstehend sich abspielen zu lassen! Und zu welchen
Ungeheuerlichkeitcn hat der Künstlcr grcifcn müsscn!
Oder wäre es keine Ungeheuerlichkeit uns zuzumuthen,
den Richter in seiner Häuslichkeit mit Frau und Kind,
mit Tisch und Büchern anf dem Marktplatz zu denkcn,
von dem übrigen Treiben durch eine Stufe und eine
kaum halb mannshohe Mauer und ein Paar Blumen-
 
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