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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Abrest, Paul d': Der Salon, [4]
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627

Der Salon.

628

gene Ausführung dcr Taftlgeschirre zu rühmcn, und die
genaue Perspektive der Gobelins an den Wänden des
verschwörungsschwangeren Speisesaals.

Kehrcn wir vom raffinirten Zcitalter der Fronde,
in dem Gräfinnen im Amazonenkleide die Kanonaden
befehligten und alles in Liedern endigte, zu der rauhen
Periode des Mittelalters zurück. I. P. Laurens
bietet uns zwei Kompositionen, welchen nur ein großer
Rahmen fehlt, um bei vem heutigen Streit zwischen
Kirche und Staat durch ihre Tendenz anf die Massen
einen gewaltigen Eindruck auszuüben. Der Bannfluch
des Papstes ist es, der dem Maler das erwünschte Thema
lieferte. Jm Jahre 1000, als den Prophezeiungen der
Astrologen und Hellseher zufolge die Welt zu Grundc
gehen sollte, schleuderte der Papst gegen den milden und
wohlthätigen König von Frankreich, Robert, den Bannstrahl,
der damals noch nicht seine materielle und direkte Wir-
kung verloren hatte. Jn dem ersten Bilde hat der
päpstliche Legat soeben gegen den König den Bannfluch
ausgesprochen; der ganze Hofstaat entfernt sich langsam,
nach Beobachtung der unheimlichen Prozedur; der Bischof,
die Mitra auf dem Haupte, den Krummstab in der Hand,
schließt dcn Marsch, gleichsant als wollte er im Namen
der alleinscligmachenden abcr unerbittlichen Kirche jedem
den Weg verschließen, der versucht wäre, zu dem verlassenen
König zurückzukehren. Dieser bleibt allein mit der
Gattin, die ängstlich die Arme um seinen Hals schließt,
zurück auf dem zum Armcnsünderbänkchen gewordenen
Thron.' Die umgestürzte Wachskerze raucht nvch schwach,
vom Fuße des Urtheilsvollstreckers zertreten. Es ist
dcm Maler gelungen, die Oede und Leere anzudeuten,
die nun in dem Gemache herrschen werden; das Antlitz
der Königin ist im Ausdruck des Schreckens wohl ge-
lungen und hat trotz der Wahrheit des Ausdrucks nichts
von der angeborenen Anmuth verloren.

Das zweite Bild führt uns vor das Portal einer
Kirche, während der Jnterdiktperiode. Die Hauptthüre
ist verrammelt, ein schwarzer Flor überdeckt die Ver-
barrikadirung aus Holzbalken und rohem Gestrüpp; im
Hofraume, wo das Unkraut sich gar üppiz anfthürmt,
liegen einige Leichen, deren Köpfe der Maler zart genug
war mit einem Flor zn verhüllcn, während ein Voll-
blutromantiker die Gelegenheit nicht versäumt hätte,
hier einige Vcrwesungsstudien auszustellen. Anf eincm
der Cadaver finden wir sogar Blumen und dabei recht
schöne ansgestreut, was offcnbar eine Uebertreibung der
Rücksichten für die Nerven eines geehrten Publikums ist.
Dieses Werk des Herrn Laurens ist unbedingt eines
derjenigen, die sich dem Geiste einprägen, ohne jedoch
sich desselben zu bemächtigen.

Der Mangel an Selbständigkeit der Anffass-
ung ist dcr gewichtigste Vorwnrf, den man gegen die
heutigen Historiemnaler Frankreichs erheben kann. Wenn

die Herren und ihre Kunstkritiker cinen Funken von
doim lläss in sick spüren, so müssen sie schon beim
Anblick der von Matcjko eingesandten „Glockentauft
durch König Sigismnnd in Krakau" eingestehen, daß
dieser Zweig der französischen Schule vor dem cnt-
sprechenden Zweige der deutschen nicht Vieles voraus
hat. Das Bild ist Jhren Lesern gewiß nicht unbekannt;
auf dem ersten Blick wird man durch diese Fülle von
grellem Kolorit, diese Anhäufung von Figuren innerhalb
eines so bescheidenen Rahmens förmlich betäubt, wäh-
rend allerdings die meisten französischen Bilder sich klar'
und mit einer gewissen Nettigkeit präsentiren. Das
Matejko'sche Gemälde erregt in hohem Grade die öffent-
liche Aufmerksamkeit. Die Besucher des Salon bleiben
zuerst überrascht vor der prächtigen Farbenwirkung
stehen. Jst aber der erste Eindruck vorüber und weicht
er einem eingehenden Studium der Figuren, so macht
das Erstaunen aufrichtiger Bewunderung Platz.

Ein Nachbar des Matejko'schen Bildes ist das
vielbesprochene Bild von E. Manet, das seinem Autor
nicht viele Komplimente eingebracht hat, aber eine leiden-
schaftliche Schulpolemik hervorrief, wie sie sich nur an
Werke von reellem Werthe — mögen sie gefallcn oder
nicht — knüpft. Manet ist in seinem Fache von jeher
ein Wagehals gewesen, er verschmäht cie ausgetretenen
Pfade, die Originalität ist sein oberstes Gesetz, unv er
trägt sür die Meinung der Menge unv speziell für das
Urtheil der Kritik eine Verachtung zur Schau, die in
dem selsenfesten Glauben an seine Mission, cine Mission,
für die er allein Verständniß hat, ihre Erklärung finden
soll- Manet fühlt sich berufen, einer neuen Kunst-
richtung in der Malerei Bahn zu brechen, und wenn
seine ersten Versuche allgemeines Halloh erregten, ft
vergleicht er sich mit jenen Erfindern, die bei ihrein
ersten Auftreten verspottet und sogar verfolgt wurden,
was ihren Erfindungen für die Zukünst nicht schadete
— im Gegentheil- Die Richtung, als deren Jnitiator
Manet sich gerirt, besteht darin, ein Kleid, einen Baum,
cine menschliche Gestalt just so wiederzugeben, wie man
sie zu sehen glaubt, und ohne sich an gewiffe Regeln
zu halten, die bis heute mehr oder minder pünktlich
eingehalten wurden. Es ist hier nicht am Platze, die
Frage erschöpfend zu behandeln, ob der Realismus
Manet's ein gesunder und unverfälschter ist, oder ob
er sich hauptsächlich damit befaßt, die Excentricitäten und
Unschönheiten in ungeschminkter Weise wiederzugeben-
Aber ohne den Prinzipien der Schule Manet's unbe-
Lingt beizupflichten, darf man die meistens oberflächliche
Benrtheilung, die seinem Bilde zu Theil wurde, höchft
ungerecht finden. Von Weitem erblickt man auf dei'
Leinwand nichts als einen blauen Fleck vom allerschönsteU
Jndigo. Dieser Fleck sticht einem derart in die AugeN,
daß lange darauf alle Gegenstände sn blsu erscheinen-
 
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