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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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649

Jllustrationswerke.

659

mit inländischen von anerkanntem Werthe in die Schranken
tritt. Kommt doch der bildenden Kunst ebenso wie der
Dichtung jene Eigenthmnlichkeit zu, daß sie kosmopo-
litischen Charakter trägt, und ist doch ihre Sprache
gerade nach dieser Richtung hin so viel leichter ver-
ständlich als die der Poesie im engeren Sinne. Und
so begrüßen wir es als ein dankenswerthes Unternehmen,
wenn der Hallberger'sche Verlag die in England ge-
schätzten, in Deutschland aber nnr in engeren Kreisen
bekannten Shakespeare-Illustrationen John Gilbert's
nun auch dem großen Kreise der deutschen Gebildeten
zugänglich zu machen sucht, und zwar in Berbindung
mit einer schön ausgestatteten und gut redigirten Aus-
gabe der dichterischen Werke Shakespeare's selbst.

Die Jllustrationen, die uns hicr vorzugsweise in-
teressiren, sind zweierlei Art: die einen suchen die Phan-
tasie des Lesers zu unterstützen, wenn er sich bemüht,
die durch die Dichtung gegebenen Situationen sich vor-
zustellen. Da giebt Johu Gilbert in kräftigen Zügen
ben Charakter der dramatischen Situation mit beson-
derer Betonung der historischen Treue, so daß gerade
bei den so mannichfachen Zeiten und Lebenskreisen, in
welche Shakespeare's Dramen führen, in der That diese
Beihülfe dem Leser eine sehr willkommene sein kann.
Die andere Art — und diese halten wir ihrem Wesen
Wie ihrer Ausführung nach für die viel bedeutendere —
begnügt sich mit der Darstellung einzelner Persönlich-
keiten, oft nur ver Büste derselben, sucht aber den Cha-
rakter des Einzelnen möglichst prägnant zum Ausdruck
zu bringen. Hier kann sich die eigenilich schöpferische
Kraft des bildenden Künstlers bethätigen; hier kann er
zeigen, wie tief er in das Wesentliche der Dichtung
eingedrungen ist, und iu welchem Grade er es vermag,
dem vordichtenden redenden Künstler nachzudichteu. Hier
tvird daher die Jndividualität des bildenden Künstlers
iin Gegensatz zu derjenigen anderer, nach gleichem Ziele
ringenver Künstler am schärfsten hervortreten und seine
Auffassung als eine in der That selbständige sich ihren
Platz neben anderen erringen können. So möchten wir
aus den uns vorliegeuden Lieferungen 1—3, welche
König Lear, Heinrich VIII. und den Anfang von An-
tvnius und Kleopatra enthalten, als auf sehr tüchtige
Leistungen, neben welchen sich natürlich noch sehr wohl
andere Darstellungen als durchaus berechtigte denken
lassen, auf die Einzeldarstellungen der Brüder Edmund
(S. 14) und Edgar (S. 44) hinweisen, ferner auf die
bes blumengeschmückten Lear (S. 50), der mit angst-
voller Spannung den Spuren der Vernunft des kranken
Baters nachforschenden Cordelia (S. 54), sodann aber
besonders auf die Darstellung des Königs mit dem in
hvher Gunst stehenden Kardinal Wolsey (S. 81), dcs
nun tief gestürzten, in stch versunkenen Kardinals
(S. 104) und ebendesselbeu, nachdem er in seinem Un-

glück den Anlaß zur inneren Läuterung gefnnden hat
(S. 108).

Ob nun in dcr Einheit des Jllustrators gerade
ein besonderer Vorzug liegt, ist eine Frage, deren Be-
antwortung davon abhängt, ob der bildende Jnterpret
dieselbe Vielseitigkeit der Anschanung und der schö-
pserischen Kraft besitzt wie der originale Dichter. An
und für sich läßt es sich jedoch sehr gut denken, daß
ebenso wie eine von mehreren ausgehende Uebersetzung
in eine andere Sprache gerade dadurch dem großen
Dichter gerecht wird, daß bei der Mannichfaltigkeit des
Originals durch eine Vertheilung der jedesmal Geeignetste
seine ganze, sich gerade nach dieser Richtung hin bewegende
Kraft einsetzen kann, auch vie Ucbersetzung der reden-
den Kunst in die bildende durch mehrere Künstler erfolgen
kann. Es kommt bei der Uebersetzung eines Dichters
nicht sowohl darauf an, daß überall bei allen einzelnen
Werken, deren jedes ein besonderes Ganzes für sich
bildet, die gleiche Auffassung, der gleiche Ton sich be-
merkbar mache, als vielmehr darauf, daß jedes einzelne
Werk seiner Eigenthümlichkeit nach in der Ueber-
setzung die möglichst große Annäherung an seine Vor-
züge und seinen besonderen Charakter erlange. Die
Gesammtheit des begonnenen Werkes wird zeigen, wie
weit man von einer Congenialität des Zllustrators dem
Dichter gegenüber wird reden dürfen. Sicherlich aber
wird sich auch diese Shakespeareausgabe im deutschen
Volk einen Platz erringen, den sie den uns vorliegenden
Proben nach in der That beanspruchen darf, da sie in
der gewählten Form wohl geeiget ist, das Verständniß
des Dichters zu fördern und seinen Freunden einen er-
höhten Genuß zu verschaffen. V. V.

1) Grimm's Kindcr- nnd Hausmärchcn in Bildcrn von

Eduard Jlle, Profcssor in München; in Holz
geschnitten von W. Hecht. Berlin, Alex. Duncker.

2) Jtalien. Eine Wanderung von den Alpen bis zum

Aetna. Jn Schilderungen von Karl Stieler, Eduard
Paulus, Woldemar Kaden, mit Bildern von G.
Bauernfeind rc., Holzschnitte von Adolf Cloß in
Stuttgart. Verlag von I. Engelhorn in Stuttgart.

3) Faust von Goethe. Erster Theil. Mit Bildern

und Zeichnungen von A. v. Kreliug, Direktor der
kgl. Kunstschule in Nürnberg. München und Berlin,
Friedr. Bruckmann's Verlag.

Wie viele Jahrtausende liegen zwischen der Zeit,
in denen die alten Aegypter ihren aus Nilschlamm ge-
schlagenen Backsteinen mittels Holzstempeln gewisse Zeichen
aufdrückten, und den Tagen, in denen Thomas Bewick
seine große Pflanzschule der modernen Holzschneidekunst
gründete! Und welche Fortschritte hat diese Kunst hin-
wiederum seit der Gründung der ersten illustrirten Zei-
 
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