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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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Der neue Katalog der Suermondt'schen Sammlung, [2]
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547

Der neue Katalog der Suermondt'schen Sammlung.

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eine Natur, wie er sie gemalt hat, nach den Gesetzen
der Perspektive nicht recht möglich ist. Das verschlägt
aber bei einer idealen Landschaft nicht viel, denn hun-
dert große Beispiele lehren, daß die höhere künstlerische
Wahrheit nicht unter solchen Unrichtigkeiten zu leiden
braucht. Makart's Landschaft, die in ihrem Motiv so-
wohl auch auch in ihrer düsterem feierlichen Färbung
an Ruysdael's „Judenkirchhof" in Dresden mahnt, hat
thatsächlich dicse künstlerische Wahrhcit für sich. Man
kann es nur dringcnd wünschcn, daß er dieses einmal
betretene Feld Pflegen möchte. Wir sind gewiß, daß er
im Stande wäre, unsern „idealen" Landschaftern manche
kräftige Anregung zu bieten, und Gott weiß, wie nöthig
sie es hätten!

Eine zweite ideale Landschaft hat C. F. Lessing
zur Ausstellung geschickt; sie benennt sich „Landschaft
im Charakter des Harzes". Thatsächlich zeigt das ernst
gestimmte, in Lessing's schlichter Art durchgeführte Bild
nicht sowohl den Charakter des Harzes, als den —
Lessings. Es ist im Allgemeinen ein mißlich Ding um
eine Landschaft „im Charakter" dieser oder jener Re-
gion. Ein Künstler, der eine Harzlandschaft malen
will, wird sich durch kein anderes Mittel helfen können,
als daß er sich im Harz niederläßt und dort Natur-
studien malt. Jedes andere Mittel ist vom Uebel. Eine
eigentliche Harzlandschaft ist Lessing's Bild nicht, da-
gegen ist es dieses Mal auch keine rechte heroische Land-
schaft geworden. Das Streben, den Charakter des
Harzes zum Ausdruck zu bringen, hat dem Linienzuge,
der sonst in Lessing's Bildern von so ernster Größe zu
sein pflegt, sichtlich Abbruch gethan.

Jn der Nähe hängt eine „Mühle in Südtirol" von
Robert Ruß, deren glänzende, bravourmäßige Technik
es für das Lessing'sche Bild nicht rathsam erscheinen
ließ, sich in Bezug auf Geschicklichkeit der Hand in
einen Wettkampf damit einzulassen. Die Virtuosität
von Robert Ruß, seine Gewandtheit in der Verwendung
und Beherrschung aller Mittel, die selten fehlgehende
Kühnheit, mit welcher er den gewagtesten Effektcn zu
Leibe geht, sind erstaunlich. Hätten seine Bilder auch
eine Seele, verriethen sie uur durchweg eincn adeligcn
Sinn für die höchste Feinheit der Farbenwirkungen: er
brauchte keinem Landschafter den Vorrang vor sich ein-
zuräumen. Leider pflegt die Natur ihre Gaben zu ver-
theilen, nicht zu häufen.

Schindler hat uns dieses Mal mit kleiner Münze
abgefertigt. Die großen Bilder, die er in jüngster Zeit
vollendet hat, sind in Privatbesitz übergegangen, vor
Eröfsnung der Ausstellung, und konnten für diese leider
nicht mehr gewonnen werden. Die wenigen Tafeln, die
seinen Namen tragen, sind übrigens, obwohl zum Theil
sehr skizzenhaft, doch durchwegs anmuthig und gefällig;
Schindler, mag er auch manchmal die heftigste Oppo-

sition wecken, macht doch nie etwas Uninteressantes.
Bollständiger sind seine Schülerinnen, die Schwestern
v. Parmentier, vertreten; sie machen ihrem Lehrer alle
Ehre. Jhre Bilder haben keinen Zug mehr von weib-
lichem Dilettantismus an sich; vielmehr präsentiren sie
sich als künstlerische Leistungen, die man sehr ernst
nehmen darf, und die auch des Beifalls der Kenner
sicher sein können. Viel frische Begabung zeigt Dit-
scheiner in einigen Waldbildern, dagegen hat er mit
einer „Stürmischen See" einen gewaltigen Mißgriff
gethan. Er giebt, indem er die Gewalt des Meeres
durch ein empörtes Wellchen anschaulich machen zu können
vermeint, nur eine Andeutung, eine Aposiopcse der stür-
mischen See. Die Alten haben wohl einen Baum hin-
gemalt, um dadurch anzudeuten, daß dort ein Wald zu
stehen habe. Solche Naivetäten können wir aber den
Künstlern der heutigen Zeit nicht mehr passiren lassen-

Hugo Charlemont läßt in einer „Holländischen
Dünenlandschaft", sowie in zwei staffirten Laubland-
schaften erkeunen, welch' ersreulichen Fortgang die Ent-
wickelung seines jungen Talentes nimmt. Sein Bruder,
der Figurenmaler, hat die Ausstellung leider nicht be-
schickt. A. Schäffer, Ranzoni und Munsch haben
treffliche Arbeiten zur AussteUung gebracht. Sie sind
ausgereifte, in sich fertige Künstler, über welche wesentlich
Neues nicht mehr zu sagen ist.

Von den wenigen auswärtigen Künstlern hat in
erster Linie Gust. Koken aus Weimar sich durch eine
überaus frische und liebliche Frühlingslandschaft im
Fluge die Herzen aller Kenner erobert. Auch v. Glei chen-
Rußwurm, bei uns schon lange kein Fremdling mehr,
hat sich durch seinen „Rehwechsel" zu seinen alten noch
eine große Anzahl von neuen Freunden erworben. Jch
darf nicht schließen, ohne noch des Freiherrn Eugen
v. Ransonnet zu gedenkeu, der mit seinem „Morgen
am Ganges in Benares" eine der interessantesten und
feinstgestimmten Landschaften beisteuerte.

Balduin Groller.

Der neue Katalog der Suermondt'schen
Sammlung.

(Fortsetzung.)

Die zarte Landschaft von Rembrandt, eine ganz flache
Gegend, wird dem Herkules Segers beigemessen.
Der Vergleich mit dessen wirklichem Werk aus der
Suermondt'schen Galerie, seinem einzigen bezeichneten Ge-
mälde, das bis jetzt nachgewiesen worden ist, bestätigt diese
Vermuthung nicht. Letzteres ist weit schwerer im Ton,
nicht so scharf und geistreich in der Pinselführung. Es
besteht eine Verwandtschaft zwischen beiden Gemälden,
aber nur" eine solche, die dem Verhältnisse des Nach-
folgers, Segers, zum Vorbilde, Rembrandt, entspricht.
 
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