nicht zu kümmern, — es wird von selbst ver-
schwinden, weil es, wie heute schon zu merken
ist, „aus der Mode kommt". Heute gibt es ja be-
reits eine keineswegs erfreuliche modische Ein-
fachheit der Form, die unvermeidlich ist wie alle
Mode, die aber immerhin durch Kritik und Schär-
fung des Formgefühls allmählich zurückzudrängen
oder zu veredeln eine lohnende Aufgabe des
Werkbunds ist. Neben dieser Aufgabe, „Hüter
der Form" zu sein, die hoffentlich nach wie vor in
erster Linie der Zeitschrift des Werkbunds über-
tragen bleibt, hat aber der Werkbund eine
ganze Reihe wichtigster Aufgaben zu lösen, um
die er sich zum Teil bisher vielleicht etwas zu
wenig gekümmert hat, auf die er aber gerade
jetzt, wo er nicht durch die Vorbereitung von
Ausstellungen und ähnliche mehr nach außen
wirkende Arbeit abgelenkt ist, alle Kräfte kon-
zentrieren kann. Bei weitem die wichtigste dieser
Aufgaben ist die Gewinnung von Einfluß auf die
Behörden. Es ist eine ebenso erstaunliche wie be-
trübliche Tatsache, daß der Werkbund heute noch
nur ganz selten einmal in Fällen, wo der Staat
eine für die Gestaltung unserer Kultur höchst
wichtige Entscheidung zu fällen hat, um Rat ge-
fragt wird oder daß man seine Stimme überhaupt
hört, obwohl doch dem Staate kaum verborgen
sein kann, daß die im Werkbund zusammen-
geschlossenen Männer von den betreffenden
Fragen wirklich etwas verstehen. (Das Auswärtige
Amt und einige wenige Staats- und Kommunal-
behörden machen dabei eine rühmliche Aus-
nahme.) Für diese Tatsache gibt es, soweit ich
sehen kann, nur eine, allerdings nicht sehr rühm-
liche Erklärung: Da der Werkbund weder eine
Standesvertretung noch ein Interessenverband ist,
hat seine Stimme für die Behörde weder das Ge-
wicht einer Berufsgruppe, noch steht hinter ihm
die Macht einer Finanzgruppe oder einer ge-
schlossenen Wählerschaft. So erweist sich das,
was sonst immer der besondere Stolz des Werk-
bunds war, die Freiheit von jeder Bindung außer
der an die Idee, in diesem einen Falle, der aber
entscheidend ist, als eine verhängnisvolle
Schwäche. Dies muß anders werden. Der Werk-
bund darf nach dem, was er in diesen fünfund-
zwanzig Jahren geleistet hat, beanspruchen, daß
seine Stimme in allen den Fällen, wo es sich um
Werkbundfragen handelt, gehört wird, und der
Staat kann es sich, zumal in diesen Zeiten höch-
ster Gefährdung aller geistigen und kulturellen
Werte, nicht länger leisten, auf den Rat einer Ge-
meinschaft zu verzichten, die wahrhaftig oft ge-
nug bewiesen hat, daß sie mit dem, was sie ver-
kündigt und vertreten hat, im Rechte war. Der
Staat darf nicht länger glauben, daß der Werk-
bund nichts weiter sei wie ein Ausstellungsver-
band, für den genügend geschehe, wenn man
seine Ausstellungen fördert.
So wird sich der Werkbund seine eigentliche
und endgültige Position erst erobern müssen.
Freilich — er wird diese Position nur halten
können, wenn er sich über das Ziel seiner Arbeit
wirklich ganz im klaren ist. Und zu dieser Klar-
heit zu gelangen, ist in einem Augenblick, da alle
festen Wertungen erschüttert sind und in dem
Chaos kaum die ersten Umrisse einer neuen Welt-
ordnung sichtbar werden, schwer genug. „Die
Form", die von Anfang an ihre Aufgabe darin
sah, zu einer Klarheit über die geistigen Grund-
lagen der gestaltenden Arbeit zu gelangen, wird
ihre Bemühung in diesem Jahr angesichts der aufs
höchste gestiegenen Gefahr für alle geistigen
Werte verdoppeln, — wobei sie auf die tat-
kräftige Unterstützung aller derer rechnet, die
etwas zur Klärung beizutragen haben.
Mit drei großen Fragenkomplexen wird der
Werkbund sich zu befassen haben, an drei
Fronten wird er kämpfen müssen. Die unmittel-
barste, von jedem einzelnen am eigenen Leibe
gespürte Gefahr droht der Kultur von der Seite
der allgemeinen Not. Die Frage, woher die Not
kommt und ob es Wege gibt, sie zu beseitigen,
geht den Werkbund nichts an. Wohl aber ist es
seine Sache zu untersuchen, ob wirklich, wie es
heute den Anschein hat, unter dem Druck dieser
Not eine ganze Reihe wichtigster kultureller
Positionen, die in schwerer Nachkriegszeit ge-
halten, zum Teil noch weiter ausgebaut worden
waren, aufgegeben werden müssen. Immer
wieder wird der Öffentlichkeit von Staats wegen
eingehämmert, daß in Zeiten der Not die kultu-
rellen Ausgaben hinter den lebensnotwendigen
unter allen Umständen zurückzustellen seien, und
man ist gerne geneigt, dieses Argument als be-
rechtigt anzuerkennen. Aber man sucht vergeb-
lich nach einer etwas in die Tiefe gehenden Ant-
wort auf die Frage, was denn nun als „lebens-
wichtig" zu gelten habe. Hat es nicht manchmal
den Anschein, als halte man für lebenswichtig
bald nur mehr, was sich direkt in Kalorien um-
rechnen läßt, und was Staat und Wirtschaft zur
Aufrechterhaltung ihrer Organisation unbedingt
nötig haben, und als bliebe daneben manches
andere nur deshalb erhalten, weil dahinter
Mächte stehen, gegen die der Staat nichts ver-
mag? Vielleicht ist dieses Urteil ungerecht —
aber jedenfalls ist von der Entschiedenheit, mit
der sich das durch die Napoleonischen Kriege
weißgeblutete Preußen um die Vertiefung und
Ausbreitung der rein geistigen Bildung bemühte,
heute nicht allzuviel zu merken — obwohl man
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schwinden, weil es, wie heute schon zu merken
ist, „aus der Mode kommt". Heute gibt es ja be-
reits eine keineswegs erfreuliche modische Ein-
fachheit der Form, die unvermeidlich ist wie alle
Mode, die aber immerhin durch Kritik und Schär-
fung des Formgefühls allmählich zurückzudrängen
oder zu veredeln eine lohnende Aufgabe des
Werkbunds ist. Neben dieser Aufgabe, „Hüter
der Form" zu sein, die hoffentlich nach wie vor in
erster Linie der Zeitschrift des Werkbunds über-
tragen bleibt, hat aber der Werkbund eine
ganze Reihe wichtigster Aufgaben zu lösen, um
die er sich zum Teil bisher vielleicht etwas zu
wenig gekümmert hat, auf die er aber gerade
jetzt, wo er nicht durch die Vorbereitung von
Ausstellungen und ähnliche mehr nach außen
wirkende Arbeit abgelenkt ist, alle Kräfte kon-
zentrieren kann. Bei weitem die wichtigste dieser
Aufgaben ist die Gewinnung von Einfluß auf die
Behörden. Es ist eine ebenso erstaunliche wie be-
trübliche Tatsache, daß der Werkbund heute noch
nur ganz selten einmal in Fällen, wo der Staat
eine für die Gestaltung unserer Kultur höchst
wichtige Entscheidung zu fällen hat, um Rat ge-
fragt wird oder daß man seine Stimme überhaupt
hört, obwohl doch dem Staate kaum verborgen
sein kann, daß die im Werkbund zusammen-
geschlossenen Männer von den betreffenden
Fragen wirklich etwas verstehen. (Das Auswärtige
Amt und einige wenige Staats- und Kommunal-
behörden machen dabei eine rühmliche Aus-
nahme.) Für diese Tatsache gibt es, soweit ich
sehen kann, nur eine, allerdings nicht sehr rühm-
liche Erklärung: Da der Werkbund weder eine
Standesvertretung noch ein Interessenverband ist,
hat seine Stimme für die Behörde weder das Ge-
wicht einer Berufsgruppe, noch steht hinter ihm
die Macht einer Finanzgruppe oder einer ge-
schlossenen Wählerschaft. So erweist sich das,
was sonst immer der besondere Stolz des Werk-
bunds war, die Freiheit von jeder Bindung außer
der an die Idee, in diesem einen Falle, der aber
entscheidend ist, als eine verhängnisvolle
Schwäche. Dies muß anders werden. Der Werk-
bund darf nach dem, was er in diesen fünfund-
zwanzig Jahren geleistet hat, beanspruchen, daß
seine Stimme in allen den Fällen, wo es sich um
Werkbundfragen handelt, gehört wird, und der
Staat kann es sich, zumal in diesen Zeiten höch-
ster Gefährdung aller geistigen und kulturellen
Werte, nicht länger leisten, auf den Rat einer Ge-
meinschaft zu verzichten, die wahrhaftig oft ge-
nug bewiesen hat, daß sie mit dem, was sie ver-
kündigt und vertreten hat, im Rechte war. Der
Staat darf nicht länger glauben, daß der Werk-
bund nichts weiter sei wie ein Ausstellungsver-
band, für den genügend geschehe, wenn man
seine Ausstellungen fördert.
So wird sich der Werkbund seine eigentliche
und endgültige Position erst erobern müssen.
Freilich — er wird diese Position nur halten
können, wenn er sich über das Ziel seiner Arbeit
wirklich ganz im klaren ist. Und zu dieser Klar-
heit zu gelangen, ist in einem Augenblick, da alle
festen Wertungen erschüttert sind und in dem
Chaos kaum die ersten Umrisse einer neuen Welt-
ordnung sichtbar werden, schwer genug. „Die
Form", die von Anfang an ihre Aufgabe darin
sah, zu einer Klarheit über die geistigen Grund-
lagen der gestaltenden Arbeit zu gelangen, wird
ihre Bemühung in diesem Jahr angesichts der aufs
höchste gestiegenen Gefahr für alle geistigen
Werte verdoppeln, — wobei sie auf die tat-
kräftige Unterstützung aller derer rechnet, die
etwas zur Klärung beizutragen haben.
Mit drei großen Fragenkomplexen wird der
Werkbund sich zu befassen haben, an drei
Fronten wird er kämpfen müssen. Die unmittel-
barste, von jedem einzelnen am eigenen Leibe
gespürte Gefahr droht der Kultur von der Seite
der allgemeinen Not. Die Frage, woher die Not
kommt und ob es Wege gibt, sie zu beseitigen,
geht den Werkbund nichts an. Wohl aber ist es
seine Sache zu untersuchen, ob wirklich, wie es
heute den Anschein hat, unter dem Druck dieser
Not eine ganze Reihe wichtigster kultureller
Positionen, die in schwerer Nachkriegszeit ge-
halten, zum Teil noch weiter ausgebaut worden
waren, aufgegeben werden müssen. Immer
wieder wird der Öffentlichkeit von Staats wegen
eingehämmert, daß in Zeiten der Not die kultu-
rellen Ausgaben hinter den lebensnotwendigen
unter allen Umständen zurückzustellen seien, und
man ist gerne geneigt, dieses Argument als be-
rechtigt anzuerkennen. Aber man sucht vergeb-
lich nach einer etwas in die Tiefe gehenden Ant-
wort auf die Frage, was denn nun als „lebens-
wichtig" zu gelten habe. Hat es nicht manchmal
den Anschein, als halte man für lebenswichtig
bald nur mehr, was sich direkt in Kalorien um-
rechnen läßt, und was Staat und Wirtschaft zur
Aufrechterhaltung ihrer Organisation unbedingt
nötig haben, und als bliebe daneben manches
andere nur deshalb erhalten, weil dahinter
Mächte stehen, gegen die der Staat nichts ver-
mag? Vielleicht ist dieses Urteil ungerecht —
aber jedenfalls ist von der Entschiedenheit, mit
der sich das durch die Napoleonischen Kriege
weißgeblutete Preußen um die Vertiefung und
Ausbreitung der rein geistigen Bildung bemühte,
heute nicht allzuviel zu merken — obwohl man
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