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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

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Zur Gründungsgeschichte des Deutschen Werkbundes
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Pechmann, Günther von: Der Qualitätsgedanke und die deutsche Wirtschaftspolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0387

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Möchte unser Bund das seinige dazu beitragen, um die
nach Harmonie ringenden Kräfte unserer Zeit zu gesunder
Entwicklung zu bringen."

Vorausgegangen war eine Begrüßungsansprache
von Richard Riemerschmid im Namen der „Münchener
Vereinigung für angewandte Kunst" (des späteren
„Münchner Bundes").

über den „unvergeßlichen Ausklang" der Grün-
dungsfeier erzählt Schumacher: „Sie fand zufällig an
Adolf Hildebrands 60. Geburtstag statt. Riemerschmid
schlug eine Huldigung an diesen Vertreter eines hoch-
gestimmten Künstleriums vor. Für jeden von uns hatte

er ein Bündel langstieliger Rosen bereitgehalten, und
mit diesem farbig leuchtenden Fackelzug zogen wir
geschlossen in des Meisters Wohnung."

Angefügt sei hier zum Schluß nach Riemerschmids
Erzählung eine Einzelheit, die für die „romantische"
Stimmung, die anfangs in diesen Kreisen herrschte,
denen man einen gefährlichen „Modernismus" zum
Vorwurf machte, sehr bezeichnend ist: eine Zeitlang
bestand der Plan, die Gründungsversammlung in der
Katherinenkirche in Nürnberg, also am Schauplatz
des ersten Aktes von Richard Wagners „Meister-
singern", abzuhalten.

Tagung des Deutschen Werkbundes

Berichte der Ausschüsse

Der Qualitätsgedanke

und die deutsche Wirtschaftspolitik

Bericht des Warenausschusses*)

G. von PECHMANN

Wenn v/ir uns mit der Ware auseinandersetzen, so
greifen wir das ursprüngliche Programm des Werkbundes
wieder auf. Seine Satzung bestimmt: „Zweck des Werk-
bundes ist die Veredlung der gewerblichen Arbeit."

Es ist wahr, daß in den letzten Jahren — in einer ganz
richtigen Anpassung an das, was die Zeit als vordringlich
verlangt — der Werkbund seine ursprüngliche Aufgabe
zurückgestellt hat; er hat sich in stärkerem Maße mit mehr
Nachdruck und Erfolg, mit den Problemen beschäftigt, die
mit dem Bauwesen, angefangen von Städteplanung und
Städtebau bis zur Wohnung, zusammenhängen. Jetzt
soll die ursprüngliche Werkbundaufgabe weiter verfolgt
werden.

Wir müssen bei dieser Arbeit völlig neuen Verhältnissen
Rechnung tragen. Als der Werkbund ins Leben gerufen
wurde, da war es wohl der richtigste Weg, sich mit kultu-
rellen Forderungen an die breite Öffentlichkeit zu wenden,
einen Appell zu richten an die Gesinnung der Produzen-
ten, an die Fachpresse und Tagespresse, in öffentlichen
Versammlungen zu wirken und die Parlamente für den
Werkbundgedanken zu interessieren und zu gewinnen.
Heute wird dieser Weg allein nicht mehr zum Erfolg füh-
ren. Eine neue Form des staatlichen Lebens hat sich ent-
wickelt. Die öffentliche Meinung vermag nur einen sehr
geringen Einfluß auszuüben. Von den Parlamenten der
Länder und des Reichs werden wir in absehbarer Zeit kaum
irgendeine wesentliche Unterstützung erwarten dürfen. Wir
sehen, daß das freie Spiel der Kräfte in Industrie und Han-
del immer mehr eingeschränkt wird, wir sehen zugleich,
wie der Staat mit Hilfe einer fast autokratisch regierenden
Bürokratie in die Dinge eingreift, und so wird für uns der
Weg über die staatliche Gewerbepolitik führen müssen:
Aufklärung, Beeinflussung, Unterstützung aller amtlichen
Stellen, die mit gewerbe- und wirtschaftspolitischen Auf-
gaben betraut sind. Dabei müssen wir uns klar sein, daß
wir nicht das zu machen brauchen, was die anderen schon
machen und besser machen, weil sie dazu berufen sind,

*) Prof. Dr. von Pechmann hielt diesen Vortrag in erweiterter Form
am 15. November auf der 25. Jahresversammlung der Sächsischen
Landesstelle für Kunstgewerbe in Dresden.

dafür organisiert sind, die nötige Apparatur in Händen
haben. Wir — der Deutsche Werkbund — müssen in
die vorhandene Organisation der Verwaltung und der
Wirtschaft das hineintragen, was sie dort nicht haben:
einen anderen Nerv, einen anderen Blick, — eine Blick-
richtung, die auf das Endergebnis der Arbeit schaut. In
Industrie und Handel herrscht vielfach noch der Glaube,
daß wir nach einem Umschwung der Konjunktur die Pro-
duktionskapazität der Werke wieder ausnutzen können,
daß wir nach Beseitigung der Wirtschaftskrise wieder ar-
beiten könnten wie früher. Wir beobachten die erstaun-
liche Unkenntnis, mit welcher der durchschnittliche Unter-
nehmer in Deutschland der Tatsache gegenübersteht —
oder ihr nicht gegenübersteht —, daß sich doch das Lebens-
gefühl der Menschen gewaltig geändert hat und daß die
Tendenz, sich frei zu machen von den Dingen, den Besitz
auf Wesentliche zu beschränken, daß diese Tendenz,
die wir vor dem Krieg schon gefühlt haben, die nach dem
Krieg einsetzte, durch die Krise mächtig verstärkt worden
ist. Ein großer Teil der Menschen, vor allem der beste Teil
der Jugend, werden auch unter einer anderen Wirtschafts-
konjunktur nicht mehr nach der Masse von Schund und
Mittelgut und unnötigen Dingen und all dem Lebensballast
greifen, auf dessen Herstellung viele Unternehmer heute
noch ihre Hoffnung setzen.

Ein bemerkenswertes Verständnis für die veränderte Situ-
ation hat vor kurzem ein großer Fachverband bewiesen,
der die Krise benutzen wollte, um von seinen Mitgliedern
eine Einschränkung im Mustermachen zu erreichen. Fabri-
kanten und Händler klagen über die Kosten, die dadurch
entstehen, daß zu viel neue Formen auf den Markt ge-
bracht werden. Das Risiko wird vermehrt, weil viele der
neuen Muster schnell unverkäuflich werden. So schlug
jener Verband ein Stillhaltejahr für Neuheiten vor. Die
Fabriken sollten sich verpflichten, ein Jahr lang keine neuen
Muster und Modelle aufzunehmen. Trotz der Zustimmung
des Fachhandels fand dieser Vorschlag nicht die nötige
Mehrheit bei den Fabrikanten. Wir müssen diesen so
brauchbaren Gedanken weiterverfolgen und die Fachver-
bände der Industrie dafür gewinnen, ihn in irgendeiner
Form aufzunehmen.

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