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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

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Zur Gründungsgeschichte des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0385

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Zur Gründungsgeschichte
des Deutschen Werkbundes

Es kann als Zeichen für die ganz auf die Tat und
das Ziel gerichtete Gesinnung der Männer gelten,
die sich vor 25 Jahren zur Gründung des Werkbunds
zusammenfanden, daß es bereits heute, da noch ein
großer Teil jener Männer in der Arbeit des Tages
steht, schwer fällt, die Gründungsgeschichte mit einer
gewissen historischen Vollständigkeit darzustellen. Es
sei daher erlaubt, zu dem, was Peter Bruckmann im
letzten Heft festgestellt hat, noch einige Erörterungen
zu geben, auf Grund von Mitteilungen, für die wir
Fritz Schumacher, dem Hamburger Stadtbaudirektor,
zu besonderem Danke verpflichtet sind.

Jene Rede von Hermann Muthesius vom Jahre 1907
und der sich anschließende Protest des „Verbandes
für die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes"
war bereits der zweite Akt des Schauspiels, das die
Öffentlichkeit so stark erregte. Vorausgegangen war
im Jahr vorher ein erster Akt, nicht ganz so stürmisch
wie der zweite, aber immerhin schon mit den An-
zeichen künftiger Verwicklungen. Veranlassung war
die „Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dres-
den 1906", deren von Fritz Schumacher auf-
gestelltes Programm als das erste Werkbund-Pro-
gramm bezeichnet werden muß. Diese Ausstellung,
die nach den Worten von Muthesius in einem Briefe
an Schumacher „den Sieg des deutschen Kunstge-
werbes besiegelt hat", hatte bereits einen Protest der
„Fachverbände" für das Kunstgewerbe zur Folge, der
sich gegen das Herausstellen der Künstler wandte.
Aus einem Rechtfertigungsbericht, zu dem Schumacher
von seinem Ministerium aufgefordert wurde, seien die
wichtigsten Sätze abgedruckt:

„Die vorliegende Protesteingabe der „Fachverbände"
des Kunstgewerbes sagt von der III. Deutschen Kunstge-
werbe-Ausstellung in Dresden: ,Sie ist keine Ausstellung
des Kunstgewerbes, sondern eine Künstler-Ausstellung.'
Der damit gemeinte Gegensatz ist nicht klar ausgedrückt,
er würde richtig charakterisiert sein — und vielleicht ist
das gemeint —•, wenn man sagen würde, diese Veranstal-
tung ist keine Ausstellung des Kunstgewer-
bes als Geschäft, sondern eine Ausstel-
lung des Kunstgewerbes als Kunst.

Um diesen Gegensatz einzig und allein hat es sich
beim Organisieren der III. Deutschen Kunstgewerbe-Aus-
stellung gehandelt. Ihr Ziel war nicht, einen Überblick zu
geben über die kunstgewerblichen Geschäfte Deutsch-
lands, sondern ihr Ziel war und mußte sein, einen mög-
lichst deutlichen Überblick zu geben über die Geschmacks-
bewegung unserer Tage. In dieser Geschmacksbewegung
aber führen Künstler. Da eine große Anzahl dieser
führenden Künstler zugleich vom Staate mit der Heranbil-
dung des jungen kunstgewerblichen Nachwuchses betraut
ist, geht der Einfluß dieser Männer jetzt schon durch ihre
Schüler (oft allerdings leider noch einfacher durch ihre
Publikationen) auch auf die Geschmacksart vieler Firmen

über, diesich äußerlich von Künstlern fern-
halten. Ein Gegensatz im angestrebten Stilcharakter
braucht also gar nicht notwendig hervorzutreten. Dennoch
mußte die Aussstellung bestrebt sein, diese Geschmacks-
strömung aus erster Hand zu zeigen. . . .

Es handelt sich für unsere deutsche Kunst um das Errin-
gen von Qualität und eines selbständigen gefestigten
Geschmackes. Diesen zu erreichen ist nicht nur durch ge-
schäftlichen Partikularismus möglich. Beste Künstlerkraft
und beste Handwerkskraft müssen sich dazu verbinden,
überall, wo sie vorhanden sind. Erreichen wir dies Ziel
eines selbständigen gefestigten Geschmackes aber wirk-
lich, so bedeutet das nicht nur einen künstle-
rischen, sondern zugleich einen wirt-
schaftlichen Erfolg, den das ganze deut-
sche Kunstgewerbe in allen seinen Teilen
spüren wird.

Ich kann deshalb in diesem Proteste nur eine jener
Minoritätsvota sehen, die bei großen nach bestimmten
Gesichtpunkten durchgeführten Unternehmen unausbleib-
lich sind."

Noch vor Schluß der Ausstellung waren Muthesius,
Dohm, Karl Schmidt und Scharvogel an Schumacher
mit dem Vorschlag herangetreten, „die Ausstellung in
die Gründung eines Bundes von Künstlern und hoch-
qualifizierten Vertretern von Gewerbe und Industrie
ausmünden zu lassen". Damit dieser Gedanke zur
Tat wurde, bedurfte es noch eines zweiten Anstoßes,
der auch nicht lange auf sich warten ließ: es waren
die leidenschaftlichen Angriffe gegen Muthesius, die
bekanntlich soweit gingen, daß man vom Kaiser die
Entfernung von Muthesius aus seinem Amte forderte.
Nun mußte etwas geschehen, und es wurde ein Auf-
ruf zur Gründung eines Bundes erlassen. Die Namen
der Unterzeichner, zwölf Künstler und zwölf Firmen,
sind von allgemeinem Interesse. Es waren die Künst-
ler: Peter Behrens, Theodor Fischer, Josef Hoffmann,
Wilhelm Kreis, Max Läuger, Adelbert Niemeyer, Josef
Olbrich, Bruno Paul, Richard Riemerschmid, J. J. Schar-
vogel, Paul Schultze-Naumburg, Fritz Schumacher, —
auf der anderen Seite die Firmen: P. Bruckmann &
Söhne, Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst
Dresden, Eugen Diederichs, Gebr. Klingspor, Kunst-
druckerei Künstlerbund Karlsruhe, Poeschel & Trepte,
Saalecker Werkstätten, Vereinigte Werkstätten für
Kunst und Handwerk München, Werkstätten für deut-
schen Hausrat Theophil Müller Dresden, Wiener
Werkstätten, Wilhelm & Co., Gottlob Wunderlich.

Mit welchem Mißtrauen die neue Gründung auf
manchen Seiten betrachtet wurde, geht aus der inter-
essanten Tatsache hervor, daß Muthesius wegen der
Einstellung seines Ministeriums der Gründungsver-
sammlung fernblieb, so daß die Aufgabe, im Namen
der Künstler zu sprechen, Schumacher allein zufiel, der

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